Atomexperte: Cattenom wegen Sicherheitsmängeln vorerst stilllegen

Trier/Saarburg · Im Auftrag des Landes hat Dieter Majer vergangenen Sommer den Stresstest im französischen Atomkraftwerk Cattenom beobachtet. Seine Erkenntnisse hat der Experte jetzt dem Kreisausschuss Trier-Saarburg vorgestellt. Er sprach von "erheblichen Defiziten bei den Sicherheitsleistungen".

Trier/Saarburg. "Ich weiß nicht, ob wir lachen oder weinen sollen." Mit diesen Worten reagierte der Trier-Saarburger Landrat Günther Schartz (CDU) auf das, was Atomexperte Dieter Majer im Kreisausschuss über Sicherheitsmängel im französischen Kernkraftwerk Cattenom zu berichten hatte. Majer war Leiter der Abteilung Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen im Bundesumweltministerium. 2011 hat er für Rheinland-Pfalz, Luxemburg und das Saarland den Stresstest in der lothringischen Atomanlage beobachtet.
Bei einer Begehung in Cattenom im September seien ihm "erhebliche Mängel" aufgefallen, berichtete Majer dem Kreisausschuss. Allerdings sei bei dem Stresstest "nur ein kleiner Ausschnitt, nicht die Sicherheit der kompletten Anlagen" bewertet worden. Vor dem Hintergrund der Atomkatastrophe in Fukushima hätten vor allem Folgen extremer Naturkatastrophen im Fokus gestanden. Die Frage lautete: "Wie kann nach einem schweren Unfall das Schlimmste verhindert werden?"
Majer bezeichnete etwa die Funktion der Kühlkreisläufe für Notstromaggregate als "fraglich". Verbindungselemente seien "nicht richtig verschraubt". Bei einem schweren Störfall falle die "normale" Kühlung durch die Mosel aus, werde durch Kühlwasser aus einem gestauten Bach ersetzt. An "zahlreichen Teilen" dieser Kühleinrichtungen habe er "fortgeschrittene Korrosion" beobachtet, sagte Majer. Zudem fehlten Brandmelder und seismische Instrumente zur Kontrolle der Systeme nach Erdbeben.
Politischen Druck erhöhen


Kritisch bewertete Majer, dass der Betreiber, der Energiekonzern EDF, bestimmte Szenarien aus dem Stresstest ausgeklammert habe - etwa einen Flugzeugabsturz oder die völlige Überflutung der Anlage. Majers Fazit: "Es wäre geboten, die Anlage erst mal stillzulegen". Dann könne man klären, wo nachgerüstet werden müsse.
"Was können wir als Kreis jetzt konkret unternehmen?", wollte der Kreisbeigeordnete Dieter Schmitt wissen. Majers ernüchternde Antwort: Rechtlich sei "nichts zu erreichen". Über eine Abschaltung entscheide allein die französische Aufsichtsbehörde ASN. Diese forderte nach dem Stresstest zwar Nachbesserungen für Cattenom - aber ohne eine Frist zu setzen. "Sie können weiter politisch Druck aufbauen", so Majers Rat. "Aber das ist das Bohren dicker Bretter." Nachrüstungsforderungen halte er dabei für "kontraproduktiv, wenn Sie die Abschaltung wollen". Denn diese bedeuteten "Milliardeninvestitionen" und somit "eine längere Laufzeit".
Im Ausschuss beantwortete Landrat Schartz auch eine Anfrage der CDU zu einem Störfall vom 18. Januar. Der Cattenombetreiber EDF hatte das Fehlen eines Kühlbeckenventils festgestellt. Die Atombehörde ASN bewertete dies nachträglich als sicherheitsrelevanten Störfall. Der Landkreis erfuhr davon auf Umwegen (der TV berichtete). "Bis heute wurden wir nicht offiziell informiert", stellte Schartz klar. Er habe die Landesregierung daher um Aufklärung gebeten und warte auf Antwort von Energieministerin Eveline Lemke. cweb

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