Literatur „Die Eifeler sind weder mürrisch noch maulfaul“

Daun · Volksfreund-Mitarbeiterin erzählt in ihrem Buch „Eifel für Fortgeschrittene“ die Wahrheit über die Eifel. Im Interview verrät sie, warum sie ihre Wahlheimat nicht mehr missen möchte.

 Das Foto mit dem Waldsofa ist der Ausblick von Angelika Kochs Grundstück bis in den Hunsrück -  ein Platz zum Arbeiten mit Laptop.

Das Foto mit dem Waldsofa ist der Ausblick von Angelika Kochs Grundstück bis in den Hunsrück -  ein Platz zum Arbeiten mit Laptop.

Foto: Angelika Koch

Angelika Koch hat einen etwas anderen Reiseführer geschrieben. Ihr Buch „Eifel für Fortgeschrittene“ ist vor allem eine Liebeserklärung an einen ihrer Meinung nach bis dato nicht immer richtig wahrgenommenen Landstrich. So schreibt sie mit viel Humor über ihre Entdeckungen, blickt hinter die Kulissen ihrer Wahlheimat und entlarvt auch die ein oder andere eigenartige Marotte der Ureinwohner. Den TV-Lesern ist die Autorin vor allem durch ihre zahlreichen Artikel für den Trierischen Volksfreunds bekannt.

Sie sind ja eher zufällig wegen Ihrer Studienabschlussarbeit in die Eifel geraten. Doch schon beim Kennenlernen war es Liebe auf den ersten Blick. Was hat Ihnen denn auf Anhieb so gut gefallen?

Angelika Koch: Die Eifel wirkte so wie eine waschechte Märchenlandschaft, ein bisschen verwildert und ungezähmt, mit vielen Ecken, an denen klar ist, dass die Natur weiterhin die Regie führt. Und anders als andere Mittelgebirge (wie etwa Teutoburger Wald oder Sauerland, die Naherholungsziele meiner Kindheit), bietet die Eifel alle naslang spektakuläre Weitblicke über Kilometer um Kilometer. Es engt nichts ein, sondern vermittelt das Gefühl von Freiheit und Gelassenheit. Wie am Meer, nur halt im Binnenland.

Sie leben jetzt schon mehr als 30 Jahre hier. Hat die Eifel sich in dieser Zeit verändert? Und wenn ja, wie?

Angelika Koch: Als ich kam, gab es noch gar keinen irgendwie geförderten oder gezielten Tourismus. Nicht mal die Maare waren ausgeschildert. Und es gab ‚Fremdenzimmer mit fließend Warmwasser’ und solche Sachen. Es wirkte wie aus der Zeit gefallen, auf eine unnachahmliche Weise charmant altmodisch. Außerdem konnte man damals auch an sonnigen Wochenenden an die Maare oder sonstwohin, ohne Touristen zu begegnen. Die Eifel ist viel bekannter, viel frequentierter geworden. Das hat Vor- und Nachteile. Was geblieben ist, ist aus meiner Sicht die Art der Eifeler, damit umzugehen. So eine Art stoische Nonchalance. Was sich leider geändert hat, ist, dass etliche Bäume entlang der Straßen gefällt wurden. Aus den ehemals entschleunigenden Landpisten sind oft Rennstrecken geworden, was alles hektischer macht.

In der Eifel werden Rohstoffe, wie Lava, Sand und Kies abgebaut. Es werden Windräder aufgestellt und Photovoltaikflächen ausgewiesen. Manch einer befürchtet, damit die Touristen zu vergraulen. Ist das eine berechtigte Sorge?

Angelika Koch: Ich finde, dass dadurch nicht nur die Touristen vergrault werden, sondern auch die Einheimischen, wenn es zu viel wird. Ich nehme wahr, dass viele Eifeler die Natur schützen wollen, aber dann ‚die Faust in der Tasche machen’ oder ‚den Ball flach halten’, anstatt klar zu argumentieren, dass wir hier von und mit der Landschaft leben, die wir erhalten müssen. Vulkane können nicht nachhaltig weiter abgebaut werden, außer man würde in Zeiträumen von Jahrzigtausenden denken bis zum nächsten Ausbruch. Windräder in dem massiven Ausbau, der betrieben wird, beziehungsweise betrieben werden soll, haben meiner Meinung nach auch nichts mit Klimaschutz zu tun, denn allein die Herstellung und der Transport der dafür notwendigen Materialien ist vollends unökologisch, ganz zu schweigen von den Folgen für die heimische Flora und Fauna. Außerdem verlieren die Immobilien drastisch an Wert. Um Energie für Industrie und Großstädte zu produzieren, sollen Eifeler den Kopf hinhalten und einen unwiederbringlichen Schatz verscherbeln. So sehe ich das, da bin ich wertekonservativ. Es gibt längst wirklich ökologische Alternativen zu den Windrädern, wie sie jetzt geplant werden. Und dezentrale PV auf die Dächer wäre zum Beispiel einer von mehreren guten Wegen.

Wer sich in Köln an die Bar in einer Kneipe setzt, kommt sofort ins Gespräch. Wie waren denn Ihre ersten Zusammentreffen mit den Eifelern?

Angelika Koch: Sehr freundlich, zugleich auch witzig. Ich bin mit mehreren ‚Nordlichtern’ nach Niederstadtfeld gekommen, dort gab es noch einen Tante-Emma-Laden. Alle haben mit uns beharrlich Eifeler Platt geschwätzt, vielleicht um zu testen, wie gut das Nervenkostüm der ‚Friemen’ ist, denn wir verstanden kein Wort. Aber es war immer menschlich angenehm und herzlich, ich habe Eifeler nie als abweisende, mürrische oder maulfaule Leute erlebt.

In der Eifel entwickelt sich seit Jahren eine beeindruckende Kulturszene.  Eifel-Literatur-Festival, Tatort Eifel, Mozart-Wochen, Eifel-Kulturtage – um nur einige zu nennen. Deren Macher schaffen es immer wieder, Hochkaräter in die Eifel zu locken, obwohl man hier oft nur Gemeindehäuser statt Stadien füllen kann. Wie erklären Sie sich das?

Angelika Koch: Ich glaube, einerseits sind die Promis ein Stück weit neugierig auf diesen wilden Westen. Jedenfalls habe ich das immer so erlebt. Die Hochkaräter, die ich kennen lernen konnte, fanden es immer auf besondere Weise reizvoll mal in einer Gegend aufzutreten, die eben nicht ‚mainstream’ und Schickimicki ist, sondern wo Pioniergeist zählt und wo nichts selbstverständlich ist. Außerdem sind die Macher dieser Events auch zähe Geister, die sich nicht so schnell ins Bockshorn jagen lassen. Das ist vielleicht auch typisch Eifel: Man WEISS, dass man Beharrlichkeit braucht, und gibt nicht beim ersten Hindernis gleich auf. Nicht zu vergessen das Publikum: Die Menschen wissen die Kulturangebote sehr zu schätzen, vielleicht gerade weil es nicht immer die Qual der Wahl gibt. Sie sind emotionaler mit den Veranstaltern und den Events verbunden, das gilt für ‚Der Detze Rockt’ genauso wie für Literatur oder Klassik.

Auch in der besten Ehe gibt es immer etwas, was einen stört. Was nervt Sie denn an Ihrer Wahlheimat?

Angelika Koch: Eigentlich ist die Rücksicht auf andere etwas Gutes. Aber manchmal übertreibt man es in der Eifel. Anstatt mit einem Projekt einfach mal loszulegen, neigen etliche dazu erstmal zu schauen, welche Probleme auftauchen könnten und ob es ‚Neider’ geben könnte. Und dann legt man das Projekt in vorauseilendem Gehorsam zu den Akten, weil es ja Probleme und Neider geben könnte. Von daher ist der Eifeler Pioniergeist manchmal auch arg gezügelt. Mehr, als es der Eifel gut tun würde.

Und trotzdem sind Sie damals nicht nach Berlin gezogen, als es dort ein Jobangebot für Sie gab. Warum haben Sie die Großstadt nicht gegen die Eifel eingetauscht?

Angelika Koch: Das war eine rein emotionale Entscheidung aus dem Bauch heraus. Im Nachhinein habe ich das mit rationalen Argumenten unterfüttert – Es ist ruhiger/gelassener/gesünder/natürlicher hier – aber im Grunde war es so ähnlich wie bei einem Kind, das den geliebten zerfledderten Teddy auch nicht gegen was schickes Neues eintauschen mag. Ich habe ein absolutes Urvertrauen zur Eifel, ich weiß eigentlich auch nicht, warum. Ich habe die Entscheidung auch nie bereut, obwohl es in den Jahren danach etliche prekäre Lebenssituationen gab. Aber die Eifel empfinde ich als etwas, das ‚trägt’. Wenn man sich drauf einlässt. Und das hat nichts mit bestimmten Leuten oder Jobperspektiven oder sonst etwas zu tun, sondern mit Jeheschnis.

Die Hamburger essen gerne Labskaus oder Aalsuppe, die Rheinländer Sauerbraten, welches Gericht aus der Eifeler Küche mögen Sie besonders gerne?

Angelika Koch: Es gibt so tolle regionale Zutaten, da könnte ich mich ‚durchfressen’. DIE Eifeler Küche als solche gibt es meines Wissens auch nicht unbedingt. Aber Döppekooche mag ich tatsächlich gern – so lange ich ihn nicht selbst machen muss, denn das geht immer noch schief. Wichtig ist mir, dass mein Essen auf dem Tisch möglichst ohne ausufernde Transportwege und chemische Hilfsmittel auskommt. Und da ist Mensch ja in der Eifel an der richtigen Adresse, es gibt wunderbare Erzeuger und Hofläden und alles.

 Autorin: Angelika Koch

Autorin: Angelika Koch

Foto: Angelika Koch/Dominik Scheid/Fotostudios Nieder
 Jungferweiher bei Ulmen mit Hochwasser

Jungferweiher bei Ulmen mit Hochwasser

Foto: Angelika Koch
 Das Foto mit dem Waldsofa ist der Ausblick von Angelika Kochs Grundstück bis in den Hunsrück -  ein Platz zum Arbeiten mit Laptop.

Das Foto mit dem Waldsofa ist der Ausblick von Angelika Kochs Grundstück bis in den Hunsrück - ein Platz zum Arbeiten mit Laptop.

Foto: Angelika Koch
.

.

Foto: TV

Ihr Buch heißt „Eifel für Fortgeschrittene“ – ein etwas verwirrender Titel. Darf man das erst lesen, wenn man mindestens für drei Wochen vor Ort gelebt hat oder an wen richtet sich der etwas andere Reiseführer?

Angelika Koch: Ich habe eine kleine Ferienwohnung. Und immer wieder begegnen mir Gäste – oder auch meine Bekannten aus meiner alten Heimat – , die sagen, sie waren schon an den Maaren, in Monschau, am Nürburgring, in Maria Laach und auf Burg Eltz... und dann meinen, sie kennen die Eifel wie ihre Westentasche. Zugleich fragen die mich, wovon wir hier eigentlich leben (’man sieht ja nur Wälder und Wiesen, also sind alle Eifeler Bauern’) und warum es hier keine großen Städte gibt oder was an der Erdgeschichte denn hier besonders ist (’was, diese grünen Huppel sollen Vulkane sein?!’) und woher dieser komische Dialekt kommt. Das Buch ist also etwas für Leute, welche die touristischen ‚must haves’ schon absolviert haben und wissen, da steckt noch mehr in der Eifel. Und für Eifeler, die ahnen, dass ihre Heimat eine außergewöhnliche Geschichte hat, nicht erst seit ein paar Jahrtausenden, sondern seit ein paar Jahrmillionen. Ich bin mal im Gespräch mit einem Eifeler ins Schwärmen geraten über das Meerfelder Maar. Der guckte mich ganz skeptisch an und meinte nur abwiegelnd ‚joa, et as jet schien hei’, aber letztlich sei das doch normal und immer schon so gewesen, nix Besonderes. Ein bisschen will ich mit dem Buch erzählen, warum die Eifel eben doch was Besonderes ist.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort