200 000 Jahre "am laufenden Meter"

Nach heutiger Kenntnis begann vor gut 200 000 Jahren die Besiedlungsgeschichte Gerolsteins: Jäger und Sammler durchstreiften bei ihren Wanderungen auch das Stadtgebiet. Belege für die bisher früheste Anwesenheit von Menschen aus der Zeit des Neandertalers in der Vulkaneifel stammen aus dem Gerolsteiner Trockenmaar ("Große Kreiskaul"), heute Industrie- und Gewerbegebiet. Dort wurden behauene Faustkeile und Bruchstücke von Tierknochen frei gelegt.

Gerolstein. Wie kann man sich eine Zeitspanne von rund 200 000 Jahren vorstellen? Um die Zeitverhältnisse und einige, für Gerolstein wichtige, Geschehnisse deutlicher zu zeigen, kann man zum Zweimeter-Zollstock greifen. Dessen 200 Zentimeter sollen für die 200 000 Jahre stehen; ein Zentimeter entspricht damit 1000 und ein Millimeter 100 Jahren. 200 000 Jahre Besiedlungsgeschichte so zu sagen "am laufenden Meter."

Die Reise zurück in die Steinzeit beginnt auf dem Zollstock bei Null. Weil es sich besser verstehen und rechnen lässt, setzen wir Null mit dem Jahr 2000 gleich; genau genommen sind wir in diesem Jahr 2010 bereits 0,1 Millimeter weiter auf unserer Zollstock-Skala. Von der Null ausgehend, wäre nach fünf Millimeter der Beginn der Neuzeit (etwa 1500 nach Chr.) erreicht. In diesen vergangenen 500 Jahren bis heute ist unbeschreiblich viel geschehen - auch in Gerolstein. Diese, im Vergleich zur Gesamtbesiedlungszeit (gleich 2000 Millimeter), eher winzige Strecke von fünf Millimetern hat das Leben auf der Erde völlig verändert; man denke nur an den Buchdruck und die Computertechnik.

Vor etwa 7 Millimetern (im Jahr 1336) erhielt Gerolstein die mittelalterlichen Stadtrechte. Wo auf dem Zollstock die Zwei steht, erreichen wir die Zeit um Christi Geburt. Die Römer übernahmen kurz zuvor die Herrschaft auch über unsere Region; bald begann man in Sarresdorf mit dem Bau einer stattlichen villa rustica, später "Villa Sarabodis" genannt. Die Kelten sind hier bei etwa 2,5 Zentimeter (etwa 500 vor Christus) eingewandert und die letzte Eiszeit endete bei etwa zwölf Zentimetern. Gerolsteins "Hausvulkan", die Hagelskaule am Südrand der "Großen Kreiskaul" brach etwa bei Zentimeter 20 aus.

Zu dieser Zeit hielt sich im Gerolsteiner Raum ein vor etwa 35 000 bis 40 000 Jahren eingewanderter, anatomisch moderner Mensch auf. Er hatte den Neandertaler, bekanntester Vertreter unserer Ahnenreihe, abgelöst, möglicherweise verdrängt. Wie die modernen Menschen lebte der Neandertaler vorwiegend im Freien, nur sporadisch suchten beide Gattungen Höhlen auf; wie beispielsweise das Buchenloch, die bekannteste der Höhlen in und um Gerolstein. sie wurde 1879/80 von dem Maler Eugen Bracht ausgegraben. Damit wurde Gerolstein als Steinzeit-Fundort weithin bekannt. Die modernen Menschen hinterließen im Buchenloch vor rund 20 000 Jahren (= 20 Zentimeter) unter anderem Knochen von Höhlenbär, Hirsch, Ren, Mammut und Wollnashorn, weiterhin einige Werkzeuge aus Feuerstein und Quarzen sowie eine knöcherne Lanzenspitze. Dass die Menschen jener Zeit auch Schmuck- und Kunstgegenstände herstellten, beweisen unter anderem die Elfenbeinringe, die in der Magdalenahöhle in der Südfront der Munterley gefunden wurden.

Die letzten 160 Zentimeter beziehungsweise 160 000 Jahre auf unserer Zollstock-Skala bis 200 stehen für die Zeit der Neandertaler im Gerolsteiner Raum. Wie die oben aufgeführten Funde und deren Bodenschichten beweisen, lagerten sie an einem See, der sich damals im Gerolsteiner Trockenmaar befand. Sie waren auf die Großwildjagd spezialisiert und passten sich während des langen Zeitraumes immer wieder an die extremen Klimaveränderungen und die damit verbundenen Nahrungsmittelangebote an. Unser Verwandtschaftsverhältnis zum Neandertaler ist bis heute nicht abschließend geklärt.

Ein Zollstock, 200 Zentimeter gleich 200 000 Jahre Gerolsteiner Besiedlungsgeschichte, zugegeben im Schnelldurchgang. Doch ging es hier um einen Versuch, die zeitlichen Dimensionen darzustellen. Übrigens: Auf der ausgedachten Zollstock-Skala sind für unser Leben im Durchschnitt 0,7 bis 0,8 Millimeter vorgesehen. Ziemlich wenig im Vergleich zur bisher bekannten menschlichen Besiedlungsdauer in Gerolstein.

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