Aus dem Drogensumpf bis aufs Treppchen

Kämpfernatur: Max Gaus (31) ist der erste Rheinlandmeister der noch jungen Boxsportabteilung des SV Gerolstein. Sein eigentlicher Sieg ist aber noch bedeutender: Nicht zuletzt durch den Sport ist er von seiner Drogensucht weggekommen, ist jung verheiratet und hat einen elf Monate alten Sohn. Vor Jahren, so sagt er, war das für ihn "alles undenkbar".

Gerolstein. (mh) Er schaut zum Boden, spricht leise, ist zurückhaltend, verhält sich eher unauffällig: Der 31-jährige Max Gaus entspricht so gar nicht dem Typ des großmäuligen Boxers, den man aus dem Fernsehen kennt. Auch im Ring ist es neben seiner Fitness vor allem seine Lernbereitschaft und Disziplin, die ihn in so kurzer Zeit nach oben gebracht hat: Nach nicht einmal einem Jahr Training wurde er bei seinem Auftaktkampf sogleich Rheinlandmeister im Mittelgewicht (bis 75 Kilogramm). Und zwar gegen den bisherigen kampferprobten Champion. Mehr mit Kopf als mit Kraft.

Sein Trainer Hardi Haidari, ehemaliger Boxchampion aus Teheran, sagt: "Max ist ein guter Junge. Er hat ein super Talent und vor allem einen Ehrgeiz, wie ich es selten erlebt habe." Was sagt der frischgebackene Champion selbst zu seinem Erfolg? "Der Trainer hat mich gut vorbereitet, ich habe mich gut gefühlt." Mehr nicht.

Erst auf Nachhaken fügt er hinzu: "Natürlich bin ich stolz. Doch am meisten habe ich mich gefreut, dass meine Frau Helena dabei war und mir anschließend gesagt hat, dass sie stolz auf mich ist." Denn eigentlich wollte sie, mit der er erst seit knapp einem Jahr verheiratet ist und einen kleinen Sohn hat, bei seinem ersten Kampf gar nicht dabei sein.

"Sie wollte nicht miterleben, wie ich geschlagen werde", sagt er. Das wurde er auch. Ein harter Rippentreffer in der dritten Runde hätte das Blatt noch einmal wenden können. "Aber er hat sich durchgebissen", sagt sein Trainer.

Es wäre nicht der erste Schlag gewesen, der den gebürtigen Russen, der im Jahr 2000 nach Deutschland kam, niedergestreckt hätte. Denn der junge, vor Kraft strotzende Mann, der so viel Ruhe ausstrahlt, hat eine rund zehnjährige Drogenkarriere hinter sich.

Mit allen Tiefen: vom Verlust aller zwischenmenschlichen Bindungen über Beschaffungskriminalität und Knast bis hin zu mehrfachem knallharten Entzug, Rückfällen und sogar einer Überdosis. "Ich hatte schon in Russland ersten Kontakt mit Heroin, und hier in Deutschland ohne Job, ohne Freunde, ohne Perspektive bin ich einfach nicht losgekommen - trotz mehrfacher Versuche. Erst als ich schon fast tot war, habe ich mir gesagt: Alleine schaffst du es nicht."

Über einen Verwandten kam er dann an eine christliche Therapieeinrichtung im Kreis Euskirchen. "Dort bin ich gläubig geworden und habe es mit Gottes Hilfe geschafft von den Drogen wegzukommen - ohne Entgiftung", berichtet der 31-Jährige. Mittlerweile studiert er Psychologie, arbeitet für die Einrichtung und hilft jungen Menschen, die ebenfalls Drogenprobleme haben. Viele davon sind "meine Landsleute". Er sagt: "Ich möchte ein Beispiel für die jungen Leute sein. Und ich spüre: Der Sport macht mich stark, zielstrebig, selbstbewusst."

Auch wenn vieles während seiner Drogenabhängigkeit kaputtging, ein inniger Wunsch war tief drinnen immer noch da, noch nicht gestorben. "Wieder Sport zu machen", erzählt er. Und dann habe er, der als Jugendlicher schon Boxtraining hatte, von der neuen Abteilung beim SV Gerolstein gehört. Sein großes Ziel: "Deutscher Meister zu werden."

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