Vor 20 Jahren: Der Anfang vom Ende

Trier · Ein Jubiläum, aber für viele Trierer kein Grund zum Feiern: Vor 20 Jahren wurde zum letzten Mal Bier in der Löwenbrauerei gebraut. Es war der Anfang vom Ende. Im Frühjahr 1997 wurde Triers letzte Brauerei abgerissen.

Trier. "Die Rente ist sicher", verkündete der damalige Bundesminister Norbert Blüm am 10. Oktober 1997 vor dem Deutschen Bundestag. Zehn Jahre zuvor hatte bereits ein Trierer "Prophet" weit daneben gelegen. "Die Löwenbrauerei gibt es noch im 21. Jahrhundert!", hatte Besitzer Jürgen Mendgen (heute 72) im TV-Interview erklärt. Zwei Mal gewaltiger Irrtum. Ironie der Geschichte: Als Blüm sein vollmundiges Versprechen abgab, war die Löwenbrauerei, Triers letzte große Bierfabrik, bereits von der Bildfläche verschwunden. Das Ende einer großen Ära. 16 Braustätten gab es im 19. Jahrhundert in Trier. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren es nur noch zwei. Als vorletzte musste die Caspary-Brauerei dran glauben. 1972 von der Frankfurter Binding übernommen, wurde der markante Komplex in Heiligkreuz im Sommer 1983 abgerissen. Dieses Schicksal, so glaubte der zum Trierer Gerstensaft-Monopolisten avancierte Jürgen Mendgen, werde seiner Brauerei nicht widerfahren.
Der vermeintliche Rettungsanker wider den Sog der Kaufgelüste großer Konzerne: das Petrisberger Pils. Eine symbolhafte neue Marke: 1984 mit großem Tamtam zur 2000-Jahr-Feier der Stadt eingeführt, war das neue Premiumbräu eine Kampfansage an das Bitburger Pils. Herber als eigene Erfolgsmarken wie Kurfürst, aber eben aus Trier. Das zog, vor allem bei verunsicherten Lokalpatrioten. Da konnte man in Zeiten, als reihenweise Behördendirektionen (Post, Bahn) aus Trier abgezogen wurden, Bier trinkend Flagge zeigen! Prost, wir leben noch!
Doch schon 1990, als die Löwenbrauerei ihr 100-jähriges Bestehen feierte, war Mendgen nicht mehr alleiniger Herr im Haus. Zwei Jahre zuvor hatte er dem Werben der Karlsberg-Brauerei nachgegeben und ihr Produktion und Vertrieb verkauft. Der langjährige Prokurist Gottfried Schuhn (79), zeigt "bei aller Wehmut" Verständnis: "Die großen Konzerne waren damals auf Einkaufstour. Wir waren ein gesundes Unternehmen, aber klein. Es hätte gewaltiger Investitionen vor allem in Werbung bedurft, um überleben zu können." Mendgen habe "kaufmännisch richtig gehandelt und nicht gewartet, bis die Firma pleite ist. Auch für das Personal war der Verkauf an die Karlsberg eine gute Entscheidung."
Für Geschmackspuristen nicht. Wo Trierer Löwenbräu draufstand, war fortan immer häufiger in Homburg gebrautes Bier drin. Am Abend des 1. März 1993 wurden die Braukessel am Petrisberg abgeschaltet. Der Anfang vom Ende auch für Lokal (Brauerei-Ausschank oder Braustübchen genannt), Festsaal und Triers größten Biergarten (700 Plätze). Das aber lag nicht an den Homburgern. Mendgen blieb zunächst Grundstücksbesitzer und entwickelte gemeinsam mit dem Immobilienunternehmen Triwo AG die beiden Teilareale links und rechts der Bergstraße; insgesamt 20 000 Quadratmeter. Bergseitig (vormals Fuhrpark und Lager) entstanden 75 Eigentumswohnungen, später weitere 100 an der Talseite (Produktionsstätte und Gastronomie). Gesamtinvestition: rund 26 Millionen Euro.
Der letzte Gastro-Pächter Eric Naunheim (46) musste am Ostermontag 1997 "den Laden endgültig dicht machen. Es war zum Heulen". Der Abrissbagger stand schon bereit. Die 17 Kastanien und ein Spitzahorn aus dem einstigen Biergarten gibt es immer noch. Das Ensemble steht seit 1996 unter Naturschutz.
Aufruf

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Geschichte

1890 kauft der aus Niedermennig stammende Braumeister Friedrich Mohr die Trierische Actienbrauerei, deren Betrieb seit 1887 ruht. Noch im selben Jahr beginnen Bierproduktion und Vertrieb unter dem neuen Namen Löwenbrauerei Trier Fr.Mohr.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts übernehmen die Söhne Fritz und Carl-Josef Mohr die Betriebsleitung. Zwischen den beiden Weltkriegen liegt der jährliche Bierausstoß zwischen 25 000 und 30 000 Hektolitern.
1938 scheidet Fritz Mohr aus der Firma aus.
Nach 1945 bauen die neuen Gesellschafter Carl Mendgen (Schwager von Mohr) und seine Frau Else das weitgehend zerstörte Betriebsgelände wieder auf.
Ab April 1948 wird am Petrisberg wieder gebraut.
Am 5. Mai 1950 verunglückt Carl Mendgen tödlich, an seine Stelle tritt Braumeister Wilhelm Kaufmann. Der ständig wachsende Bierausstoß zwingt zur Expansion und zum Neubau von Gebäudeanlagen wie des Sudhauses 1965. In dieser Zeit liegt der Ausstoß der Brauerei bei rund 105 000 Hektolitern.
Nach dem Tod von Direktor Kaufmann übernimmt Karl Bethge 1961 die Leitung der Brauerei und gibt sie 1969 an seinen Neffen Jürgen Mendgen weiter. Der baut den Betrieb weiter aus, nimmt alkoholfreie Getränke ins Vertriebsprogramm auf und schließt Exklusivverträge mit Perrier und Rhenser ab. Die Bier-Angebotspalette wird um Maisel-Weizen und das selbst entwickelten Premium-Pils Petrisberger erweitert.
Am 1. Oktober 1988 verkauft Mendgen die Löwenbrauerei an den Karlsberg-Verbund.
Am 1. März 1993 wird am Petrisberg zum letzten Mal Bier gebraut.
Vier Jahre später schließt der Brauerei-Ausschank, und der Abrissbagger rollt an.
Am 4. Mai 1997 fällt der Sudhaus-Turm, das weithin sichtbare Erkennungszeichen von Triers letzter Großbrauerei. An ihrer Stelle ist ein behindertengerechter Wohnkomplex entstanden. rm.

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