Geschichte Vom Foto zum Familientreffen

Kirchweiler · Auf Initiative einer Ururenkelin der Erbauer des ehemaligen Gasthauses Schlömer in Kirchweiler haben sich Dutzende von Nachfahren getroffen. Eine historische Gelegenheit: Denn das Gebäude steht seit Jahren leer und wird demnächst abgerissen.

 Ganze 100 Jahre liegen zwischen diesen beiden Fotos, die das ehemalige Gasthaus Schlömer zeigen. Das historische Foto (unten) ist der Auslöser für das Familientreffen (oben) gewesen.

Ganze 100 Jahre liegen zwischen diesen beiden Fotos, die das ehemalige Gasthaus Schlömer zeigen. Das historische Foto (unten) ist der Auslöser für das Familientreffen (oben) gewesen.

Foto: TV/Brigitte Bettscheider

So viele Besucher hatte das Schlömer-Haus schon lange nicht mehr. Ungefähr 50 Menschen aus mehreren Generationen sind durch die ­– extra für diesen Tag geschaffene Lücke im Bauzaun – zu dem Grundstück vorgedrungen. Die Eingangstür besteht nur noch aus einem Rahmen.

Dahinter liegen Dutzende von Räumen, die die Gäste nun bevölkern: Die Gaststube, in der die Uhr auf fünf vor drei stehen geblieben ist und an deren Wand noch halb leserlich das Jugendschutzgesetz hängt, das „Stüffchen“, in dem bei den letzten Besitzern auch ein Papagei und ein Hund (namens Whiskey) lebten, der Laden, in dem es ehemals neben Lebensmitteln auch  Knöpfe, Kuh- und Kälberketten, Textilien und Porzellanwaren zu kaufen gab, die Kochküche, die Waschküche und ein Badezimmer. Oben sind Schlafzimmer in allen Größen, darunter Fremdenzimmer, die mit Waschbecken ausgestattet sind und somit zur Kategorie „mit fließend Wasser“ aufgepeppt wurden.

Man könnte sich verlaufen. So oft ist hier in 168 Jahren (siehe Info) um- und angebaut worden. Der Musiker und spätere Gastwirt Matthias Schlömer aus Kyllburg und die Haushälterin Johanna Berg aus Eisenschmitt haben sich als junge Eheleute 1850 in Kirchweiler niedergelassen und das Haus gebaut, in dem dann ihre zehn Kinder auf die Welt kamen.

„Ein einstmals wunderschönes Traditionshaus“, beschreibt es  Ortsbürgermeister Reiner Roos. Historische Fotografien und Ansichtskarten geben ihm Recht. Doch mit dem Glanz und der Glorie vergangener Tage ist es längst vorbei. Denn nicht nur die Eingangstür hat ihre Funktion verloren. Alles ist marode. „Das Haus ist ein Schandfleck im Dorf“, sagt der Ortsbürgermeister – „und leider lässt die jetzige Substanz nur einen Abriss zu.“ Den wird die Gemeinde im Frühjahr veranlassen, denn sie ist seit vorigem Jahr Eigentümerin. Auf der freien Fläche sollen zwei oder drei Baugrundstücke geschaffen werden.

Der geplante Abriss ist der Anlass dafür, warum so viele Menschen aus allen Himmelsrichtungen nach Kirchweiler gekommen sind, um dem Schlömer-Haus die letzte Ehre zu erweisen. Vorgebracht wurde die Idee eines Familientreffens von Marita Reynen, die im mittelfränkischen Adelsdorf nahe Nürnberg lebt und eine Ururenkelin der Erbauer ist. „Ich wollte eigentlich nur wissen, wer die Menschen auf diesem Bild sind und was aus dem Haus geworden ist“, erzählt sie und deutet auf eine großformatige, gerahmte Fotografie aus dem Nachlass ihrer Eltern. Sie wandte sich mit ihrem Anliegen an die Gemeinde Kirchweiler. So gelangte sie an Erwin Görgen, Sprecher des seit 2006 tätigen Chronikteams. Sie erfuhr, dass das Schlömer-Haus demnächst abgerissen wird. „Dann sollten wir uns doch rasch alle dort mal treffen“, schlug Marita Reynen vor.

Mit Blick auf die große Runde, die sich inzwischen im Bürgerhaus versammelt hat, sagt sie: „Ich bin so gerührt und glücklich.“ Mit ihr am Tisch sind ihre beiden Kinder und ihr Bruder mit Familie aus Gilzem (Eifelkreis Bitburg-Prüm). Eugen Bost (81) aus Daun und Ilse Liewer (82) aus Wittlich-Neuerburg sitzen mit ihren Familien am Nachbartisch und können besonders viel von der wechselvollen Geschichte des Schlömer-Hauses erzählen: Die Geschwister haben ihre Kindheit und Jugend hier verbracht. „Es ist einfach wunderbar, dass so viele gekommen sind“, schwärmt Eugen Bost, der auch Gastgeber des Treffens ist. „Viele meiner Verwandten sehe ich heute nach Jahren endlich wieder mal, etliche zum ersten Mal in meinem Leben.“

 100 Jahre mögen zwischen diesen beiden Fotos liegen: das historische Foto (links), das den Auslöser für das Sippentreffen (rechts) bildete. Repro: Brigitte Bettscheider

100 Jahre mögen zwischen diesen beiden Fotos liegen: das historische Foto (links), das den Auslöser für das Sippentreffen (rechts) bildete. Repro: Brigitte Bettscheider

Foto: TV/privat

Sie alle verfolgen aufmerksam die Erläuterungen von Görgen zu dem Stammbaum der Familie Schlömer. Bis ins 15. Jahrhundert kann man diesen zurückverfolgen. Nach einem Beitrag von Hans Schlömer (Hennef/Sieg) zu den Varianten, der Verbreitung und der möglichen Herkunft des Familiennamens wird munter erzählt. Viele Stimmen hallen durch das Haus, das hier bald nicht mehr stehen wird.

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