LKW-Reifen schlägt fast in Schweicher Wohnhaus ein - „Es hätte auch Tote geben können“

Schweich · Es hätte nicht viel gefehlt und ein LKW-Reifen wäre von der A1 in ein Haus in der Schweicher Bergstraße eingeschlagen. Er wurde im letzten Moment von einem Geländer unterhalb der Böschung gebremst. Vermutlich stammt der Reifen von einem Lastwagen, der am 6. Januar eine Panne hatte.

 Knapp daneben: Ein 100 Kilogramm schweres LKW-Rad liegt in der Böschung neben der A 1. Das Geländer hat den Reifen aufgehalten - ansonsten hätte er in das Wohngebiet stürzen können.

Knapp daneben: Ein 100 Kilogramm schweres LKW-Rad liegt in der Böschung neben der A 1. Das Geländer hat den Reifen aufgehalten - ansonsten hätte er in das Wohngebiet stürzen können.

Foto: Albert Follmann

Robert Finster und seine Mutter sind Nachbarn der A1. Untermieter wäre noch treffender, denn die Autobahn verläuft etwa zehn Meter oberhalb ihres Hauses in der Bergstraße in Schweich. Vom Wohnzimmerfenster blicken die Finsters auf eine Böschung. Darüber türmt sich eine graue, etwa 1,80 Meter hohe Lärmschutzwand auf. Sie kann die Familie Finster allerdings nur unzureichend schützen; seit Jahrzehnten lebt sie mit dem Dauerlärm, der in erster Linie von den Rollgeräuschen der schweren Lastwagenreifen verursacht wird.

Steile Böschung runtergerauscht

Dass sich einer dieser Reifenriesen mal lösen und mit hohem Tempo auf ihr Haus zurollen könnte - das ist Robert und Alwine Finster noch nie in den Sinn gekommen. Und doch ist vermutlich genau dieses albtraumhafte Szenario eingetreten, und zwar am Montag, den 6. Januar.

Als Robert Finster (53) am Morgen des 7. Januar von der Nachtschicht nach Hause kommt, macht seine Mutter ihn auf einen seltsamen Fund ausmerksam. "In der Regenrinne unterhalb der Autobahnböschung lag ein LKW-Reifen mit Felge", berichtet Finster dem TV. Ihm war sofort klar: Das Rad konnte nur von der A1 stammen und muss mit hohem Tempo auf sein Grundstück zugerollt sein. Das Geländer, das den Reifen aufhielt, wurde durch den Aufprall stark verbogen.

Robert Finster ist froh, dass nicht mehr passiert ist. In der Regenrinne spielen öfter Kinder, die Gärten der Bergstraßen-Häuser liegen in Richtung Autobahn. Alwine Finster (78) lebt schon seit 55 Jahren in der Bergstraße. Der Vorfall mit dem Reifen hat sie geschockt: "Bei uns vibrieren die Gläser im Schrank, wenn ein LKW vorbeifährt. Was kommt jetzt als Nächstes?" Auch Nachbar Klaus Kirchen ist entsetzt: "Es hätte Tote geben können, wenn der Reifen bis zur Straße durchgekommen wäre."

Robert Finster informierte die Autobahnmeisterei Schweich, die den schätzungsweise 80 bis 100 Kilo schweren Ballonreifen daraufhin abholte. Mittlerweile sei der Reifen entsorgt worden, sagt Dienstellenleiter Walter Druckenmüller. Wie das Rad die fast zwei Meter hohe Seitenbegrenzung der Autobahn überwinden konnte, dafür hat er zwei Erklärungen: Entweder habe sich der Reifen während der Fahrt von einem LKW gelöst und sei von der Leitplanke über die Lärmschutzwand gesprungen, oder er sei über das Hindernis gehoben und die steile Böschung hinuntergeworfen worden. "Aber das schafft einer nicht allein, dafür braucht man mindestens zwei Mann", meint Druckenmüller.

Für die Unfall-Theorie spricht, dass Robert Finster montags gegen 14 Uhr beim Spaziergang mit seinem Hund einen LKW mit Hänger und ein Pannenfahrzeug auf dem Seitenstreifen der A1 oberhalb seines Anwesens stehen sah. Der Aufschrift nach sei es das Fahrzeug eines international tätigen Entsorgungsunternehmens gewesen. Später beobachtete der Schweicher auch noch einen Mann, der in Höhe der Bergstraße über die Lärmschutzwand lugte. "Der suchte nach etwas", ist sich Finster sicher. Auf dem Seitenstreifen habe ein LKW mit Hänger gestanden. Diese Beobachtungen und auch den Vorfall mit dem Reifen hat der 53-Jährige nicht bei der Polizei angezeigt. Er glaubt nicht, dass der Verursacher ausfindig gemacht werden kann. Wohl aber informierte Finster die Fraktionsvorsitzenden im Schweicher Stadtrat. Der hat schon länger das Thema A1-Lärmschutz auf der Agenda.

Die Stadt Schweich und die Gemeinde Longuich haben beim Landesbetrieb Mobilität (LBM) ein Tempolimit auf Autobahnabschnitten im Moseltal beantragt: tagsüber soll nur 100 Stundenkilometer gefahren werden dürfen, nachts höchstens Tempo 80.

Auch die Familie Finster und weitere Bürger aus Alt-Schweich fordern seit Jahren ein Tempolimit auf der Autobahn in Höhe der Stadt. Den Vorfall mit dem Reifen wolle man im Ältestenrat besprechen, hat Johannes Heinz (CDU) angekündigt. Diskussionsbedarf wird es dort wohl auch wegen des beantragten Tempolimits geben. Denn die Chancen für eine Umsetzung stehen schlecht. Wie der LBM auf TV-Anfrage mitteilt, sind die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt (siehe Extra). Extra

 Anwohner Robert Finster (Bild 1) zeigt die Stelle, wo er das LKW-Rad (Bild 2) gefunden hat. Knapp über den Dächern der Bergstraße in Schweich (Bild 3) hat ein Geländer das fast 100 Kilo schwere Teil aufgehalten als es talwärts rollte. An dieser Stelle (Bild 4) wurde der Reifen über die die Lärmschutzwand der A 1 katapultiert. Vermutlich hatte er sich während der Fahrt gelöst.

Anwohner Robert Finster (Bild 1) zeigt die Stelle, wo er das LKW-Rad (Bild 2) gefunden hat. Knapp über den Dächern der Bergstraße in Schweich (Bild 3) hat ein Geländer das fast 100 Kilo schwere Teil aufgehalten als es talwärts rollte. An dieser Stelle (Bild 4) wurde der Reifen über die die Lärmschutzwand der A 1 katapultiert. Vermutlich hatte er sich während der Fahrt gelöst.

Foto: Albert Follmann, privat

Der Landesbetrieb Mobilität Trier sieht die Voraussetzungen für Tempo 100 am Tag und 80 in der Nacht auf der A1 in Höhe der Orte Schweich und Longuich nicht erfüllt. Die Richtwerte in Wohngebieten von 70 Dezibel am Tag und 60 Dezibel in der Nacht würden dort nicht überschritten. Durch eine Reduzierung auf 100?Kilometer pro Stunde werde eine Pegelminderung von 1,6 Dezibel am Tag und 1,4 Dezibel in der Nacht erreicht. Eine Pegelminderung um drei Dezibel bringt erst einen wahrnehmbaren Effekt. Laut LBM heißt es in den Richtlinien auch, dass verkehrsrechtliche Anordnungen nicht losgelöst von baulichen und planerischen Lärmschutzmaßnahmen vorgenommen werden sollen.

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