Geschichte Erinnerungen an die Tiergartenstraße 4

TRIER · Eine Wanderausstellung in der Volkshochschule Trier informiert über die Euthanasie-Morde im Nationalsozialismus.

 Eröffnung der Ausstellung über die Euthanasie-Morde der Nazis (von links): Markus Pflüger (Arbeitsgemeinschaft Frieden), Rudolf Fries (VHS Trier), Markus Leineweber (Brüderkrankenhaus), Matthias Klein (Uni Trier) und Thomas Zuche (AG Frieden).

Eröffnung der Ausstellung über die Euthanasie-Morde der Nazis (von links): Markus Pflüger (Arbeitsgemeinschaft Frieden), Rudolf Fries (VHS Trier), Markus Leineweber (Brüderkrankenhaus), Matthias Klein (Uni Trier) und Thomas Zuche (AG Frieden).

Foto: TV/Sebastian Stein

Einen Schlussstrich unter die deutsche Geschichte ziehen? Dieser aktuellen Forderung verwehren sich die Organisatoren um die AG Frieden und die Volkshochschule (VHS) vehement. Aus Anlass des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar haben sie eine Wanderausstellung von Berlin nach Trier geholt. Gerade in Zeiten, in denen jüdische Kinder aufgrund von Anfeindungen die Schule wechseln müssten, werde Gedenkarbeit wichtiger denn je, meint Rudolf Fries (VHS). Der Fokus liegt diesmal auf den Euthanasie-Morden, die im Gedächtnis oftmals weniger präsent sind als andere Verbrechen des NS-Regimes. Die Ausstellung mit dem Titel „Tiergartenstraße 4“ zeigt auf 30 Schautafeln die Lebens- und Leidensgeschichten Betroffener. In eben jener Tiergartenstraße 4 begannen 1939 die Vorbereitungen für die Euthanasie-Morde an Anstaltspatienten. Während Euthanasie im eigentlichen Sinne „guter Tod“ aus Sicht der Sterbenden bedeutet, ist die nationalsozialistische Verwendung im Sinne der „Rassenhygiene“ und „Beendigung unwerten Lebens“ zu verstehen.

In reichsweit sechs Tötungsanstalten wurden etwa 70 000 Menschen mit Gas ermordet. Zur Verschleierung wurden die Opfer verschleppt und in Zwischenanstalten untergebracht. Gefälschte Sterbedaten und erfundene Todesursachen dienten der Geheimhaltung und Erschleichung von Pflegegeldern.

Matthias Klein (Uni Trier) hat zur nationalsozialistischen Rassenhygiene im Raum Trier promoviert und erklärt, dass dies gar nicht ohne die Vorgeschichte zu verstehen sei. In den 1930er Jahren hat sich demnach eine Vorstellung durchgesetzt, dass „negative Erbanlagen“ vernichtet werden sollten. 1933 erließ das Hitler-Regime ein Sterilisierungsgesetz, das unter anderem Menschen mit Taubheit, Missbildungen, Alkoholismus oder „angeborenem Schwachsinn“ betraf. In Trier wurden 2000 „Unfruchtbarmachungen“ im Mutterhaus Nord durchgeführt, erklärt Klein. Zudem sei gegen mehr als 100 Patienten aus dem Brüderkrankenhaus ein Anstaltsverfahren eröffnet worden. Während die Sterilisationen per Gesetz legitimiert waren, fanden die Massenmorde im Geheimen statt. Allgemein seien aus der Region verhältnismäßig wenige getötet wurden, da die Aktion vor der Erfassung der hier ansässigen Patienten eingestellt wurde, erklärt Klein. Er berichtet jedoch von Heinrich G., der als „läppisch“ und „schizophren“ diagnostiziert und nach Trier verlegt wurde. Über 20 Jahre hätte er in Pflegeanstalten verbracht, ehe er vermutlich  in der Anstalt Grafeneck ermordet wurde.

Markus Leineweber (Brüderkrankenhaus) stellt sich bei der Ausstellungseröffnung der Vergangenheit. Auf die Schlussstrich-Frage gebe es nur eine Antwort: „Solange es Menschen gibt, ist es wichtig zu erinnern, wozu Menschen in der Lage sind.“

Bis 9. Februar kann die Ausstellung in der Volkshochschule am Domfreihof zu den üblichen Öffnungszeiten besucht werden.

Im Rahmenprogramm werden  Vorträge, Film und Rundgang angeboten:  27. Januar, 16 Uhr, Friedens- und Umweltzentrum: Rundgang „NS-Verfolgung von ‚Unangepassten‘“, 31. Januar, 19.30 Uhr, Broadway-Kino:  Film „Nebel im August“.

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