Uni: Lehrkräfte entscheiden, wer rein darf und wer nicht

Trier · Überfüllte Hörsäle, zu wenig Seminarplätze, wütende Studenten: Die Raumnot an der Uni Trier ist auch zum Beginn des Sommersemesters nicht besser geworden. Mittlerweile werden Seminarplätze verlost.

Weit mehr als 100 Studierende haben sich auf dem Campus der Uni versammelt. Sie alle wollen an einem ebenso öffentlichen wie bedeutsamen Glücksspiel teilnehmen. Der Hauptgewinn ist ein Seminarplatz im Fach Bildungswissenschaften. Davon stehen nur 35 zur Verfügung, und Seminarleiter Michael Schüßler hat Zettel mit den Namen aller Interessenten in seiner Aktentasche. 35 zieht er nacheinander heraus, und die Gewinner freuen sich, als hätten sie in einer Lotterie gewonnen. Der Rest geht leer aus.

Das Sommersemester hat begonnen, und es gibt in einigen Fächern bis zu fünf Mal so viele Studenten, wie es offene Plätze in Seminaren und Übungen gibt. Ein echtes Dilemma für viele Lehrkräfte. In den Politikwissenschaften haben sich 100 Studenten auf 45 Seminarplätze beworben. Nach TV-Informationen wurden alle, deren Studiendauer das achte Semester noch nicht erreicht hatte, vom Seminarleiter abgewiesen. Uni-Präsident Peter Schwenkmezger stand gestern laut Mitteilung der Uni-Pressestelle für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung.

„Die Dozenten werden bei der Auswahl der Seminarteilnehmer völlig allein gelassen“, sagt Jutta Albrecht vom Bernhard-Vogel-Kreis, einer Hochschulgruppe von Lehrkräften, Mitarbeitern und Studenten. „Jeder muss für sich entscheiden, nach welchen Kriterien er Studierenden den Seminarplatz verwehrt. Wir hoffen, dass Universitätsleitung und Ministerium Maßnahmen ergreifen, um schnell eine Änderung der Situation herbeizuführen.“

Es muss sich etwas ändern an der Uni Trier – diese Forderung ist seit Jahren immer wieder aktuell. Zum Beginn des Wintersemesters 2008 verabschiedeten die Trierer Studenten auf einer Vollversammlung im November eine Resolution gegen die schlechten Studienbedingungen und legten aus Protest den halben Petrisberg lahm.

Im Januar kündigten Wissenschaftsministerin Doris Ahnen und Präsident Schwenkmezger an, das Raumproblem mit Containern und weiteren angemieteten Räumen bekämpfen zu wollen.

MeinungAusgebremst und ohne Antrieb

Von Jörg Pistorius

Deutschlands Hochschul-Ausbildung landet im weltweiten Vergleich mit Sicherheit nicht auf den unteren Plätzen. Doch ein Kritikpunkt taucht vor allem im Vergleich mit den straff geführten Lehrplänen in den USA immer wieder auf: Der durchschnittliche deutsche Studiosus braucht zu lang. Zu viele Semester und Jahre gehen ins Land, bis er in die Berufswelt eintritt.

Auch wenn der Vergleich einer privaten und sehr teuren US-Uni mit einer deutschen Hochschule sehr wackelt, deutet er auf ein Kernproblem hin. Wenn ein Student im Unitrott den Antrieb verliert und er, da niemand ihn kontrolliert, mal ein Sommersemester im Freibad verbummelt, ist das sein Problem. Wenn aber ein motivierter Student ausgebremst wird, weil in den Veranstaltungen, die er braucht, kein Platz für ihn frei ist – dann nimmt seine Motivation ab und seine Studienzeit zu. Ich will ja, darf aber nicht – wer das ein paar Semester lang mitgemacht hat, verliert den letzten Funken Motivation. Und die Wirtschaft wird sich einmal mehr über die Praxisferne der Hochschulausbildung beschweren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort