Kultur „Wie viel Europa wollen wir?“

Trier · Der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Santer spricht bei der Casino-Gesellschaft Trier.

 Zum Gruppenfoto mit dem Ehrenstaatsminister des Großherzogtums Luxemburg, Jacques Santer (Fünfter von links), versammeln sich der Vorstand der Casino-Gesellschaft Trier und Vertreter der regionalen Politik.

Zum Gruppenfoto mit dem Ehrenstaatsminister des Großherzogtums Luxemburg, Jacques Santer (Fünfter von links), versammeln sich der Vorstand der Casino-Gesellschaft Trier und Vertreter der regionalen Politik.

Foto: Martin Recktenwald

Drei Fragen muss die Europäische Union bald beantworten, um die politische Krise zu überwinden, findet Jaques Santer. Auf Einladung der Casino-Gesellschaft Trier (siehe auch unten stehenden Text) sprach der frühere Kommissionspräsident und Ehrenstaatsminister des Großherzogtums Luxemburg im Saal des Kurfürstlichen Palais‘ zu Historie und aktueller Lage in Europa.

Die Knackpunkte sind für Santer: „Wie viel Europa wollen wir – wie weit soll die Vertiefung gehen? Wie weit soll sich Europa geographisch ausbreiten? Und wie schützt Europa seine Bürger und ihren Wohlstand?“

Einige dieser Fragen seien in der Vergangenheit  selten gestellt worden, bei anderen müsse man Irrwege eingestehen und gegensteuern. So hätten sich einige Hoffnungen an die Währungsunion nicht erfüllt. Italien konnte entgegen der Prognosen mancher Ökonomen seine Schuldenlast durch den Beitritt zum Euro nicht mindern. „Der Fehler war, dass man von der Wirtschafts- und Währungsunion nur den Währungsteil umgesetzt hat“, meinte Santer. Alt eingespielte Muster des Wirtschaftens in verschiedenen Ländern kollidierten mit dem Druck einer gemeinschaftlichen Geldpolitik.

Santers Interviewpartner, Bernhard Wabnitz, langjähriger ARD-Auslandskorrespondent und Mitglied der Casino-Gesellschaft Trier, hakte nach: Welchen Ausweg Italien für seine Staatsfinanzen habe?

Grundsätzlich müsse jedes Land seinen Haushalt natürlich in Ordnung bringen, argumentierte der frühere Kommissionspräsident. „Aber man muss ihnen auch die Möglichkeit geben Kredite aufzunehmen. Deshalb plädiere ich für einen europäischen Währungsfonds“, ergänzte er und bekundete in diesem Punkt Sympathie mit den Vorschlägen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Hoffnung für Europa sieht Santer in den Grenzregionen – nicht zuletzt in der Großregion aus Trier, Luxemburg, Saarland, Lothringen und der belgischen Wallonie. Die treibenden Kräfte am Beginn der europäischen Einigung seien alle Persönlichkeiten aus Grenzregionen gewesen, belegte er an Beispielen wie Robert Schuman oder Konrad Adenauer.

In seiner Jugend machte Santer selbst die Erfahrung von Grenzen und Menschen, die sie überwinden. „Ich bin in Wasserbillig aufgewachsen. Wenn wir sagten, wir gehen in die Stadt, war das für uns immer Trier“, gab er ein Beispiel. Heute seien in der Großregion elf Millionen Menschen kulturell und wirtschaftlich eng verknüpft – sie könne zum Modell für ein „Europa der Großregionen“ werden.

Aber man habe noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft: Beispielweise sollte die gemeinsame Berufsausbildung gefördert werden. „In der Bevölkerung ist noch zu wenig Bewusstsein dafür, welche Möglichkeiten bestehen“, forderte Santer zu mehr Mut auf.

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