Landwirtschaft Wird Wilhelmine die neue Miss Hochwald?

Damflos/Kell am See · Bei der Keller Tierschau entscheiden Preisrichter, welche Milchkuh die beste Haltung zeigt und die ausgeprägtesten Adern am Euter hat. Bis zur Präsentation der Tiere ist es ein weiter Weg.

 Landwirtin Nadine Hemmes zeigt, wie sie Wilhelmine, eine der Kandidatinnen für den Titel Miss Hochwald, vor der Tierschau Kell mit einem Haarschneider herausputzt.

Landwirtin Nadine Hemmes zeigt, wie sie Wilhelmine, eine der Kandidatinnen für den Titel Miss Hochwald, vor der Tierschau Kell mit einem Haarschneider herausputzt.

Foto: Benedikt Laubert

Dort, wo Nadine Hemmes ein „schönes Hinter­euter“, ein „schönes Fundament“ und „klare Gelenke“ erkennt, sieht der Laie ganz einfach: eine Kuh. Diese Kuh, Wilhelmine, stapft unruhig in einem Halbkreis vor dem offenen Stall hin und her, die Schnauze mit einem Strick an einen Mast gebunden. Doch die Hand der jungen Bäuerin auf dem Leib des schwarz-weiß gefleckten Tiers scheint es zu beruhigen. Wilhelmine gehört zu den schönsten der 200 Kühe auf dem Hof bei Damflos und ist deshalb Anwärterin auf den Titel Miss Hochwald. Ihre Stallgenossin Baileys hat vergangenes Jahr den Preis bei der Tierschau in Kell abgeräumt. Ihr breites Becken hatte sie über die beiden anderen Milchkühe in der Endrunde triumphieren lassen.

Für Hemmes, die den Hof bei Damflos mit ihrem Mann betreibt, ist die Tierschau am 27. August eine Chance, Tausenden die Welt der Landwirtschaft zu zeigen. Und im besten Fall gibt es mit dem Preis für die schönste Kuh eine besondere Anerkennung für ihre harte Arbeit.

Für diese Gelegenheit nimmt sie noch mehr Arbeit auf sich: Die zwei auserwählten Kühe – wer Wilhelmine zur Schau begleiten wird, steht noch nicht fest – werden zwei Wochen vorher jeden Abend eine Viertelstunde lang über den Hof geführt. Sie sollen sich langsam daran gewöhnen, ruhig und elegant an einem Strick zu gehen. Wenige Tage vor der Schau kürzt Hemmes das Fell der beiden Anwärterinnen mit einem überdimensionalen Trimmer. Das Fell am Euter wird besonders kurz, denn der Preisrichter wird in Kell besonders auf die Beschaffenheit des Euters achten. Die Adern sollen gut sichtbar sein, das Euter sollte von der Seite betrachtet kaum tiefer hängen als der Bauch des Tieres. Und prall soll es natürlich sein. Sitzt die Frisur, wird gewaschen. Erst mit dem Wasserstrahl, dann mit einem Kuhshampoo und einem Striegel, dann wieder mit Wasser.

Der Kuh dürfte relativ egal sein, wie chic sie aussieht, und ihre Verdauung macht auch kurz vor dem großen Tag keine Pause. Deshalb stellt sich Hemmes für den 27. August den Wecker auf fünf Uhr und putzt Wilhelmine und ihre Mitanwärterin noch einmal. Gemolken werden die beiden ausnahmsweise erst mittags nach der Preisverleihung. So kommen ihre prallen Euter besser zur Geltung. Den Tieren schade diese kleine Verzögerung nicht, sagt Hemmes.

Dann geht es los.

In Kell angekommen kümmert sich Nadine Hemmes’ Mann Axel um die beiden Grazien – sie müssen abermals gewaschen werden und bekommen Futter und Wasser. Nadine Hemmes hat an diesem Tag eine Doppelfunktion: Sie präsentiert nicht nur als Landwirtin ihre Tiere, sondern sorgt als Mitarbeiterin der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz für einen reibungslosen Ablauf. Veranstalterin der Schau ist die Verbandsgemeinde Kell am See; die Kammer berät sie in Fachfragen rund um die Tiere, bestellt die Preisrichter für die Wettbewerbe der Pferde und Kühe und erstellt einen Katalog, in dem Besucher Zahlen zu jeder ausgestellten Kuh finden. Darin steht dann etwa, wie viel Milch sie gibt, wie groß sie ist und wer ihr Besitzer ist.

Während die anderen Besucher schon Bier und Kassler mit Kappes Meng (gestampfte Kartoffeln mit Sauerkraut) genießen und die ausgestellten Kühe, Pferde, Kaninchen und Hühner begutachten, steigt die Spannung bei den Milchbauern. Der Reihe nach dürfen sie ihre Kühe vor den Augen Hunderter durch das Rund führen. In den Vorrunden noch nach Alter und Rasse getrennt. Ein Preisrichter ist für die Holstein-Rinder zuständig, ein anderer für das Fleckvieh.

Doch es kann nur eine Miss Hochwald geben, und deshalb entscheidet sich einer der Preisrichter zwischen den letzten drei Favoritinnen, egal welcher Rasse. Bevor die Miss Hochwald 2018 ihre gelb-grüne Schärpe umgehängt bekommt, begründet der Preisrichter seine Entscheidung. Wer aufmerksam zuhört, lernt etwas von der Fachsprache der Landwirte und weiß dann zum Beispiel, dass Kühe mit „schönem Fundament“ gesunde Beine und einen besonders guten Stand haben.

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