"Als wäre der eigene Sohn gestorben"

BIRRESBORN. Verzweiflung, Ohnmacht, Unsicherheit, Nachdenklichkeit, Zukunftsangst, Wut: Auch Tage nach der plötzlichen Schließung des Birresborner Sprudels, bei der 25 Menschen ihren Job verloren, herrscht in der Kylltalgemeinde ein emotionaler Ausnahmezustand.

So gut wie alle Birresborner sind noch immer aufgerüttelt von der Nachricht der Schließung des Birresborner Sprudels. Kurz nachdem die Beschäftigten am Dienstagvormittag von der Information erschüttert worden waren, verbreitete sie sich wie ein Lauffeuer im Dorf.Noch immer schlagen die Flammen hoch, andere Themen spielen so gut wie keine Rolle mehr: Aus dem Guten-Morgen-Gruß im Vorbeigehen entwickelt sich rasch eine hitzige Diskussion um Grenzwerte, Verunreinigungen, Birresborner - das beste Mineralwasser, die Leute, die auf der Straße stehen, und, und, und.Viele Birresborner sind außerordentlich gut informiert, einige haben ihre eigene Theorie über die Gründe der Schließung. In einem Punkt aber sind sich alle einig: dass die Ursachenforschung unzureichend, die Werks-Schließung überstürzt war."Ich kann es einfach nicht begreifen: Da sind sie viereinhalb Monate so gefahren und, dann wird der Betrieb von heute auf morgen dicht gemacht. Ich begreife das nicht", ruft Birresborns Ortsbürgermeister Josef Bach. Sogar er, der alten Hase, der so gut wie nie Emotionen in seinem Job zeigt, ist spürbar angekratzt; und resigniert im nächsten Moment, da er weiß, dass "die Ortsgemeinde so gut wie nichts tun kann": "Das wars."Doch auch jetzt noch, nachdem mit der Werks-Schließung unumkehrbare Fakten geschaffen worden sind, fordern viele, die Gründe für die Verunreinigung des Wassers aufzuklären - allen voran die Landtagsabgeordnete Astrid Schmitt (SPD). Sie sieht darin "eine moralische Verpflichtung" und fordert nun die Unternehmensleitung der Muttergesellschaft des Birresborner Phönix Sprudels, des Gerolsteiner Brunnens, zu einer Prüfung auf.Landesamt nimmt weitere Prüfungen vor

Unterdessen hat das geologische Landesamt in Mainz kurzerhand selbst die Initiative ergriffen: Aus fünf verschiedenen Quellen in und rund um Birresborn wurden Proben entnommen, die nun analysiert werden. Der zuständige Hydro-Geologe Karl-Heinz Hoberger begründet: "Es ist noch immer offen, ob die Verunreinigungen natürlich - also geogen - oder von Menschenhand sind. Daher die Untersuchungen. Wir versuchen nun, alles abzuchecken, um herauszufinden, was los ist."Werden in allen Quellen ähnliche Werte gefunden, handelt es sich laut Hoberger höchstwahrscheinlich um eine natürliche Belastung. Er sagt: "Entweder überall gleich oder von Menschenhand." Mit Ergebnissen wird erst in zwei Wochen gerechnet.Noch weiter in die Zukunft blickt derweil Ortsbürgermeister Bach. Er malt ein düsteres Bild. "Wie läuft es denn in so einer kleinen Gemeinde? Man muss jemanden ansprechen können, der einen ab und zu unterstützt. Das hat mit dem Sprudel immer gut geklappt. Doch jetzt haben wir unseren Hauptansprechpartner verloren", sagt er und verweist auf die vielen kleinen Getränkespenden für die Vereine oder das Seifenkistenrennen. "Ja sogar der Sprudel für die Ortsgemeinderatssitzungen war gesponsert", berichtet Bach und hat dabei die wegfallenden Gewerbesteuereinnahmen noch gar nicht angesprochen.Mit Problemen hat auch Birresborns Getränkehändler Herbert Schmitt zu kämpfen, der fast ausschließlich Birresborner Produkte im Sortiment hatte. Er, der lange Zeit beim Sprudel arbeitete, als dieser noch in Familienbesitz war, berichtet: "Viele meiner 2500 Privatkunden denken, dass auch ich geschlossen habe. Aber das ist falsch, denn wir sind eigenständig und haben rasch unser Sortiment umgestellt."In dieser Woche hätten sich in seinem Betrieb kuriose Szenen abgespielt, sagt er: "Die einen Kunden bringen Birresborner zurück, andere, die die Kisten sehen, reißen sie mir wieder aus der Hand. Die Sache ist pervers." SIEHE POLITIK 1

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort