Wo die Römer auf Sand bauten

TRIER. Spannende Einblicke in die Siedlungsgeschichte der Stadt Trier gewähren die archäologischen Grabungen auf dem ehemaligen Paulinus-Gelände an der Fleischstraße. Sie führen in bis zu sechs Meter Tiefe und in vorrömische Zeit.

Es müssen nicht immer Goldschätze oder Pracht-Mosaike sein. Manchmal reichen schon unscheinbare Mauerreste, um Archäologen zu verzücken. "Wir sind überrascht, wie viel Fundsubstanz hier noch erhalten ist", sagt Grabungskoordinator Joachim Hupe (40) vom Rheinischen Landesmuseum. Statt der erwarteten archäologischen Wüste finden die Ausgräber selbst unter den Kellern des frisch abgerissenen Paulinus-Verwaltungsgebäudes (mit dem früheren Interbook-Standort) noch Spuren aus der Frühzeit der ältesten Stadt Deutschlands.Archäologen graben bis August

So verschonte der Paulinus-Bau von 1955/56 Estrich-Teile samt Unterbau eines römischen Hauses und die direkt darunter liegenden Sandschichten - aufgeschwemmt vor Jahrtausenden von Mosel-Hochwassern. Die Römer mögen zwar auf (Mosel-) Sand gebaut haben, doch sie bauten stabil. Der für seine Zeit typische Kiesel-Estrich stammt aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. Daneben kommen Reste von Hausmauern zum Vorschein sowie ein Brunnen und eine Sickergrube. Deren Datierung gestaltet sich noch schwierig. "Wir stehen erst am Anfang unserer Untersuchungen. Aber ich denke, wir werden bald schlauer sein", betont Georg Breitner (37), der die Grabung leitet. Seit einem Monat untersucht das Landesmuseum in Kooperation mit dem Archäologischen Institut der Uni Trier das Baugelände zwischen Metzel- und Fleischstraße. Die Grabungen sind Bestandteil des Großprojekts Trier-Galerie und dauern, finanziert von Investor C+T-Development (Berlin), bis Ende August. Dann räumen die Archäologen das Feld. Die für September vorgesehene Grundsteinlegung des 70 Millionen Euro schweren Einkaufszentrums dürfte ungefährdet sein; epochale Funde wie die der bis dato unbekannten Thermenanlage beim Bau der Viehmarkt-Tiefgarage (1987) sind nicht zu erwarten. "Hier befand sich in der Römerzeit ein Wohngebiet. Vielleicht stoßen wir noch auf Spuren von Handwerksbetrieben oder Kleingewerbe, aber nicht auf monumentale Gebäude", vermutet Breitner. Dennoch genießt die Grabung für die Experten das Prädikat "besonders wertvoll". Der Hauptgrund dafür liegt im noch unerforschten Bereich der Paulinus-Druckhalle. Die stand auf einer römischen Straße, die in Südrichtung genau auf das Forum, das Herz der antiken Stadt, zuläuft. "Wir hoffen, wir bekommen die Straße und die Wohnbebauung zu beiden Seiten über eine große Distanz zu fassen", erklärt Hupe. Die bisherige Ausbeute: viel versprechend. Über römischen Architekturteilen aus mehreren Jahrhunderten liegen hoch-und spätmittelalterliche Gemäuerreste, vor allem Keller und Kloakenschächte. Im Mittelalter war die Achse auf dem Paulinus-Gelände verschoben. Die Römerstraße war längst aufgegeben; jetzt orientierte sich die Bebauung hin zur Fleischstraße, die sich nach Gründung des Hauptmarkts (958) zu einer Hauptverkehrsader Triers entwickelte. "Diese Grabung wird uns noch spannende Einblicke in die Siedlungsgeschichte der Stadt vermitteln", sind Breitner und Hupe überzeugt. Und spektakuläre Funde sind nicht auszuschließen. Bei Ausschachtungsarbeiten 1977 auf dem Druckerei-Gelände kam nahe der Metzelstraße jedenfalls ein Mosaik aus dem 4. Jahrhundert zum Vorschein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort