Auf Draht am Draht

NEROTH. Kleiner Gegenstand, große Wirkung: Nichts prägte die Geschichte des 1338 erstmals urkundlich erwähnten Dorfs Neroth mehr als die Mausefalle. Zur Blütezeit saßen 80 Prozent der Dorfbevölkerung "am Draht" und sicherten sich so den Lebensunterhalt. Dem Blick in die Geschichte des Mausefallendorfs folgen in weiteren Serienteilen eine Analyse des Ist-Zustands sowie ein Blick in die Zukunft des Dorfs.

Eines war klar: "Zur Kirmes um den 20. Oktober waren die Nerother Hausierer stets wieder zuhause", berichtet Ewald Peters und verweist auf die ausgestellte Ahnentafel. Die weist auffallend viele Geburten im Spätsommer aus - neun Monate nach der Kirmes beziehungsweise der Heimkehr der Hausierer, "die ja junge Burschen und oftmals Monate fern der Heimat unterwegs waren". Seit acht Jahren ist Ewald Peters (66) Vorsitzender des Heimatvereins Neroth, der unter anderem das Mausefallen-Museum betreibt. Das vermittelt heute noch eindrucksvoll Einblicke in die Zeit, als die Nerother ihr Glück buchstäblich in die eigenen Hände nahmen. Das war zwischen 1830 und 1979, als die letzte Mausefallen-Werkstatt schloss. Das war die von Josef Pfeil - Kernstück des 1990 eröffneten Museums.Den Anfang machte Theodor Klaes

Den Anfang machte Theodor Klaes. Der Dorflehrer hatte auf seinen Reisen in den Osten - vor allem nach Ungarn und in die Slowakei - Drahtbinder kennen gelernt. Dieses Wissen nahm er um 1830 mit in die Heimat und überzeugte zunächst Verwandte und enge Bekannte davon, sich mit dem Bau und Vertrieb von Mausefallen einen Lebensunterhalt zu verdienen. Die ersten Nerother "Mousfallskrämer" waren geboren. Rasch folgten viele andere Dorfbewohner dem Vorbild, denn der karge Boden in den Höhenlagen der Eifel, Missernten, Brände bei gleichzeitigen Anstieg der Bevölkerung (1782: 260 Bewohner, 1843: 527) sorgten dafür, dass Armut und Not immer mehr um sich griffen. Was zunächst als Nebenerwerb begann, entwickelte sich bald für viele zum Hauptgewerbe und verbesserte die Existenz vieler Nerother erheblich. Mit Eröffnung der Bahnstrecke Trier-Gerolstein-Köln 1871 begann der "Boom" für die "Mousfallskrämer", die ihre Produkte in immer fernere Gefilde vertrieben - bis nach Ostpreußen. Die in Neroth meist in Hausarbeit angefertigten Mäuse- und Rattenfallen sowie sonstigen Haushaltsgegenstände wie Untersetzer, Toilettenpapierhalter oder Blumenübertöpfe aus Draht ließen sich die "Handelsvertreter" an ihren Zielort nachschicken. Peters, dessen Vater "Mousfallskrämer" war, berichtet: "Abnehmer waren meist Großbauern und Müller, denn denen kam keine Katze ins Haus, da die das Getreide verunreinigten." Doch auch in Großmetzgereien und Umschlaghöfen für Lebensmittel seien die Nerother "Mousfallskrämer" gern gesehen gewesen. In der Heimat hingegen nicht - zumindest bei den Bauern. "Die wurden immer böser, weil sie kein Geld hatten, die Hausierer dagegen wohl." Und da sie dieses hin und wieder gerne in die Kneipe - derer gab es früher vier (!) in Neroth - getragen hätten, sei der Neid immer größer geworden. Alarm, wenn Nerother Burschen kamen

"Es hatte also schon seinen Grund, weshalb es bei der Kirmes spätestens nach einer halben Stunde regelmäßig zur Klopperei kam. Aber nicht nur in Neroth: In Büscheich wurden immer schon die Glocken geläutet, wenn eine Gruppe Nerother Burschen kam", sagt Peters. Dabei sei der Nerother immer ein aufgeschlossener Mensch gewesen, da er sich beim Hausieren mit vielen neuen, fremden Dingen und Gegebenheiten auseinander setzen musste, meint Peters. "Wenn der einem Gutsverwalter gegenüber trat, war das schon etwas. Da musste man sich zu benehmen wissen und gut gekleidet sein", spricht Peters davon, dass das Hausieren damals eine wesentlich positivere Bedeutung hatte als heute. Das Mausefallenmuseum in Neroth ist geöffnet mittwochs von 14 bis 16 Uhr, freitags von 15 bis 17 Uhr sowie für Gruppen ab fünf Personen auf Anfrage (bei Marianne Horn-Hunz unter Telefon 06591/5822).

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