Befristete Notlösung für werdende Mütter in Sicht

Konz/Trier · 30 000 Euro macht der Landkreis Trier-Saarburg für eine Hebammensprechstunde und Koordinierungsstelle locker, die schon im April in Konz starten. Zunächst für ein Jahr sollen damit gravierende Engpässe in der Geburtsvor- und -nachsorge gemildert werden. Die Verantwortlichen in Trier denken darüber nach, sich am Projekt zu beteiligen.

 Als offenes Angebot gibt es noch bis zur Schließung Ende März die Akupunktursprechstunde in der Hebammenpraxis 9 Plus. Dort bieten die Hebammen Nina Schümmelfeder (Zweite von links) und Anja Lehnertz (Dritte von links) Schwangeren wie Conny Stieler (links) und Tanja Schumacher (rechts) ohne Voranmeldung Akupunkturbehandlungen gegen Schwangerschaftsbeschwerden und kompetenten fachlichen Rat. TV-Foto: Regina Lüders

Als offenes Angebot gibt es noch bis zur Schließung Ende März die Akupunktursprechstunde in der Hebammenpraxis 9 Plus. Dort bieten die Hebammen Nina Schümmelfeder (Zweite von links) und Anja Lehnertz (Dritte von links) Schwangeren wie Conny Stieler (links) und Tanja Schumacher (rechts) ohne Voranmeldung Akupunkturbehandlungen gegen Schwangerschaftsbeschwerden und kompetenten fachlichen Rat. TV-Foto: Regina Lüders

Konz/Trier. Es mutet schon paradox an. Der Kreisausschuss Trier-Saarburg hat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen, eine vom Landkreis finanzierte Anlaufstelle in Konz neu einzurichten, in der Hebammen während fester Praxiszeiten Frauen und ihre Neugeborenen ohne Voranmeldung untersuchen, beraten und behandeln sollen. Außerdem soll eine Koordinierungsstelle eingerichtet werden, wo Schwangere anrufen können, um eine Hebamme vermittelt zu bekommen. Und nur wenige Hundert Meter entfernt von der euen Anlaufstelle muss Ende März eine Hebammenpraxis schließen (der TV berichtete am 23. Januar).
Die Ausgangslage: In der Nachsorge (Wochenbettbetreuung) sind im Kreisverband der Hebammen etwa 35 Fachkräfte mit unterschiedlich langer Arbeitszeit tätig, davon rund zehn Hebammen ausschließlich freiberuflich. Die Übrigen sind an einer Klinik angestellt und können von daher die Nachsorge nur in einem kleinen Rahmen anbieten.
Zurzeit kristallisiert sich ein Pool von rund 20 Hebammen heraus, die im Landkreis Trier-Saarburg und in der Stadt Trier tätig sind und bei weitem den Bedarf an Hebammenbetreuung - weder in der Vor- noch Nachsorge - nicht mehr abdecken können.
Das sagen Stadt und Kreis: Zunächst hat der Landkreis Geld für ein Jahr zur Verfügung gestellt. Dazu sagt Thomas Müller, Pressesprecher der Kreisverwaltung Trier-Saarburg: "Es ist ein einmaliger Zuschuss geplant." Und Geld gibt es auch nur für das Konzer Projekt. Es sei nicht vorgesehen, beispielsweise in Schweich, Saarburg oder Hermeskeil ähnliche Angebote zu schaffen.
Auch im Trierer Stadtrat war die Situation bei der Hebammenversorgung bereits Thema. Es hat sogar eine Resolution gegeben, die unter anderem die Einrichtung einer Hebammensprechstunde vorsah. Pressesprecher Ralf Fühauf sagt: "Die Stadt Trier begrüßt die Initiative des Landkreises, hierfür entsprechende Mittel und Räume zur Verfügung zu stellen und hält es für sinnvoll, dass es ein gemeinsames Angebot für Stadt und Landkreis gibt."
Die Umsetzung dieses Unterstützungsangebots sei abhängig von der Mitwirkung der in der Region tätigen Hebammen. Dazu werde es am Dienstag einen Gesprächstermin mit Hebammen, Jugendämtern sowie dem beauftragten Sozialdienst geben. Das Thema werde laut Frühauf zudem im städtischen Jugendhilfeausschuss am Mittwoch behandelt werden.
Was wird angeboten?:
Geplanter Start des wohl in Rheinland-Pfalz einzigartigen Projekts in Konz: Anfang April. Dann schließt die Konzer Hebammenpraxis 9 Plus. Anja Lehnertz hat als Vorsitzende des Kreishebammenverbandes das Projekt angestoßen und begleitet, gleichzeitig betreibt sie noch die Hebammenpraxis mit. Sie stellt klar: "Die Hebammensprechstunde kann nur dafür dienen, die größte Not der Frauen im Kreis und auch in der Stadt Trier, die keine Nachsorgehebamme finden konnten, abzumildern, unsere Praxis ersetzt sie keinesfalls."
Geburtsvor- und -nachbereitungskurse etwa könnten in den vorgesehenen kleineren Räumen in der Beethovengalerie ebenso wenig angeboten werden wie ein Babycafé oder Mutter-Kind-Gruppen.
Hebamme Lehnertz weiß, dass die Nachfrage für solche Angebote nicht gedeckt werden könne. Auch wenn Angebote etwa zur Rückbildung medizinisch absolut wichtig sind. Doch was soll sie machen?
In Deutschland haben Frauen vor, während und nach der Geburt ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Hebammenhilfe. De facto können inzwischen jedoch bei Weitem nicht mehr alle Frauen dieses Recht wahrnehmen, da es an freien Hebammen mangelt, was an den immens gestiegenen Versicherungsprämien für Hebammen liegt. "Mich rufen mittlerweile immer mehr Frauen direkt nach dem positiven Schwangerschaftstest an. Wer erst in der achten Woche nach einer Nachsorgehebamme zu suchen beginnt, hat kaum noch eine Chance", sagt auch Hebamme Nina Schümmelfeder.
Bisher war letzte Hoffnung von Frauen ohne Nachsorgehebamme eine "Whats App-Notfallgruppe" engagierter Hebammen in der Region. Doch auch dort könne leider oft nicht mehr eine Helferin vermittelt werden. "Es gibt unter den verbliebenen Hebammen einfach keine Kapazitäten mehr", sagt Anja Lehnertz. Sie stellt fest: "Eine zentrale Stelle kann nur ein fauler Kompromiss sein. Aber es ist besser als gar nichts."Meinung

Ein wirklich existenzielles Thema
Es ist zwar keine dauerhafte Lösung. Doch verdient der Landkreis Trier-Saarburg für seinen 30 000-Euro-Zuschuss Anerkennung. Denn die politisch Verantwortlichen haben es, anders als ihre Kollegen in der Stadt, nicht bei einer Resolution bewenden lassen. Die Kreispolitiker sind aktiv geworden, obwohl sie an der grundsätzlichen Situation der Hebammen nichts ändern können. Die müssen so hohe Versicherungsprämien zahlen, dass sie es sich eigentlich nicht leisten können, Kindern auf die Welt und Eltern nach der Geburt zu helfen. Dieser Zustand ist untragbar. Und er ist ein solch existenzielles Thema, dass sich darum auch die sogenannte große Politik kümmern müsste. Beispielsweise dadurch, dass sich eine Landesregierung dafür einsetzt, den Hebammen ihre Berufsausübung wieder möglich zu machen. Doch im Wahlkampf scheint es beispielsweise wichtiger, darüber zu streiten, ob Kinder nach Gehör schreiben dürfen oder nicht. Vor diesem Hintergrund bleibt für alle werdenden Eltern nur die Hoffnung, dass entweder der Kreis auch künftig Geld lockermacht. Oder, dass nach den anstehenden Wahlen die wirklichen Herausforderungen angegangen werden. h.jansen@volksfreund.deExtra

Initiative zum Erhalt der Hebammenpraxis 9 Plus: Das Wasserbett, auf dem Schwangere bisher behandelt wurden, wird gerade abgebaut, die Praxis-Homepage ist offline, keine Info zur Sprechstunde hängt aus, und die Räume sind von außen sichtbar schon zur Wiedervermietung angeboten. Alles deutet darauf hin, dass Ende März nach sechs Jahren tatsächlich Schluss ist mit der von Trier bis Saarburg beliebten Konzer Hebammenpraxis 9 Plus. Trotzdem ist es voll in der offenen Akupunktursprechstunde, die immer noch mittwochs von 8.45 bis 10.30 Uhr stattfindet. Neben den Hochschwangeren trifft sich auch eine Gruppe junger Mütter dort, die für die Praxis streiten wollen. Initiatorin Ewa Lipska hat zusammen mit einer Handvoll Frauen eine Facebookgruppe ins Leben gerufen, Unterschriftenlisten verteilt und eine offene Internetpetition eingerichtet. Ihr Wunsch: Die Stadt Konz - vielleicht mit Hilfe anderer Kommunen - sollte die Praxis unterstützen, sei es mit einem Mietzuschuss oder dem zur Verfügung stellen von stadteigenen Räumen. Auch Anja Lehnertz hofft noch: "Vielleicht findet sich doch noch ein Sponsor oder jemand kann uns kostenlos andere Räume für unsere Kurse anbieten?" Die Internetpetition an den Konzer Bürgermeister Karl-Heinz Frieden ( www.openpetition.de Stichwort Hebammen Konz) hat inzwischen mehr als 800 Unterstützer. rcl

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