Bald weniger Winterdienst?

Gerolstein · Die Stadt Gerolstein will sich am Entschuldungsfonds des Landes beteiligen und so in den kommenden 15 Jahren die eigenen Verbindlichkeiten um 6,2 Millionen Euro reduzieren. Dafür muss sie selbst jährlich 137 000 Euro aufbringen. Das soll vor allem über Steuererhöhungen, Personaleinsparung und eine Reduzierung des Winterdienstes gelingen.

Gerolstein. "Nicht uninteressant." So bezeichnet Gerolsteins Stadtbürgermeister Bernd May (parteilos) den Kommunalen Entschuldungsfonds, den das Land ins Leben gerufen hat, um die schlechte Kassenlage vieler Gemeinden zu verbessern (siehe Extra).
Schwerpunkt auf Einnahmenseite


Auch Gerolstein hat einen Schuldenberg aufgetürmt. Zum Stichtag am 31. Dezember 2009 hatte die Brunnenstadt Verbindlichkeiten in Höhe von 7,5 Millionen Euro. "Beteiligen wir uns am Entschuldungsfonds, wären wir in 15 Jahren 82 Prozent unserer Schulden los - also 6,15 Millionen Euro", rechnet May vor. Übrig bleiben würden dann noch rund zwei Millionen Euro Schulden - falls zwischenzeitlich nicht noch weitere dazukämen. Dafür muss die Stadt jährlich 137 000 Euro aufbringen - entweder über zusätzliche Einnahmen oder über Einsparungen. Im Raum steht demnach die Erhöhung von Steuern und Gebühren oder das Streichen von bisherigen Leistungen. May sagt: "Wir müssen nachhaltig in der Lage sein, unseren Anteil zu tragen. Derzeit erarbeiten wir daher mit der Kommunalaufsicht Konzepte."
An welchen Stellschrauben wie viel gedreht werden soll, will May noch nicht im Detail verraten, nur so viel: "Wir werden den Schwerpunkt auf die Einnahmenseite legen."
Im Ausgabenbereich werde es sehr schwierig, da die Stadt überwiegend Pflichtausgaben zu erfüllen habe. "Und an solche Dinge wie die Vereinsförderung will ich auch nicht rangehen, da es erstens im Vergleich zum Gesamthaushalt nur Peanuts sind, und eine Stadt auch mit ihren Vereinen lebt oder stirbt", sagt May.
Ein anderes Thema ist der Winterdienst. Einerseits geht es da nach Ansicht des Stadtbürgermeisters um gewaltige Summen, andererseits müsse genau hingeschaut werden, wo eine Reduzierung zumutbar sei.
Auch der Personalkostenbereich sei eine Möglichkeit. May sagt: "Bei den Stadtarbeitern kann möglicherweise mehr durch Maschinen geleistet werden, im Kindergarten kann die demografische Entwicklung dazu führen, dass weniger Erzieherinnen benötigt werden." Er betont aber auch, dass "moderate Lösungen" angestrebt und auf die "natürliche Fluktuation" gesetzt werde.
Zwei Faktoren stimmen den Stadtbürgermeister dennoch optimistisch, das Ziel zu erreichen. So habe die Stadt zum Jahresbeginn ihre Grundsteuer B (von 320 auf 350 Punkte) angehoben, was teilweise für den Fonds angerechnet werde.
Zudem könne über Sonderzahlungen früher entschuldet werden - beispielsweise wenn die Stadt hohe Gewerbesteuereinnahmen erziele. Das kommt - wenn es dem Brunnen gut geht und er auch keine hohen Investitionen abschreibt - in Gerolstein erfahrungsgemäß immer mal wieder vor.Meinung

Auf viele Schultern verteilen
Um es deutlich zu sagen: Die Teilnahme am Entschuldungsfonds ist für die Stadt Gerolstein - wie auch die meisten Kommunen im Land - ohne Alternative. Schließlich geht es um die Tilgung von zwei Dritteln der Schulden. Dazu wären die meisten Kommunen aus eigener Kraft niemals in der Lage. Die positiven Effekte: Deutlich geringere Zinszahlungen, die die Haushalte Jahr für Jahr belasten, ohne die Kommune auch nur bei einem Investitionsprojekt weiterzubringen, sowie Entlastung der kommenden Generationen. Erst, wenn auch der letzte Kommunalpolitiker verinnerlicht hat, welch einmalige Chance der Entschuldungsfonds bietet, wird sinnvoll und zielführend über das verbleibende Drittel, den Eigenanteil der Kommune, diskutiert werden können. Tabus und ein striktes Festhalten am Status quo sind da nicht hilfreich - zumindest dann nicht, wenn man wirklich an einer nachhaltigen Politik über die nächste Legislaturperiode hinaus interessiert ist. Natürlich tun die Einschnitte, die nötig sein werden, weh. Dem Hausbesitzer, der noch immer fleißig an seinem Darlehen abbezahlt, und der mit einer höheren Grundsteuer zur Kasse gebeten wird. Den Vereinen, die nun vielleicht noch geringere Zuschüsse von der Stadt bekommen. Den Kindergärtnerinnen und Stadtarbeitern, die künftig noch mehr zu tun haben, weil die Stelle der ausgeschiedenen Kollegin, des ausgeschiedenen Kollegen nicht mehr besetzt wird. Und in Sachen Winterdienst wird sich vermutlich auch jeder darauf einstellen können, dass es mit dem bisherigen Luxus ein Ende haben wird. Wenn die Belastung gleichmäßig auf viele Schultern verteilt wird, sollte das Paket jedoch zu stemmen sein. Dass Schulden zu machen leichter ist, als diese abzubauen, ist klar. m.huebner@volksfreund.deDas sagen die Fraktionen im Gerolsteiner Stadtrat:Tim Steen (Bündnis90/Die Grünen): "Ich bin für den Beitritt zum Entschuldungsfonds, weil er eine Möglichkeit ist, tatsächlich etwas für die Entschuldung zu tun. Zudem wird die Kommunalaufsicht ohne diesen die künftigen Haushalte wohl nicht genehmigen. Ohne Steuererhöhungen wird der Eigenanteil wohl nicht zu schultern sein. Ich bin allerdings dafür, dass wir auch nach Möglichkeiten für Einsparungen suchen. Der Winterdienst ist dabei für mich ein Thema, da damit gleichzeitig die Umweltbelastung mit Salz reduziert werden kann. Wir sind aber erst am Anfang der Überlegungen." Gerd Möller (BUV): "Für die BUV gilt: Entschuldung ja, aber nicht um jeden Preis. Einsparungen beim Personal halten wir nur bedingt für umsetzbar und sinnvoll. Denn: Das Kindergartenpersonal steht wegen zusätzlicher Aufgaben eh unter Druck. Und bei den Stadtarbeitern muss geprüft werden, welche Aufgaben zu geringeren Kosten in die freie Wirtschaft ausgelagert werden können, zum Beispiel Pflegearbeiten. Das gilt auch für den Winterdienst. Wir müssen aber auch hinschauen, wo Unterhaltungskosten durch Vereinfachung der Anlagen eingespart werden können. Ein Aspekt wäre auch der Verzicht auf den Rondellbrunnen: So könnten rund 10 000 Euro jährlich eingespart werden." Die CDU wollte nach Auskunft ihrer Fraktionsvorsitzenden Monika Neumann kein Statement abgeben, wo sie einsparen möchte. Die SPD reagierte erst gar nicht auf die TV-Anfrage. mh Der Kommunale Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RP) soll dem steten Wachstum der Kassenkredite entgegenwirken. 2009 beliefen sich diese Kredite, mit denen die Kommunen ihre laufenden Ausgaben decken, auf 4,6 Milliarden Euro. Der Fonds hat ein Volumen von 3,8 Milliarden Euro über eine Laufzeit von 15 Jahren. Jährlich müssen so 255 Millionen Euro aufgebracht werden. Ein Drittel übernimmt das Land aus dem allgemeinen Haushalt, ein Drittel kommt über den kommunalen Finanzausgleich - also der Solidargemeinschaft aller rheinland-pfälzischen Kommunen. Das letzte Drittel müssen die teilnehmenden Gemeinden selbst aufbringen. mh

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