Bahnhof mit Großfamilie

Integration ohne Multikulti-Idealismus: Das "Haus der Jugend" (HdJ) Daun wird seinem Namen wieder gerecht. Sein einst schlechtes Image scheint endgültig passé: Ein Blick hinter die Bahnhofsfassade.

Daun. Vitali schaut zu Ronson. "Auf der Bühne steht meine Gitarre. Kannst spielen, wenn du willst!" "Muss mal schauen, ob ich ein Plek' dabei hab…" "…Plek' ist da!" "Jo, fett!" Vitali Bittner, Diplom-Sozialarbeiter, lehnt locker im Bürostuhl, Beine überkreuz. Seine Körperhaltung signalisiert professionelle Distanz, aber er klingt wie ein guter Kumpel. "Nicht freundschaftlich, nicht familiär, sondern irgendwo dazwischen", so bezeichnet er sein Verhältnis zu den Jugendlichen. An der Seite von Julia Küker, Diplom-Sozialpädagogin und Leiterin des Hauses, ist er täglich für sie da."Hier ist was los, hier hab ich meine Freunde"

Während Ronson Navaratnau auf der Bühne in die Saiten haut, surft am anderen Ende des Raums Ahment Güclüdal durchs Internetportal "Wer kennt wen". Der 17-jährige schätzt es aus den gleichen Gründen, aus denen er gern im HdJ ist: "Hier ist was los, hier sind meine Freunde, hier komm ich mit allen prima klar." Konflikte zwischen Jugendlichen verschiedener Ethnien und Jugendszenen lassen sich dennoch nicht vermeiden. "Wir versuchen nicht, Reibungspunkte künstlich zu unterbinden, sondern die Jugendlichen zu einem konstruktiven Umgang mit Konflikten zu erziehen", erklärt Julia Küker. "Sie müssen lernen, Grenzen zu ziehen und erfahren. Achtung und Respekt sind für uns ganz wichtige Bedingungen für Integration."Die Computermaus, die Ahment benutzt, wurde bereits gestohlen. Sie ist wieder an ihrem Platz, weil es die Jugendlichen so wollten. Vitali Bittner musste angemessen reagieren, denn schließlich zeigte der Junge Einsicht: "Eine Strafanzeige hätte keinen pädagogischen Wert gehabt." Stattdessen gab er ihm eine zweite Chance: Er musste bei einem Konzert hinter die Kasse und Eintritt nehmen. "Die Sache lief gut. Dadurch hat er mir bewiesen: Ich klaue nicht mehr, ich hab meine Sache gelernt." Und Bittner zeigte ihm: Wir vertrauen dir noch. Trotz aller Pädagogik, klare Regeln gibt's auch. Die nehmen die freiheitsliebenden Jungspunde zwar zähneknirschend, aber für den Skatepark, Proberaum und Billardtisch gerne in Kauf. Alkohol und Drogen sind tabu. "Wer sich nicht dran hält fliegt raus und bekommt Hausverbot. Bei Minderjährigen informieren wir die Eltern." Allerdings werden die Jugendlichen nicht explizit kontrolliert. "Ihr allgemeines Erscheinungsbild und Verhalten wird wahrgenommen. Grundsätzlich vertrauen wir ihnen aber", sagt Küker. Ein gutes Verhältnis herrscht zwischen dem Team und den Jugendlichen auf jeden Fall. Manchmal freundschaftlich, manchmal familiär, manchmal irgendwo dazwischen.Hintergrund Träger des "Hauses der Jugend" (HdJ) ist der Verein Arbeitsgemeinschaft Jugend e.V. Das Land Rheinland-Pfalz, der Vulkaneifelkreis und die Stadt Daun übernehmen die Hauptfinanzierung für die Institution. Es ist eine öffentliche Einrichtung der außerschulischen Jugendarbeit. Täglich besuchen etwa 20 bis 30 Jugendliche das HdJ, davon sind im Schnitt 17 Prozent Mädchen. Dieses Jahr feiert das Haus sein zehnjähriges Bestehen. (jkl)

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