Natur Wenn die Heu-Ernte den Tod bringt

Zemmer · Der vermutlich schmerzvolle Tod eines Rehkitzes empört eine Busfahrerin. Denn das hätte aus ihrer Sicht leicht verhindert werden können.

 In den Armen einer Busfahrerin starb ein junges Reh – das hätte verhindert werden können, sagt sie. Symbolfoto: dpa

In den Armen einer Busfahrerin starb ein junges Reh – das hätte verhindert werden können, sagt sie. Symbolfoto: dpa

Foto: ZB/Patrick Pleul

Es schaudert Renate Gütlich immer noch. Zwar ist der Vorfall auf einer Wiese zwischen Schleidweiler und Zemmer schon einige Tage her. Doch trotzdem sagt sie: „Ich habe immer noch vor Augen, wie das Rehkitz in meinen Armen gestorben ist.“ In einer E-Mail an den Trierischen Volksfreund hat sie ihre Erlebnisse geschildert. Die zeigen aus ihrer Sicht, was passiert, wenn jemand sich offensichtlich seiner Verantwortung nicht bewusst ist.

Die Busfahrerin habe morgens auf einer ihrer Touren einen älteren Landwirt bemerkt, der auf einer an der Straße angrenzenden Wiese mit seinem älteren, grünen Traktor mit angehängtem Mähwerk „gerade anfing, diese Wiese zu mähen“. Sie habe gehofft, dass der Landwirt kontrolliert hat, ob nicht vielleicht ein Rehkitz im hohen Gras liegt. Denn Gütlich hat dort zuvor bereits mehrfach eine Ricke gesehen. Das ist normalerweise ein sicheres Zeichen dafür, dass sich in der Nähe ein Kitz aufhält.

Als die Busfahrerin rund eine Stunde später wieder an der Stelle vorbeikommt, sieht sie eine verzweifelte Ricke auf der gemähten Wiese. „Ich habe meinem Bus angehalten, bin auf die Wiese gegangen und fand rasch das verstümmelte Kitz.“ Der Landwirt habe sich hingegen nicht um das verletzte Tier gekümmert.

Gütlich habe das Tier retten wollen und wenn das nicht geht, dafür sorgen wollen, dass das Kitz von seinem Leiden erlöst wird. Sie schreibt, dass die Polizei ihr telefonisch mitgeteilt habe, nichts tun zu können. Einen Tierarzt habe es in der Nähe nicht gegeben, und der herbeigerufene Jäger habe sich nicht gemeldet. „Ich habe dort 20 bis 25 Minuten gestanden. Und dann ist das arme Tierchen mir in den Händen gestorben.“

Nach Schätzungen des Deutschen Jagdverbands sterben in Deutschland jährlich rund 100 000 Rehkitze bei der Frühjahrsmahd. Genaue Zahlen für den Landkreis Trier-Saarburg gibt es nach Auskunft von Kreisjagdmeister Rolf Kautz keine. Es seien jedoch sicher eine Menge. Kautz erklärt, warum so viele Jungtiere sterben. „Die Rehkitze laufen bei Gefahr nicht weg.“ Im Gegenteil. Sie verstecken sich im hohen Gras und werden dann im Mähwerk zerfetzt oder schwer verletzt. Ebenso wie Herbert Netter, Pressesprecher des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, rät er dazu, vorher zu kontrollieren, ob sich Tiere in einer Wiese befinden.

Möglichkeiten gibt es einige: Man kann am Tag vor der Mahd die Wiese zu Fuß oder mittels Drohne absuchen. Es gibt auch Geräte, die auf landwirtschaftlichen Geräten angebracht werden und die Rehe und andere Tiere verscheuchen. Oder man macht es so, wie es der Kreisjagdmeister vorschlägt: „Ehe gemäht werden soll, befestigt man in der Wiese auf einem Stock eine Plastiktüte.“ Diese Veränderung der Umgebung würde die Rehe dazu veranlassen, das Gelände zu meiden.

Was laut einhelliger Meinung von Kautz und Netter hingegen unverantwortlich sei, ist einfach so draufloszumähen. „Und es soll auch nicht von außen nach innen gemäht werden“, sagt Kautz. Denn das würde dazu führen, dass aufgeschrecktes Wild sich eher noch verkrieche, anstatt wegzulaufen.

Würde der von Renate Gütlich beobachtete Landwirt ermittelt, hätte er vermutlich ein Problem. Dazu sagt Martina Bosch, Sprecherin der Kreisverwaltung Trier-Saarburg, dass laut Tierschutzgesetz „niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf“. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz stelle eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat dar. Und das kann teuer werden.

2400 Euro Geldstrafe musste beispielsweise ein  Bauer aus dem bayerischen Landkreis Hof zahlen, der mit seinem Mäher zwei Rehkitze angefahren hatte. Und das, obwohl ihn eine Zeugin mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass in seinem Feld Rehkitze seien. 3000 Euro sollte ein Landwirt aus Mechernich in der Nordeifel zahlen, weil er ein durch das Mähwerk verletztes Rehkitz auf der Wiese hatte liegen lassen.

Eine Anzeige hat Gütlich nicht erstattet. Die Bilder und Schreie werde sie nicht mehr los. „Es war so schrecklich. Was hier geschehen ist, ist mitunter eine der schlimmste Formen der Tierquälerei überhaupt.“

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