1966: Daun schrammt an Katastrophe vorbei

Daun · Ein besonderes Datum in der Dauner Stadtgeschichte ist der 7. April 1966. Ein aus Wittlich kommender Zug springt kurz vor dem Bahnhof aus den Gleisen, es gibt drei Verletzte. Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können, sagt Uli Diederichs, der sich mit dem Vorfall intensiv beschäftigt hat.

 Ein Schienenbus auf dem Weg von Daun Richtung Ulmen: Das „Ferkeltaxi“ wurde zuletzt für Freizeitfahrten mit der Eifelquerbahn zwischen Gerolstein und Kaisersesch eingesetzt. Dieses Angebot wurde aber Ende 2012 eingestellt. Foto: Vulkaneifelbahn

Ein Schienenbus auf dem Weg von Daun Richtung Ulmen: Das „Ferkeltaxi“ wurde zuletzt für Freizeitfahrten mit der Eifelquerbahn zwischen Gerolstein und Kaisersesch eingesetzt. Dieses Angebot wurde aber Ende 2012 eingestellt. Foto: Vulkaneifelbahn

Foto: Stephan Sartoris (sts) ("TV-Upload Sartoris"

Die Älteren werden sich noch an den Fernseh-Mehrteiler "Die Gentlemen bitten zur Kasse" erinnern. Anfang 1966 erstmals ausgestrahlt, wird er ein echter Klassiker des deutschen Fernsehens, unzählige Male wiederholt. Der Film basiert auf dem legendären Überfall auf den Postzug von Glasgow nach London am 8. August 1963, als eine Bande gut 2,6 Millionen Pfund (heutiger Wert etwa 54 Millionen Euro) erbeutete. Aber was hat das mit Daun zu tun? Der gebürtige Dauner Uli Diederichs stellt eine Verbindung her.Film als Inspiration


Seine These: "Inspiriert durch diesen Fernsehfilm sind drei Dauner Jungen auf die Idee für einen Überfall auf die Bahn gekommen", sagt der 59-Jährige, der nur wenige Meter vom Bahnhof entfernt aufgewachsen ist. Er schildert den Vorfall so: Am 7. April (damals Gründonnerstag) klettern die Jungen nachmittags auf den Bahndamm am Dauner Viadukt zur Bahnstrecke nach Wittlich. Sie füllen eine leere Bratheringdose mit Schottersteinen und befestigen diese mit Draht auf einer der Schienen, etwa 200 Meter oberhalb der Brücke.

Der rote Schienenbus - planmäßige Ankunft in Daun 17.47 Uhr - nähert sich dem Viadukt und trifft auf das von den Jugendlichen angebrachte Hindernis. Der erste Wagen springt aus den Schienen und rutscht in einen steilen Hang. Der zweite kommt ebenfalls von den Schienen ab, bleibt allerdings größtenteils auf dem Bahndamm stehen. Der letzte Wagen - der schwerste der drei, denn es ist der mit dem Motor - bleibt stehen. "Da die Kupplungsverbindungen nicht abgerissen sind, hielten die beiden oben verbliebenen Wagen zum Glück das vordere Wagenteil fest, sodass dieses den Hang nicht weit hinunterstürzte", sagt Diederichs. Was fatale Folgen hätte haben können, befand sich doch damals am Ende des Hangs eine Wohnwagensiedlung.

Auch Klaus Manderscheid, damals 24 Jahre alt, erinnert sich noch gut an den 7. April 1966. "Ich befand mich auf dem Platz an der Nikolauskirche, als urplötzlich das Krachen zu hören war. Von dort aus war die Unglücksstelle gut zu sehen", sagt Manderscheid, der seit vielen Jahren bei den Dauner Eisenbahnfreunde aktiv ist. "Es ist kaum zu glauben, wie glimpflich das Ganze ausgegangen ist. Man mag sich gar nicht vorstellen, was alles hätte passieren können. In diesem Fall kann man wirklich sagen: Glück im Unglück."Spott und Schande

Die Bilanz des Vorfalls: Der Lokführer und zwei Fahrgäste werden verletzt, die übrigen Insassen kommen mit dem Schrecken davon. Polizei und Feuerwehr eilen an die Unglücksstelle, die Kriminalpolizei aus Wittlich und die Bahnpolizei aus Gerolstein beginnen mit den Ermittlungen. Am Karfreitag 1966 machen sich viele Schaulustige auf, um zu sehen, wie ein Schienenkran die Wagen wieder auf die Schienen stellt. Denn die damals wichtige Bahnstrecke von und nach Wittlich, auf der heute der Maare-Mosel-Radweg verläuft, soll schnell wieder befahrbar sein. Es dauert nicht lange, bis die Verursacher gefunden werden. "Einer prahlte mit seiner Tat im Freundeskreis, was in der Stadt schnell die Runde machte", berichtet Uli Diederichs.

Überhaupt hat das Unglück lange für Gesprächsstoff in Daun und Umgebung gesorgt, erinnert sich Klaus Manderscheid. Laut Diederichs war der Sachschaden "für damalige Verhältnisse enorm hoch". So hätten die Eltern für mehrere 10 000 Mark geradestehen müssen. "Hatte man keine Privathaftpflichtversicherung, was damals durchaus üblich war, konnte man leicht an den Rand des finanziellen Ruins geraten. Allerdings von Spott und Schande, die über sie kamen, hatten die Familien reichlich."

Wer noch Fotos vom Zugunglück besitzt, kann sich beim Trierischen Volksfreund per E-Mail an eifel@volksfreund.de ">href="mailto:eifel@volksfreund.de">eifel@volksfreund.de melden.Extra

 Ein Ereignis, das für viel Gesprächsstoff und für Schlagzeilen sorgte: Natürlich hat damals auch der Trierische Volksfreund berichtet.

Ein Ereignis, das für viel Gesprächsstoff und für Schlagzeilen sorgte: Natürlich hat damals auch der Trierische Volksfreund berichtet.

Foto: (e_daun )

Im Gegensatz zu Gerolstein spielt Zugverkehr in Daun seit geraumer Zeit keine Rolle mehr. Bis Ende 2012 wurden mit historischen Schienenbussen und Dampfloks Tausende Gäste auf dem Eifelquerbahn-Teilstück zwischen Gerolstein und Kaisersesch (Kreis Cochem-Zell) transportiert. Diese Freizeitfahrten waren zehn Jahre lang von Frühjahr bis Herbst an Wochenenden, Feiertagen und in den Schulferien angeboten worden. Die Bahnstrecke Daun-Wittlich entstand zwischen 1907 und 1910. Am 31. Oktober 1981 wurde der Personenverkehr zwischen Daun und Wittlich eingestellt, der Güterverkehr 1988. Über die frühere Eisenbahntrasse führt heute der Maare-Mosel-Radweg. Das Bahnhofsgebäude in Daun gehört seit Anfang der 1990er Jahre der Stadt und wird als Haus der Jugend genutzt. sts

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