Berlin, Hamburg, Stuttgart, Zeltingen. Das Misstrauen gegenüber Großbaustellen in Deutschland ist derzeit groß. Nach dem Desaster um den Hauptstadtflughafen, bei dem noch immer nicht klar ist, wann und ob er überhaupt irgendwann mal öffnen wird, den immer teurer werdenden Prestigeprojekten Elbphilharmonie in Hamburg und Stuttgart 21 zählen einige auch den umstrittenen Bau der Hochmoselbrücke bei Zeltingen-Rachtig zu den Pannen-Großbaustellen. So nennt der Nachrichtensender ntv etwa die 25 Kilometer lange Verbindung von der A1 über die Mosel bis Longkamp in einem Atemzug mit den anderen Bauprojekten und spricht vom "Fluch der Großbaustelle".

Auch die rheinland-pfälzische Grünen-Politikerin Tabea Rößner vergleicht den Hochmoselübergang mit dem Berliner Flughafen. Die 46-jährige Bundestagsabgeordnete teilte mit, dass es beim Bau der 160 Meter hohen Brücke eine Bauverzögerung von einem Jahr gebe. Sie beruft sich dabei auf eine Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage von ihr.

Der parlamentarische Staatssekretär des Ministeriums, Jan Mücke (FDP), spricht in dem Antwortschreiben an Rößner von einem "zeitlich angepassten Bauablauf" und begründet diesen so: "Dieses in Deutschland herausragende Brückenbauwerk mit circa 160 Meter hohen Pfeilern erfordert in statischer und konstruktiver Hinsicht bereits bei der Erstellung der Ausführungsunterlagen ein sehr vertieftes Ingenieurwissen aller bei Entwurf, Prüfung und Baudurchführung Beteiligte, was sich auch im Zeitablauf widerspiegelt." Diese Aussage nimmt Rößner zum Anlass, den Bau des Hochmoselübergangs mit dem Bau des Berliner Flughafens zu vergleichen, bei dem ebenso das "sehr vertiefte Ingenieurwissen" Mangelware zu sein scheint, so die Grünen-Politikerin. Und ebenso wie in Berlin sei dem Ministerium auch beim Hochmoselübergang nicht bekannt, wie hoch die Mehrkosten durch die Bauverzögerung seien.

Ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Verkehrsministeriums räumt ein, dass es zu Beginn des Projektes im vergangenen Jahr Verzögerungen gegeben habe. Grund dafür sei, dass "die Erstellung und Prüfung der sehr umfangreichen Ausführungsunterlagen und der Statik einen höheren Zeitaufwand benötigt hat". Damals hieß es, dass offene Fragen zur Statik des Bauwerkes geklärt worden seien. Im Ministerium ging man zu dieser Zeit, im Mai 2012, davon aus, dass das größte Brückenprojekt Deutschlands planmäßig 2016 fertiggestellt werden kann.

Gestern hieß es nun, es sei noch unklar, ob die Verzögerung im vergangenen Jahr Auswirkungen auf die Fertigstellung des gesamten Projektes haben werde. "Wesentliche Bestandteile" des zweiten Bauabschnitts für den Hochmoselübergang seien noch gar nicht beauftragt, so Ministeriumssprecher Joachim Winkler. Die derzeit notwendigen Bauarbeiten vor allem an der Moselbrücke seien "in vollem Gange". So seien die Bohrungen für die Fundamente der ersten Brückenpfeiler bereits durchgeführt. Derzeit würden die ersten Platten, auf denen die Brückenpfeiler später stehen sollen, hergestellt, sagte Winkler.

Extra

Der Hochmoselübergang gehört zum Neubau der Bundesstraße 50. Sie führt vom Autobahnkreuz bei Wittlich über die Mosel zur B 50 bei Longkamp auf den Hunsrück. Die Neubaustrecke ist 25 Kilometer lang und umfasst 41 Brücken und andere Bauwerke, wie etwa den 1700 Meter langen Hochmoselübergang, vier Talbrücken, einen 100 Meter langen Tunnel, zwölf Grün- und Wildbrücken sowie Unter- und Überführungen. Für die Hochmoselbrücke bei Zeltingen-Rachtig werden zehn Brückenpfeiler gebaut mit Höhen zwischen 20 und 150 Metern. Jeder Pfeiler steht auf mehreren bis zu 47 Meter hohen Bohrpfählen.