Eltern helfen als Erzieher aus

Trier/Longuich/Riol · In manchen Kitas gibt es nachmittags nur noch Notgruppen-Angebote, in anderen springen bereits Eltern als Aushilfen ein: Das sind nur einige Beispiele für den spürbaren Fachkräftemangel. In den 75 Einrichtungen im Kreis Trier-Saarburg fehlen derzeit 18 Erzieherinnen, weil kein geeignetes Personal zu finden ist. Besonders schwer haben es katholische Kitas.

Trier/Longuich/Riol. Es ist paradox: Ausgerechnet Eltern haben in der Kita Longuich (Verbandsgemeinde Schweich) ausgeholfen, damit der Betrieb weiter garantiert werden konnte (der TV berichtete). Auch im Nachbarort Riol finden Eltern regelmäßig Aushänge mit dem Hinweis vor, dass es nachmittags ab 14 Uhr nur noch ein sogenanntes Notgruppen-Angebot gibt. Eltern werden gebeten, ihre Kinder nur dann zur Kita zu bringen, wenn sie keine andere Betreuungsmöglichkeit finden.
Diese Aushänge sorgten in der Regel für keine große Begeisterung, sagt Anja Kliche, Vorsitzende des Elternausschusses der Kita St. Martin in Riol. Der Fachkräftemangel sei schon sehr lange spürbar.
Hubert Ludwig vom zuständigen Jugendamt des Landkreises Trier-Saarburg nennt Zahlen: "Im Januar 2013 waren kreisweit 18,43 von 811 Stellen in den 75 Kitas nicht mit Fachkräften besetzt." Davon seien 11,12 Stellen gar nicht und 7,31 Stellen mit sogenannten Unterstützungskräften besetzt gewesen. Unterstützungskräfte müssten für die Aufgabe "persönlich geeignet" sein, erläutert Ludwig. Das könnten Mütter, Großmütter oder Studenten sein. Sie müssten allerdings gehen, sobald eine Fachkraft gefunden werde.
Probleme für katholische Träger


Für katholische Kitas dürfte die Personalsuche noch schwieriger sein. Denn dort gelten innerkirchliche Richtlinien: Konfessionslose, Geschiedene und Wiederverheiratete werden nicht eingestellt. "Grundsätzlich, aber insbesondere im Hinblick auf den derzeitigen Fachkräftemangel ist diese Haltung nicht nachvollziehbar", kritisiert Klaus-Peter Hammer, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Rheinland-Pfalz.
Die Qualität einer Erzieherin und ihre Einstellung zum Träger veränderten sich nicht, wenn sie wieder heirate, sich scheiden lasse oder ohne Konfession sei.
Rechtsanspruch für Einjährige



Die Personalnot dürfe zudem nicht zu Billiglösungen führen, die auf Kosten der Qualität gingen. Davor warnt GEW-Gewerkschaftssekretär Peter Blase-Geiger. "Alle derzeitigen Initiativen wie Teilzeitausbildungen wirken erst in der Zukunft", sagt er.
Mit dem Rechtsanspruch für Einjährige ab August 2013 werde sich die Situation noch verschärfen. Auf der Internetseite der Kita gGmbH - einer katholischen Institution im Bistum Trier, zu der 103 katholische Kitas gehören - finden sich jetzt schon zahlreiche Stellenangebote. Auch eine vom Jugendamt seit Monaten genehmigte Springerkraft, die katholische Kitas im Raum Schweich entlasten soll, konnte bis heute nicht gefunden werden. Vor zwei Wochen hat das Amt in der Longuicher Kita den Personalschlüssel wegen langer Öffnungszeiten (neun Stunden) und überdurchschnittlicher Auslastung erhöht: Eine Mitarbeiterin, die Teilzeit beschäftigt war, arbeitet länger, ihr Vertrag ist nun unbefristet.
Weitere Stunden der geschaffenen Stelle übernimmt eine Unterstützungskraft. "Bis wir eine fachlich qualifizierte Mitarbeiterin finden", sagt Monika Kiwitt, Gesamtleiterin für den Bereich Schweich. Das könne momentan allerdings dauern.
Meinung

Gut gemeint, schlecht gemacht
Personalengpässe in den Kitas - das ist das Ergebnis einer vielleicht gut gemeinten, aber schlecht gemachten Familienpolitik. Dass die schrittweise Einführung des Rechtsanspruches auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige auch mehr Personal erfordert, darauf ist wohl keiner gekommen. Es gab vollmundige Ankündigungen, die frühkindliche Bildung zu fördern, es gab kostspielige Konjunkturprogramme zur Finanzierung der Kita-Ausbauten, aber dass es in erster Linie ein ausreichend vorhandenes und gut ausgebildetes Personal ist, das den Bildungsauftrag umsetzt, das wurde offensichtlich verdrängt. Vielleicht wollte die Politik ja auch nicht wahrnehmen, dass wenig junge Leute in den Erzieherberuf drängen, weil er schlecht bezahlt ist und nicht jene gesellschaftliche Anerkennung erfährt, die er verdient. Ausbaden müssen das jetzt auch die Kinder. Zu wenig Personal führt zu mehr Arbeit und Überstunden, das wiederum verursacht Stress und erhöht die Krankheitsrate. Die Folge sind Notgruppen, "Dienste" von Eltern und der Wegfall von Aktionstagen. Die Politik muss handeln, es ist höchste Zeit. a.follmann@volksfreund.deExtra

Im Kreis Trier-Saarburg gibt es 28 kommunale Kindertagesstätten. Träger sind Städte, Gemeinden und kommunale Zweckverbände. 27 Einrichtungen sind kommunale Ganztagskindergärten, im Sommer wird der 28. Kindergarten ebenfalls Ganztagskita. Im Landkreis Trier-Saarburg sind alle 47 frei getragenen Einrichtungen Ganztagskindergärten - 45 sind katholisch, einer evangelisch, einer in Trägerschaft der Lebenshilfe. Die Kita-Quote im Kreis liegt bei den unter Dreijährigen bei rund 45 Prozent, also hat fast jedes zweite Kind unter drei einen Kita- oder Krippenplatz. Das ist mehr als im Bundes- und Landesschnitt. kat/alf

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