"Wir sind bereit, Kritik anzuhören"

Der Botschafter der Volksrepublik China, Wu Hongbo, wird sich heute ins Goldene Buch der Stadt Trier eintragen. Der Diplomat stellte sich den Fragen des TV - auch zu den Themen Menschenrechte und Meinungsfreiheit.

Trier. (jp) Während in der Innenstadt die Narren feierten, wurden Trier und die chinesische Stadt Xiamen am 11. November offizielle Partner. Oberbürgermeister Klaus Jensen und Zhan Cangzhou, der stellvertretende Bürgermeister von Xiamen, besiegelten Triers inzwischen neunte Städtepartnerschaft. Für heute hat Chinas Botschafter Wu Hongbo seinen Antrittsbesuch in Trier angekündigt. Mit TV-Redakteur Jörg Pistorius sprach er über die Vorteile solcher Partnerschaften, aber auch über die Kritiker, die China wegen Menschenrechtsverletzungen, fehlender Sozialstandards und der gewaltigen Schieflage zwischen Arm und Reich als Partner ablehnen.

Herr Botschafter, wie kommt es, dass ältere Chinesen sich nicht mit "Wie geht's?" begrüßen, sondern mit der Frage "Hast du schon gegessen?"

Wu Hongbo: Im Lauf der Jahrtausende hatten die Chinesen wegen Naturkatastrophen und Kriegen häufig nicht genug zu essen. Das Essen ist eine lebenswichtige Frage. Aus diesem Grund begrüßten sich die älteren Chinesen oft mit der Frage "Hast du schon gegessen?", um Interesse für die andere Seite zu zeigen. Im Lauf der Zeit ist es zur Begrüßung geworden.

Heute sieht die Lage anders aus.

Wu Hongbo: Gegenwärtig ernährt China mit einer Ackerfläche, die nur sieben Prozent der gesamten Ackerfläche der Welt ausmacht, erfolgreich eine Bevölkerung, die ein Fünftel der Weltbevölkerung ausmacht. Während sich auf der Erde immer noch mehr als 900 Millionen Menschen nicht satt essen können, machen sich die 1,3 Milliarden Chinesen keine Sorgen mehr um ihre Nahrung. Das ist ein großer Beitrag, den China zur Welt geleistet hat.

Triers Partnerstadt Xiamen ist eine schöne und wirtschaftlich erfolgreiche Küstenstadt, die Unternehmen ebenso anzieht wie Touristen. Doch die Mehrheit der 1,3 Milliarden Chinesen lebt arm im ländlichen Raum. Die Städte wachsen und glänzen, das Land bleibt zurück.

Wu Hongbo: Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens: Der Osten Chinas ist von Ebenen, der Westen von Gebirgen und Wüsten geprägt. Zweitens: Mehr als 70 Prozent der Industrie und des Transportwesens Chinas konzentrieren sich in den östlichen Küstengebieten, während die anderen Landesteile nur eine schwache Basis haben. Das Ungleichgewicht in der Entwicklung spiegelt die realen Verhältnisse Chinas wieder.

Was wird dagegen getan?

Wu Hongbo: In den vergangenen Jahren hat China bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die die Entwicklung und den Aufbau der ländlichen Regionen gefördert haben. Gegenwärtig hat das Entwicklungstempo in den westlichen Regionen bereits das in den östlichen Küstengebieten übertroffen. Die Bauern haben einen schnelleren Einnahmenzuwachs als die Stadtbevölkerung.

Das Handelsvolumen der Volksrepublik China mit der Bundesrepublik ist so groß wie das mit Frankreich, Großbritannien und Italien zusammen. Gibt diese Verbindung der deutsch-chinesischen Städtepartnerschaften eine besondere Bedeutung?

Wu Hongbo: Insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund der Finanzkrise hat der Handel mit China die deutsche Wirtschaft kräftig aus der Krise herausgeholt. China ist dabei zum wichtigsten ausländischen Markt für die Schlüsselindustrien Deutschlands wie Maschinenbau, Automobile und Chemie und auch zum größten Handelspartner Deutschlands außerhalb der EU geworden, wozu mit absoluter Sicherheit auch die Städtepartnerschaften beider Länder beigetragen haben.

Kritiker dieser Partnerschaften beziehen sich auf die innerhalb der Volksrepublik China zu beobachtenden Missachtung der Menschenrechte, auf die Unterdrückung von Rede- und Meinungsfreiheit und auf das starre Einparteiensystem. Mit welchen Argumenten treten Sie solchen Kritikern entgegen?

Wu Hongbo: China ist vielen internationalen Menschenrechtskonventionen beigetreten, hat mit vielen Ländern einschließlich Deutschland Dialoge über Menschenrechte geführt und enorme Bemühungen für die Wahrung und Entwicklung der Menschenrechte geleistet. Das grundlegendste Recht des Menschen ist das Recht auf die Existenz. Seit der Reform und Öffnung im Jahr 1978 sind 250 Millionen Chinesen von der extremen Armut befreit worden. Das bedeutet: Zwei Drittel der Erfolge der Armutsbekämpfung auf der Erde stammen aus China. Und: Die Anzahl der Internetnutzer in China übertrifft die Gesamtbevölkerung der USA.

Eine sehr positive Darstellung.

Wu Hongbo: Selbstverständlich ist China wie andere Länder auch kein perfektes Land. Wir sind bereit, Kritik und Vorschläge anzuhören und von anderen Ländern zu lernen, um die Menschenrechte besser zu entwickeln. Ob das Gesellschaftssystem Chinas gut ist, kann das chinesische Volk am besten beurteilen. Ob die chinesische Regierung Erfolge erzielt hat, darüber ist sich das Volk sehr im Klaren. Wenn die Kritiker meinen, dass sie intelligenter als das chinesische Volk seien und alles sich nach ihnen richten sollte, täuschen sie sich. HintergrundDie Partnerschaft: Trier will vor allem eine Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Wirtschaft und Handel vorantreiben. Auf der wissenschaftlichen Ebene ist der Austausch zwischen Trier und Xiamen bereits in vollem Gange. Kooperationen zwischen den Universitäten der beiden Städte bestehen seit Jahren. Chinesische Studenten der Xiamen University leben in Trier. Zudem wurde 2008 das Konfuzius-Institut eröffnet, das die interkulturelle Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China fördern soll. Zum Pflichtprogramm jeder Delegation aus Xiamen gehört das Karl-Marx-Haus. Vize-Bürgermeister Zhan Cangzhou trug sich im November mit dem Satz "Der Sozialismus wird ewig glänzen" ins Gästebuch ein. (jp)ExtraIm großen Rathaussaal wird Botschafter Wu Hongbo heute um 11.30 Uhr von Oberbürgermeister Klaus Jensen und dem Ältestenrat empfangen. Der OB wird den hohen Gast bitten, sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen. "Protestaktionen sind meines Wissens nicht geplant", sagt Markus Pflüger von der AG Frieden Trier. (jp)Für Kinder Trier hat jetzt eine Partnerschaft mit einer Stadt in China. Die heißt Xiamen, man spricht das "Siamen" mit Betonung auf dem e aus. Beide Städte lernen dabei, wie die Menschen in dem anderen Land leben. In Trier freuen sich aber nicht alle über die Partnerschaft. Denn in China ist vieles anders als in Deutschland. Dort dürfen viele Chinesen nicht laut sagen, wenn sie etwas nicht mögen. Und im Internet surfen ist auch nicht so einfach. Die Regierung verbietet nämlich die Seiten, die sie nicht mag. Die Menschen in China können sich deshalb nicht alles im Internet anschauen. (hsc)

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