Ausmaß lässt den Atem stocken

ESCH. Das angebliche Ausmaß sorgt erneut für Entsetzen: Hinter Aktenzeichen 8007 JS 10733/03 verbirgt sich die am Montag erhobene Anklage gegen einen 61-jährigen Mann aus Esch wegen sexuellen Missbrauchs: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, sich auf seinem Reiterhof in mindestens 22 Fällen an zwölf Mädchen vergangen zu haben.

"Im Dorf wird immer noch drüber geredet, aber wir werden nicht direkt angesprochen", erklärt der Vater eines der betroffenen Mädchen. Ende April war der Besitzer einer Pferdezucht in Esch wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs an minderjährigen Mädchen verhaftet worden und sitzt seither in Untersuchungshaft (der TV berichtete).Am Montag hat die Staatsanwaltschaft Trier die Anklage und damit das ganze Ausmaß veröffentlicht. Mindestens 22 Mal soll der pensionierte Beamte die zwölf Mädchen im Alter zwischen elf und 13 Jahren sexuell missbraucht haben, davon sieben Mal schwer. Oberstaatsanwalt Horst Roos erklärt: "Das heißt: Es ist zu Beischlaf ähnlichen sexuellen Handlungen gekommen. Allerdings ohne den Geschlechtsverkehr zu vollenden." Roos ist überzeugt, stichfeste Beweise zu haben. Eine unmittelbare Nachbarin des Gestüts ist entsetzt: "Dass es so schlimm ist, habe ich nicht geahnt. Dann muss er auch bestraft werden."Prozess beginnt in spätestens zwei Monaten

Oberstaatsanwalt Roos nennt das Strafmaß: "Mindestens ein, höchstens 15 Jahre für jeden einzelnen Fall (, den das Gericht als bewiesen ansieht, Anmerkung der Redaktion) ." Der Prozess wird laut Roos in spätestens zwei Monaten vor dem Trierer Landgericht beginnen."Dann kocht alles noch mal hoch", befürchtet der Vater. Dabei hatte sich seine Wut gerade erst gelegt. Den betroffenen Eltern und Mädchen seien aber "auf jeden Fall ausreichend Hilfestellungen gegeben worden", so der Vater, Er sagt: "Das hat für unsere Tochter was gebracht. Sie kann es besser verarbeiten, und wir Eltern können alles besser verstehen."Es fällt ihm schwer, über die Vorfälle mit Außenstehenden zu reden. Andere Eltern blocken vollends. Eines ist nach seiner Auffassung aber besonders wichtig: "Es macht viel aus, dass wir betroffenen Eltern miteinander reden."Aufklärungsgespräche für Eltern und Lehrer hatte der Kinderschutzdienst (KSD) geführt. Marlene Wierz vom Caritas-Verband kündigte an, dass es in Absprache mit der Katholischen Lebensberatungsstelle Westeifel und dem KSD schon bald öffentliche Informationsveranstaltungen zum Thema sexueller Missbrauch von Kindern geben werde.Verteidiger hat Akten bereits eingesehen

Die Angebote von Johannes Heibel, Sprecher der bundesweit aktiven Initiative gegen sexuelle Gewalt, wurden bisher nicht angenommen. Heibel hatte spontan Eltern- oder Lehrerabende und eine Ausstellung angeboten. Er meint enttäuscht: "So bleiben die Kinder die Verlierer, weil die Aufklärung klein gehalten wird." Denn nur so lange die Strategien der Täter verschwiegen würden, könne es den sexuellen Missbrauch in diesem Maße geben. Sein Angebot hält er aber aufrecht.Der Beschuldigte hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Sein Verteidiger hat laut Oberstaatsanwalt Roos bereits die Akten studiert, aber noch keine Stellungnahme abgegeben. Gesundheitlich bestehen laut Staatsanwaltschaft bei dem Inhaftierten keine Probleme mehr, obwohl er nach der Verhaftung eine Herzattacke erlitt. Allerdings sei er mittlerweile von einem psychologischen Gutachter untersucht worden. "Ob er in eine Therapie kommt, muss im Prozess entschieden werden", meint Roos.Die 38-jährige Ehefrau des Beschuldigten, die jede Stellungnahme verweigert, wohnt noch auf dem Hof. Rudolf Michels, Erster Beigeordneter, beteuert: "Es wird keine Stimmung gegen sie gemacht. Es wird kein Spießrutenlaufen geben." Das bestätigt eine Nachbarin. Sie sagt: Wir sprechen normal mit ihr, berühren das Thema nicht. Das muss ja alles ganz schlimm für sie sein."

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