Auch für die Senioren ist Platz da

GEROLSTEIN. Nach einem Gewinn von 367 000 Euro im Vorjahr kämpfen die Westeifel-Werke (WEW) jetzt um Umsatzstabilität. Zudem kommt auf das Unternehmen eine neue Herausforderung zu: die Beschäftigung behinderter Mitarbeiter, die über das Rentenalter hinaus in der Einrichtung bleiben wollen.

"In den ersten vier Monaten diesen Jahres herrschte bei uns Panikstimmung", sagt WEW-Geschäftsführer Erwin Görgen. Fast 60 Prozent Umsatzeinbußen musste die Einrichtung in der Eigenproduktion, die mit 69 Prozent des Umsatzes das Kerngeschäft ausmacht, verkraften. Gründe waren kommunale Haushaltssperren, die zu weniger Aufträgen bei den Parkmöbeln führten, sowie die allgemeine Zurückhaltung der Großkunden bei den Ausgaben für Werbemittel. Das bekamen besonders die Luftballondrucker zu spüren. "Ende Juni waren es immer noch 20 Prozent, aber aktuell liegen wir nur noch bei etwa einem Prozent Minus", sagt Görgen und erläutert auch gleich, weshalb sich das Unternehmen wieder auf aufsteigendem Ast befindet: "Mit aggressiven Marketing haben wir die Situation gebessert." Momentan wird überlegt, neue und preisgünstigere Modelle von Edel-Designer Colani in die Produktion aufzunehmen. Zwar seien mit den bisherigen vier Modellen (Preise zwischen 1600 und 4000 Euro) neue Zielgruppen wie Hotels und Banken als Kunden gewonnen worden. "Aber nicht im erwarteten Rahmen", wie Görgen eingesteht. Dafür wurde im Lohnauftragsbereich ein dickes Plus von 10,4 Prozent verzeichnet. Dies ist vor allem den Auftraggebern für den Zusammenbau von Receivern und Bremszügen zu verdanken. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage hat das Unternehmen im vergangenen Jahr aber auch investiert: Für die Luftballon-Druckerei im Hermesdorfer Werk wurden für rund 600 000 Euro sechs neue Sieb- statt Offsetdruck-Maschinen gekauft. In Weinsheim kostete eine neue Trafo-Station für die Starkstromleitung in der Schreinerei 20 000 Euro. Außerdem schlugen die Fahrtkosten mit 809 000 Euro zu Buche. Im Jahr zuvor waren es noch 60 000 Euro weniger. Die Summe der Löhne für die 491 behinderten Mitarbeiter betrug 1,7 Millionen Euro. Das ist wie schon seit Jahren das Dreifache des Bundesdurchschnitts. Und das obwohl die Pflegesätze, die die WEW erhalten, seit sieben Jahren nicht erhöht wurden."Können uns zu 60 Prozent selbst ernähren"

Görgen erläutert das WEW-Prinzip: "Mit unseren Überschüssen fangen wir nicht nur die eingefrorenen Pflegesätze auf, sondern haben die Löhne erneut um 1,7 Prozent gesteigert und erhöhen den Betreuungsstand." Neben Erwachsenenbildung und Kunsttherapie wird aus diesem Topf auch ein zweiter Krankengymnast bezahlt. Jeder dritte Arbeitsplatz der 108 Angestellten ist nicht staatlich subventioniert. "Mit dem Umsatz von 6,5 Millionen Euro können wir uns zu mehr als 60 Prozent selbst ernähren", sagt Görgen. Eine hundertprozentige Loslösung vom Staat werden die WEW laut Görgen jedoch nie erreichen, denn jeder Behinderte wird aufgenommen, auch wenn er eine "Eins-zu-Eins-Betreuung" braucht. In der 30-jährigen WEW-Geschichte tauchen seit kurzem neue Herausforderungen auf. Der Geschäftsführer erklärt: "Die meisten Behinderten sind nach 1945 geboren und anders als bei Nichtbehinderten, setzt bei vielen der Alterungsprozess schon massiv ab 50 Jahren ein." Das bedeutet, dass etliche ältere Beschäftigte stark abbauen, weniger zu leisten imstande sind, mehr Betreuung und andere Aufgaben brauchen. Dafür werden momentan im Unternehmen spezielle Modelle erarbeitet. Denn nach Hause soll keiner geschickt werden. Laut Gesetz können behinderte Menschen nach 20 Jahren versicherungspflichtiger Beschäftigung Erwerbsunfähigkeitsrente bekommen - also rechnerisch bereits im Alter von 38 Jahren. Allerdings bleibt nur jeder Fünfte zu Hause, die anderen kommen weiterhin. Danach steht laut Schwerbehindertengesetz die Rente mit 62 Jahren an. Und auch dann wollen einige behinderte Senioren noch nicht zu Hause bleiben.Arbeitsplatz als gewohntes Umfeld

Einer von fünf Betroffenen ist Nikolaus Hoffmann aus Winterspelt. Er ist mit 72 Jahren der älteste behinderte Mitarbeiter. Und wenn es nach WEW-Chef Görgen geht, bleibt er das auch so lange wie möglich: "So kann Nikla in seiner gewohnten Umgebung bleiben, und in der anderen Zeit wird er zu Hause von der Geschwisterfamilie versorgt." Bliebe Hoffmann zu Hause, müsste die Verwandtschaft die komplette Pflege leisten, was sie aber nicht kann. Folge: Er müsse in ein Heim, für das der Staat die Kosten tragen müsste. Auch die Besetzung des Arbeitsplatzes ist für Görgen kein Problem: "Er nimmt keinem den Arbeitsplatz weg. Wir haben genügend Stellen für jeden behinderten Schulabgänger."

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