Auf sich allein gestellte 76-Jährige in Not: Sozialamt sind die Hände gebunden

Gerolstein · Kein Strom, keine Heizung: Mitten in Gerolstein befindet sich eine 76-jährige Seniorin in Not. Doch die bürokratischen Hürden für eine Soforthilfe liegen hoch - auch weil die Frau selbst nichts unternimmt.

Gerolstein. Nachbarn haben sich vor zwei Tagen an den TV gewandt und über die Situation einer 76-jährigen Frau in Gerolstein berichtet. "Es wird kalt, meine Nachbarin hat kein warmes Wasser und kann sich nichts Warmes zu Essen kochen", schlägt eine der Bewohnerinnen des Nebenhauses Alarm.
Sie befürchtet zudem eine Verwahrlosung der Seniorin, die ihres Wissens nach keine Angehörigen hat: "Sie trägt schon seit Monaten dieselbe Kleidung." Ihrer Meinung nach sollte die Stadt Gerolstein sofort Maßnahmen ergreifen, um der 76-Jährigen aus ihrer augenblicklichen Lage zu helfen.
"Zurzeit kümmern sich die Nachbarn, so gut es geht, um die alte Dame - gehen für sie einkaufen, bringen heißen Kaffee und Tee und etwas zu essen. Ich verstehe nicht, wieso die Stadt hier nicht eingreift, wir leben doch in einem Sozialstaat", sagt eine weitere Frau, die ebenfalls in der Straße wohnt. Sie berichtet, dass die Seniorin bis vor kurzem noch wöchentlichen Besuch vom Wohlfahrtsverband der Caritas erhielt. "Doch seit geraumer Zeit kommt niemand mehr", sagt sie.Stadt sind Probleme bekannt


Alle Nachbarn, die sich dem TV gegenüber äußern, berichten aber auch, dass die 76-Jährige trotz ihrer Notlage kaum jemanden an sich heranlasse - auch mit dem TV will sie nicht über ihre Lage sprechen. "Die Stromrechnung wird sie, trotz Mahnungen, wohl nicht weiter beachtet haben - und von selbst geht sie nicht zum Sozialamt", ist eine der Nachbarinnen überzeugt.
Der Fall der Seniorin ist auch dem Gerolsteiner Sozialamt bekannt: Leiter Jochen Kettel bestätigt, dass sich schon mehrfach in der Vergangenheit besorgte Bürger bei ihm gemeldet haben. Er kann auch das Rätsel um die ausgebliebenen Besuche der Caritas lösen: "Eine Mitarbeiterin der Caritas hat sich außerhalb ihres Dienstes um die Frau gekümmert, doch sie liegt seit einiger Zeit im Krankenhaus."
Seine Dienststelle wolle gerne helfen, "doch im Augenblick sind uns die Hände gebunden", sagt Kettel. Viel mehr darf er aus Gründen des Sozialgeheimnisses nicht verraten - und es ist ihm anzumerken, dass ihn das wurmt: Schließlich sehe es für die Öffentlichkeit mitunter so aus, als bliebe das Sozialamt untätig.
"Wir haben bereits einiges auf den Weg gebracht, doch weitere Maßnahmen gegen den Willen einer Person einzuleiten, käme einer Entmündigung gleich. Und mit so etwas gehen wir sehr sensibel um."
Gerolsteins Bürgermeister Friedhelm Bongartz will nun vor Ort nach dem Rechten sehen: "Mir persönlich ist der Fall seit Jahren bekannt." sagt er. "Dass der Strom abgestellt wurde, macht die Lage nur noch schlimmer. Ich werde versuchen, mit dem Versorgungsunternehmen eine Einigung zu erreichen."
Auch der neu aufgestellte Sozialausschuss der Stadt wolle sich schnellstmöglich mit der Situation der Seniorin beschäftigen, sagt Bongartz. Eine professionelle Betreuung der 76-Jährigen ist zwar in Aussicht, doch noch sei die rechtliche Grundlage nicht geschaffen - denn dafür braucht es eine Entscheidung des Betreuungsgerichts (siehe Extra). "Ich würde sie sehr gerne betreuen", sagt Karl Lickefeld, der einen Pflegedienst betreibt und sich der Seniorin bereits vorgestellt hatte. "Doch es kann noch einige Wochen dauern, bis das Betreuungsgericht grünes Licht gibt."Extra

Das Betreuungsgericht ist in Deutschland das für Betreuungs- und Unterbringungsmaßnahmen Volljähriger berufene Gericht. Früher wurde es Vormundschaftsgericht genannt. Voraussetzung für die Bestellung eines Betreuers ist, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Das Verfahren zur Feststellung der Betreuungsbedürftigkeit und Bestellung eines Betreuers beginnt auf Antrag des Betroffenen, von dritter Seite oder von Amts wegen. Dies bedeutet: Jedermann kann dem Betreuungsgericht einen Hinweis geben, dass jemand einen Betreuer benötigt.now Quelle: Wikipedia

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