Wo Menschen lernen, was Tränen bedeuten

Trier · Autismus hat viele, oft traurige Gesichter. Die Mitarbeiter des Autismus-Therapiezentrums Trier helfen autistischen Menschen, deren Familien und betreuenden Personen, das Leben mit der nicht heilbaren Störung zu meistern.

 Barbara Wagner und Lena Lafos (von links) genießen ihre Gemeinsamkeit in der Schaukel des Autismus-Therapiezentrums. Foto: ATZ

Barbara Wagner und Lena Lafos (von links) genießen ihre Gemeinsamkeit in der Schaukel des Autismus-Therapiezentrums. Foto: ATZ

Trier. Vor mehr als 20 Jahren gründeten Eltern als Selbsthilfegruppe den Verein "Hilfe für das autistische Kind". Sie sahen der Wahrheit ins Gesicht. Ihre Kinder sind Autisten, und sie benötigen Unterstützung. Ihr Ziel war und ist noch immer, Projekte und Ideen zu fördern, die eine wirksame Hilfe für autistische Menschen sind. Aus jenem Verein, heute Autismus Mosel-Eifel-Hunsrück e. V. genannt, entwickelte sich 1991 eine Autismus-Ambulanz, auf deren Gründung das Autismus-Therapiezentrum Trier (ATZ) beruht.
Jeder, der den Film "Rain Man" kennt, glaubt, über Autismus Bescheid zu wissen. Doch so einfach ist es nicht. Wegen einer veränderten Verarbeitung im Gehirn sind Betroffene nicht in der Lage, Sinnesreize richtig zu verarbeiten. Probleme im Verständnis sozialer Zusammenhänge, Angst, Unsicherheit, Chaos und Misstrauen sind die Folge. Das Autismusspektrum reicht von nicht behandlungsbedürftigen Auffälligkeiten über tiefgreifende Störungen von Minder- bis zu Hochbegabungen und von guten sprachlichen Fähigkeiten bis hin zu keiner Sprache.
Im ATZ kümmern sich zurzeit 25 Mitarbeiter, davon 19 Therapeuten, um derzeit weit mehr als 100 Autismus-Patienten. Der jüngste von ihnen ist drei Jahre, der älteste 50 Jahre alt. Die größte Gruppe bilden die Fünf- bis Zwölfjährigen. Die meisten Autisten sind männlich. Der Grund dafür ist bisher nicht erforscht.
Eine Therapie, so Diplom-Psychologin Irmgard Herold, könne durchaus, wenn auch mit Unterbrechungen, 20 Jahre dauern. Autistische Menschen haben große Probleme mit Veränderungen. Ein Schulwechsel, der Beginn einer Ausbildung oder ein Umzug vermögen sie komplett aus der Fassung zu bringen und ihr Vertrauen tief zu erschüttern.
Eine Sensibilisierung der Eltern, regelmäßige Besuche des Kindergartens oder eine frühere Einschulung erhöhen die Chance, frühkindlichen Autismus, in seiner oft sehr subtilen Ausprägung, frühzeitig festzustellen. Nein, heilbar ist Autismus nicht, doch eine Therapie ermöglicht den Betroffenen, ihre Schwierigkeiten in der Wahrnehmungsverarbeitung besser zu meistern, ihren Lebensweg so selbstbestimmt wie möglich zu gehen und ihre Lebenssituation deutlich zu verbessern. Denn Autisten können nicht in Gesichtern lesen. Sie müssen mühsam lernen, was ein Lächeln bedeutet, ein Stirnrunzeln oder weshalb ihrem Gegenüber hin und wieder dicke Wassertropfen aus den Augen über die Wangen laufen. romi
Bewerber für den neuen Bundeswehrfreiwilligendienst oder für das freiwillige soziale Jahr sind beim ATZ herzlich willkommen. Der Elternverein Autismus Mosel-Eifel-Hunsrück e.V. bietet sogenannte Elternkreise, Gesprächskreise für betroffene Eltern, an, die von einem Therapeuten des ATZ begleitet werden. Es gibt einen Kreis für Mütter und Väter von Kindern mit Asperger-Syndrom in Trier und Daun, außerdem einen Kreis für Eltern von Kindern mit frühkindlichem Autismus in Trier. Informationen und Kontaktdaten gibt es auf der Internetseite des Autismus-Therapiezentrums unter www.autismus-trier.de. romi

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