Badevorschriften im Wandel der Zeit „Bade mit Zwickel!“ Welche strengen Vorschriften vor 90 Jahren im Schwimmbad galten

Daun · Um 1890 richteten der Dauner Eifelverein und Sportverein am Gemündener Maar eine Badeanstalt ein, die recht bald von sehr vielen Einheimischen und Gästen benutzt wurde. Damals wie heute bestanden Vorschriften und Verordnungen. Ab Sommer 1932 wurden sie mit dem „Zwickelerlass“ sehr streng, was die Bademode betraf.

 Das Freibad am Gemündener Maar besteht bis heute.

Das Freibad am Gemündener Maar besteht bis heute.

Foto: TV/Mario Hübner

Mit Sicherheit beinhalten die Badevorschriften heutzutage keine Gebrauchsanweisungen über das Aussehen und das Tragen von Badeanzügen. Dies aber war in Zeiten der Weimarer Republik schon mal anders.

 Model Gitta (rechts) zeigt einen Badeanzug, wie ihn Frauen um 1920 getragen haben, links ein Modell um 1970 aus der DDR – aufgenommen vor der Seebrücke des Ostseebades Ahlbeck in Mecklenburg-Vorpommern.

Model Gitta (rechts) zeigt einen Badeanzug, wie ihn Frauen um 1920 getragen haben, links ein Modell um 1970 aus der DDR – aufgenommen vor der Seebrücke des Ostseebades Ahlbeck in Mecklenburg-Vorpommern.

Foto: picture alliance / dpa/Stefan Sauer

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und der kaiserlichen Monarchie sehnten sich die Menschen nach größerer persönlicher Freiheit und Demokratie, die sich auch im öffentlichen Leben spürbar machten. Freiheit auch in der Bademode. Insbesondere bei Frauen wurde die Badebekleidung zunehmend knapper. Darin sahen Konservative, Moralapostel und christliche Kirchen eine sittliche Gefährdung, beschworen deren Verfall. Es trieb ihnen die Schamesröte ins Gesicht. Denn beim intensiven Betrachten und Hinschauen malten sich Formen ab, an die ein Sittlicher damals nicht einmal denken sollte.

Wie die Badevorschriften 1932 aussahen

Leidenschaftliche Reichstagsdebatten endeten letztlich in einer Polizeiverordnung vom 18. August 1932, die rasch im Volksmund „Zwickelerlass“ genannt wurde. Der stellvertretende preußische Reichskommissar Franz Bracht hatte ihn erlassen, und ganz Deutschland machte sich über diese „brachtvolle Verfügung“ lustig. Nicht jedoch der Münsterländer Politiker der katholischen Zentrumspartei, Franz Graf von Galen. Er begrüßte diese staatliche Anordnung als „sittliche Erneuerung des Volkes auf dem Boden des Christentums“.

Eine Ausfertigung davon hing damals auch an der Gemündener Badeanstalt. Sie musste ebenfalls in Dauner Geschäften, bei „Erzeugern und Inhabern von Verkaufsstellen für Badekleidung zur Kenntnis“ ausgehangen werden und zwar, wie es hieß, „mit tunlichster Beschleunigung“.

Es war zu lesen:

  1. Das öffentliche Nacktbaden oder Baden in anstößiger Badekleidung ist verboten.
  2. Frauen dürfen öffentlich nur baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Der Rückenausschnitt des Badeanzugs darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen.
  3. Männer dürfen öffentlich nur baden, falls sie wenigstens eine Badehose tragen, die mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. In sogenannten Familienbädern haben Männer einen Badeanzug zu tragen.
  4. Die vorstehenden Vorschriften gelten nicht für das Baden in Badeanstalten, in denen Männer und Frauen getrennt baden.

Der Zwickel war ein dreieckiges Stück Stoff, das mit seiner keilförmigen V-Form in den Schritt einer Badehose eingenäht wurde, um Geschlechtliches nahezu unsichtbar zu machen. Die Frage, wann, wo und wie „Zwickelkontrolleure“ Badegäste kontrollierten, kann nicht beantwortet werden.

Die angebliche Freizügigkeit am Gemündener Maar war auch dem damaligen katholischen Geistlichen ein Dorn im Auge. Mehrmals wetterte er von der Kanzel gegen schamlose Kleidung, die Frauen trugen. Er „wünsche die gemeinsamen Bäder abgeschafft zu sehen“. Schließlich sei er „Seelenhirte und kein Schweinehirt“. Das erregte große Unruhe unter den Daunern. Sie nahmen, sich beschwerend, „mit dem Herrn Seelenhirten Rücksprache und erbaten sich von ihm Aufklärung über den Sinn des Wortes „Schweinehirt“. Hochwürden erklärte, er habe keinen Menschen beleidigen wollen, er habe die Worte nur hypothetisch gebraucht.

Dauns Einwohner gaben sich mit dieser Interpretation zufrieden. Sie ließen aber in einem Leserbrief die Öffentlichkeit wissen, es sei doch seltsam, „dass man verschiedentlich Gelegenheit hatte, zu sehen, wie am schattigen Uferrande zwei katholische Geistliche sich abmühten, die wunderbaren Natur­schönheiten des Maares mit dem Fernglase vor den Augen zu betrachten – beileibe nicht die Damen und Herren, die sich im Badekostüm munter in der Flut tummelten ...“

Während des Dritten Reiches wurde im Juli 1942 der Zwickel­erlass außer Kraft gesetzt und auch das Nacktbaden in bestimmten dazu ausgewiesenen Gelände gestattet.

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