Die Jäger bitten zu Tisch

Osburg/Trier/hermeskeil · Wildäcker statt Maisfeld: Der Kampf gegen Wildschweine wird im Kreis Trier-Saarburg nicht nur auf die harte Tour geführt. Ein Beispiel aus dem Osburger Hochwald.

 Jäger Jörg Callies tränkt einen Lappen mit Hukinol. Das Mittel riecht nach Menschenschweiß und soll Wildsäue von Feldern fernhalten. TV-Foto: Albert FollMann

Jäger Jörg Callies tränkt einen Lappen mit Hukinol. Das Mittel riecht nach Menschenschweiß und soll Wildsäue von Feldern fernhalten. TV-Foto: Albert FollMann

Foto: (h_tl )

Osburg/Trier/hermeskeil Es ist ein Teufelskreis: Die Wildschweine werden immer intensiver bekämpft, und dennoch nimmt ihre Population stetig zu. Die Schäden, die die Säue auf Feldern, Wiesen, Weinbergen, Gärten und überall sonst anrichten, wo sie etwas Essbares finden, sind enorm. In Konz-Könen haben Schwarzkittel beispielsweise einen Segelflugplatz komplett umgepflügt, anderswo Sport- und Spielplätze verwüstet (der TV berichtete). "Sie vermehren sich stark, weil der Tisch reich gedeckt ist und die Tiere sehr schlau sind ", sagt Kreisjagdmeister Rolf Kautz. Früher habe es kaum Mais- oder Rapsfelder gegeben, heute seien sie überall zu finden. "Aus 1000 Säuen werden im Folgejahr 4000", rechnet der oberste Jäger im Kreis vor. Der milde Winter und die reichlich vorhandenen Bucheckern und Eicheln hätten ihr Übriges getan. Die Abschusszahlen haben sich mit 4300 Wildschweinen im Jagdjahr 2016/17 auf dem Niveau des Vorjahres bewegt (siehe Info).
Was das Land tut Ein 15 Punkte umfassendes Handlungsprogramm aus dem Umweltministerium soll dazu beitragen, den Wildschweinbestand in Rheinland-Pfalz zu reduzieren. Auch Jungtiere (Frischlinge) sollen "umfassend" geschossen werden, heißt es in dem Papier. Nur Muttertiere mit Frischlingen genießen Schutz.
Genehmigungsverfahren, etwa für Jagden an öffentlichen Straßen, sollen vereinfacht werden. Das Land will die Akteure vor Ort - Jäger, Landwirte, Förster, Jagdpächter und Verwaltungen - stärker einbinden, um dem Schwarzwild Paroli zu bieten.
Was der Kreisjagdmeister tut Kreisjagdmeister Kautz hat sich bereits im Februar mit Landwirten an einen Tisch gesetzt, nach der Sommerpause ist ein weiteres Treffen geplant. Er will dem Ministerium Lösungen präsentieren, wie "in ausgewählten Revieren intensiver gejagt werden kann". Mit dem Vorschlag, mehr revierübergreifende Jagden abzuhalten, erntet er Zustimmung bei den Landwirten. Gerhard Brenner, Geschäftsführer des Bauern- und Winzerverbandes Trier-Saarburg, nimmt die Jäger in die Pflicht: "Wir brauchen Jäger mit gutem Sitzleder, die auch mal ganze Nächte auf dem Ansitz bleiben." Nur eine intensive Zusammenarbeit zwischen Jagdgenossenschaften, Landwirten und Jägern vor Ort sei ein Garant für eine erfolgreiche Bekämpfung der Wildschweinplage, sagt Brenner.
Es gibt aber auch unkonventionelle Wege: Das Wild soll "kontrolliert" fressen. "Wer satt ist, geht nicht auf die Felder der Bauern", sagt Kreisjagdmeister Kautz, der in seinem Revier mit gutem Beispiel vorangeht. Auch im 3000 Hektar großen Jagd- und Revierbetrieb Osburg bemüht man sich um ein gutes Klima zwischen Jägern, Landwirten, Tierschützern und Waldnutzern. "Wir wollen, dass die Leute verstehen, was wir tun und was sie selbst tun können", sagt Jürgen Loosen. Er verwaltet den großen Beritt in den Gemarkungen Osburg, Morscheid, Waldrach, Riveris und Sommerau im Auftrag von fünf Jagdpächtern.
Jäger als Landwirte Loosen (56) und Berufsjäger Jörg Callies (35) nehmen die TV-Berichterstattung "Frischlinge sollen öfter vor die Flinte" (Ausgabe vom 19. Juni) zum Anlass, das teilweise immer noch vorherrschende Negativimage vom Jäger, der aus Lust am Töten jagt, zu entkräften. "Die Jagd macht gerade mal fünf Prozent meiner Tätigkeit aus", sagt Callies. Ansonsten betätige er sich unter anderem als Landwirt, Naturschützer, Schadensbeheber und Hochsitzbauer.
Für 17 000 Euro habe der Jagdbetrieb Saatgut gekauft, um eigene Getreidefelder für Wildsäue anzulegen, sogenannte Wildäcker. Wildschneisen werden zwischen Feldern und dem Wald angelegt, um ein freies Sicht- und Schussfeld zu bekommen. Feldern von Bauern werden mit "Hukinol" geschützt. Das ist ein Vergrämungsmittel, das stark nach Menschenschweiß riecht und so dazu beiträgt, Wild zu vertreiben. Es wird auf Lappen gesprüht und auf Pfählen am Rand von Feldern angebracht.
Eine Fläche von 20 Hektar ist im Jagdbetrieb Osburg in Grünland umgewandelt worden, damit Rehe dort äsen können. So werden Verbissschäden vermieden. Streuobstwiesen wurden angelegt, in Eigenregie eine Maschine so umgebaut, dass sie zerwühlte Böden in einem Arbeitsgang einebnet, neu einsät und verdichtet. Dass Geld aus der Jagdpacht für die Instandsetzung von Wirtschaftswegen verwendet werde, sei in der Bevölkerung kaum bekannt, sagt Verwalter Loosen, Solche geteerten Wege, die teilweise auch von Autofahrern benutzt werden (dürfen), gibt es nicht nur im Ruwertal.
Was die Bevölkerung tun kann Bei der jüngsten Treibjagd habe ihn ein Autofahrer als "Mörder" tituliert, berichtet der Verwaltungsleiter. Offensichtlich sei dieser gefrustet gewesen, weil er dazu angehalten worden sei, langsam zu fahren. Große Treibjagden seien zwar aufwendig, aber notwendig, um Wildbestände zu regulieren und Wildschäden vorzubeugen. Die Zahl der Wildunfälle ist nach Schilderung von Loosen und Callies stark zurückgegangen, seit der Jagdbetrieb mit Genehmigung der VG-Verwaltung Ruwer Reflektoren an Straßen angebracht hat. Ein blau scheinendes Lichtband hält Wild davon ab, über die Straße zu laufen - eine Investition von gerade mal 3000 Euro, die sich auszahlt.
Auch Bürger könnten die Arbeit der Jäger unterstützen. Etwa, indem sie auf Waldwegen bleiben und nicht den Lebensraum und Lebensrhythmus der Wildtiere beeinträchtigen. Insbesondere Mountainbiker, Motocrossfahrer und Geocacher nähmen wenig Rücksicht, sagt Jürgen Loosen. Kürzlich sei ihm eine Damengruppe beim "Moonlightwalking" begegnet. In dieser Nacht habe sich freilich kein Wild mehr blicken lassen. Der Verwalter appelliert an die Bürger, Wild nicht mit Brot zu füttern und Hunde nicht frei im Wald laufen zu lassen. Auch Komposthaufen seien eine Einladung für Säue. Oft werde unterschätzt, dass eine Begegnung mit einem Keiler oder einer Bache, die Frischlinge habe, lebensgefährlich sein könne.Extra: ABSCHUSSZAHLEN SCHWARZWILD IM KREIS


Jagdjahr 2016/17 (vom 1. April 2016 bis 31. März 2017/Vergleichszahlen Vorjahr in Klammern): Gesamt: 4261 (4396), davon Keiler: 487 (504), Bachen: 1051 (389), Überläuferkeiler (das sind Schwarzwild im zweiten Lebensjahr): 668 (1118), Überläuferbachen: 365 (1005), Frischlinge männlich: 871 (628), Frischlinge weiblich: 820 (752), Fallwild: (überwiegend Wildunfälle) 207 (188). Die höchste Gesamtstrecke beim Schwarzwild seit dem Jagdjahr 1999/2000 wurde 2012/13 erzielt. Damals wurden 5569 Stück Schwarzwild geschossen, inklusive 232 Tiere, die durch Wildunfälle umkamen. Die zahlenmäßig geringste Strecke gab es im Jagdjahr 2006/2007 mit 2570 Stück.

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