Chemie-Ernstfall wird regelmäßig geprobt

DAUN/DREIS-BRÜCK. Um auf Unfälle mit Gefahrgut gut reagieren zu können, verfügt der Kreis Daun über ein Gefahrstoffabwehrkonzept der Freiwilligen Feuerwehren, das einzigartig im Land ist. Kernstück ist der Gefahrstoffzug, dessen Einheiten in Birgel, Daun, Dockweiler und Dreis stationiert sind. In regelmäßigen Übungen - wie jetzt in Dreis-Brück - proben die Spezialisten den Ernstfall.

B 410n, irgendwo zwischen Dreis und Nerdlen: Es ist knapp vor Anbruch der Dunkelheit. Auf der noch für den Verkehr gesperrten Straße wird ein LKW-Unfall simuliert. Die Freiwillige Feuerwehr Dreis als nächstgelegene Wehr ist mit Wehrführer Paul Friedel und Stellvertreter Helmut Neumann bereits am Einsatzort. Die Situation: Der Anhänger eines mit Gefahrgut beladenen LKW ist umgekippt. Es gibt keine Verletzten und keine weiteren Beteiligten. Aber: Von der Ladefläche läuft Flüssigkeit aus - welcher Art, das ist auf der Warntafel nicht erkennbar. Eine Gefahr droht für Mensch und Umwelt: Der Gefahrstoffzug des Kreises wird alarmiert. Erst einmal die Unfallstelle sichern

Inzwischen hat die Mannschaft der Dreiser Wehr die Unfallstelle großräumig abgesichert und routinemäßig eine Löschwasserversorgung für den Brandfall aufgebaut. Denn: Die Art der aus dem LKW-Anhänger auslaufenden Gefahrstoffe ist noch nicht bekannt. Und die Unfallstrecke liegt im Wald. Da ist die Gefahr der Ausbreitung eines Brandes bei der Entzündung eines eventuell explosiven Gemisches besonders hoch. Der Gefahrstoffzug rückt an. Die Fahrzeuge nehmen in sicherem Abstand zum Unfallort ihre Position ein: Aus Dockweiler: Gruppenführer Dieter Reichertz mit sechsköpfiger Besatzung im so genannten "Deko"-Fahrzeug. Das steht für Dekontamination und meint die Entgiftung von Kleidung und Geräten. Aus Dreis kommt der Gerätewagen Atem- und Strahlenschutz (GWAS) mit Gruppenführer Ralf Ullrich und Besatzung. Aus Daun sind Gruppenführer Manfred Hommes mit Mannschaft, dem Gerätewagen Gefahrgut (für aggressive Substanzen) sowie Zugführer und Einsatzleiter Thomas Risch mit dem Einsatzleitfahrzeug zur Stelle. Aus Birgel sind Gruppenführer Klaus Finken mit Mannschaft und Messfahrzeug sowie aus Jünkerath die dem Gefahrstoffzug angegliederte ABC-Komponente herbeigeeilt. Mittlerweile ist es fast dunkel, daher wird rasch künstliche Beleuchtung installiert. Den hohen Fahrzeug-, Geräte- und Personalaufwand spiegeln die Arbeitsabläufe des Gefahrstoffzuges wider. Dazu erklären Feuerwehrfachberater Wolfgang Naujok und Klaus Finken, dass sich immer zuerst diese Frage stellt: Um welchen Stoff handelt es sich? Sie erläutern das Vorgehen: "Nach den Erstmaßnahmen durch die zuerst alarmierte Freiwillige Feuerwehr (Menschenrettung, Absperren der Unfallstelle und Aufbau der Löschwasserversorgung) wird ein Zwei-Mann-Trupp in Vollschutz losgeschickt, um am Gefahrenort eine möglicherweise vorhandene Gefahrgut-Kennzeichnung abzulesen, Messungen vorzunehmen und Stoffproben zur Auswertung zu entnehmen. Denn erst durch schnelle aufschlussreiche Ergebnisse sind korrekte Folgehandlungen möglich." Nach der Rückkehr wird der Trupp sofort dekontaminiert. Die Bedeutung des Gefahrstoffzuges innerhalb der Struktur der Freiwilligen Feuerwehren im Kreis beschreibt Zugführer Thomas Risch aus Daun so: "Der Gefahrstoffzug ist die Hauptschlagkraft." Kleineinheiten ergänzen Gefahrstoffzug bei Bedarf

Daneben sind im Kreis weitere Komponenten vorhanden: So hat jede Verbandsgemeinde einen Gefahrgutwagen zur Bekämpfung von nicht aggressiven Flüssigkeiten wie Öl sowie Messkoffer. Ferner hält der Kreis noch einige Fahrzeuge und Geräte zur Ölbekämpfung auf Gewässern vor. All diese Einheiten können darüber hinaus in einem größeren Einsatz den Gefahrstoffzug mit Mannschaft und Gerät ergänzen. So sieht es das Gesamtkonzept vor, das nach Angaben der Wehrleute in dieser Form und Organisation einzigartig im Land Rheinland-Pfalz ist. Die Besatzungen des Gefahrstoffzuges und die der anderen Komponenten haben mehrere Lehrgänge in Sachen Chemie- und Strahlenschutz absolviert. Zugführer Risch betont: "Fortlaufende Weiterbildung, auch zur Stabilisierung der Zusammenarbeit, sind auf diesem hoch verantwortungsvollen aber ehrenamtlichen Aufgabengebiet zum Schutz für Mensch, Umwelt und zum Selbstschutz der Einsatzkräfte unerlässlich." Das meinen auch die Berater, die mit dem Ablauf der knapp zweistündigen, aufwändigen Übung zufrieden sind.

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