Kolumne Auslese Letzte Ruhe unter Weinreben

Ich hatte mal einen sehr weinaffinen Kollegen, der sagte immer: „Ich wünsche mir, dass meine Asche dereinst im Scharzhofberg verstreut wird.“ Dieser Wingert ist nichts weniger als der Topweinberg an der Saar schlechthin, der Winzer wie Egon Müller zu Weltruhm verholfen hat.

 Im Scharzhofberg an der Saar wächst Riesling. Doch in Bad Neuenahr-Ahrweiler gibt es einen Friedweinberg, in dem sich Weinliebhaber bestatten lassen können.

Im Scharzhofberg an der Saar wächst Riesling. Doch in Bad Neuenahr-Ahrweiler gibt es einen Friedweinberg, in dem sich Weinliebhaber bestatten lassen können.

Foto: Moselwein e.V./Chris Marmann

Ich fand allein diese Vorstellung immer etwas eklig. Asche von Verstorbenen haben meiner Meinung nach nichts im Weinberg zu suchen. Die Sehnsucht aber, eins mit der Natur zu werden, und der Wunsch von Menschen, die sich besonders dem Wein verbunden fühlen, auch in einem Weinberg bestattet zu werden, kommt wohl öfter vor.

Mitte 2017 wurde nämlich der erste Friedweinberg in Deutschland in Bad-Neuenahr-Ahrweiler eröffnet. Hätte man ja nicht, wenn es keine Nachfrage gäbe. Der Sprecher der Stadtverwaltung sagt, dass es einen starken Trend gebe, sich unter Reben bestatten zu lassen. Laut einem dpa-Bericht haben in dem Friedwald von Bad Neuenahr-Ahrweiler bislang 219 Beerdigungen stattgefunden. In der gesamten Anlage gibt es insgesamt 33 Familiengrabstätten für bis zu vier Urnen. 40 Reben stehen dort für halbanonyme Bestattungen zur Verfügung, pro Rebe können acht Urnen darunter vergraben werden. Preiswert ist das ebenfalls. 965 Euro kostet ein halbanonymes Weinberg-Grab, für ein Familiengrab muss man immerhin schon 5422 Euro berappen. Hinzu kommen die Bestattungsgebühren. Ja, sterben ist teuer.

Mein Kollege ist leider bereits vor dem Jahr 2017 gestorben. Ob er sonst den Friedweinberg in Bad Neuenahr-Ahrweiler als letzte Ruhestätte in Betracht gezogen hätte? Ich glaube es, ehrlich gesagt, nicht. Er war sehr heimatverbunden und liebte die Weinberge an Mosel und Saar. Er behauptete immer, er könne den Wein von charakteristischen Lagen auf seiner Zunge förmlich schmecken, wenn er mit seinem Auto an jenen vorbeifuhr. Ich habe das immer als Aufschneiderei abgetan, bin mir aber inzwischen nicht mehr so sicher. Immerhin hatte er sich Zeit seines Lebens intensiv und lange mit dem Thema Wein beschäftigt. Beerdigt worden ist mein Kollege natürlich nicht im Scharzhofberg. Doch wenn ich es mir so recht überlege, gäbe es im Weinanbaugebiet Mosel mit Sicherheit genügend Weinliebhaber, die die Idee, in einem Friedweinberg unter Weinreben zu ruhen, attraktiv fänden.

Haben Sie Fragen zum Thema Wein? Schreiben Sie mir:

v.kerl@volksfreund.de

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