Damit Kranke wieder Perspektiven haben

DAUN. Aus einem Knappschaftssanatorium entstand vor 20 Jahren eine Fachklinik für Alkohol- und Medikamenten-Abhängige. Mehr als 10 000 Menschen wurden seither in den Kliniken Daun/Am Rosenberg therapiert. Heute werden auch psychosomatische Erkrankungen und Depressionen in Daun behandelt.

"Die Menschen, die heute zu uns kommen, sind ernsthafter erkrankt als noch vor Jahren", sind sich Chefarzt Walter Roeb-Rienas und der Leitende Psychologe Peter Missel einig. Beide Experten ziehen eine kritische Bilanz der gesellschaftlichen Zustände, die zu den Krankheitsbildern beitragen, die in den Kliniken Daun/Am Rosenberg behandelt werden: "Früher mangelte es im Bereich der Psychosomatik den Patienten eher an Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Aber die Menschen hatten noch die Kompetenz, selbst den Weg zu uns zu finden. Heute werden sie eingewiesen, sie sind tiefer beeinträchtigt." In der Klinik Am Rosenberg, die mit den Schwesterkliniken Thommener Höhe bei Darscheid und Altburg bei Schalkenmehren zusammenarbeitet, sollen die Patienten mit therapeutischer Hilfe nach einem Jahr wieder ohne Suchtmittel leben lernen. Doch etliche ehemalige Patienten halten auch nach ihrer Therapie freiwillig Kontakt zu der Dauner Einrichtung und kommen beispielsweise zu Ehemaligen-Treffen. "Viele Patienten kommen auch als Touristen in die Eifel zurück", weisen Chefarzt Roeb-Rienas und Psychologe Missel auf die wirtschaftliche Zugkraft der Kliniken hin. "Allein die Patienten schlagen mit 55 000 Übernachtungen zu Buche, hinzu kommen 5000 Übernachtungen von Familienangehörigen sowie diverse Fachkongresse. Wir haben errechnet, dass die Patienten rund 50 Euro pro Woche in der Region lassen. Zudem werden unsere Häuser natürlich von den umliegenden Händlern mit Waren versorgt." Auch habe die Bevölkerung die Kliniken und die Patienten "voll akzeptiert". Ursprünglich gehörte die relative Abgeschiedenheit in der Eifeler Natur zum Heilungskonzept für Suchtkranke, die ihrem Umfeld eine Weile entzogen werden sollten. Heute erstreckt sich der Radius, aus dem die Patienten kommen, auf maximal 200 Kilometer um Daun, die Therapie ist wohnortnäher geworden. 90 Betten sind für Alkohol- und Medikamentenabhängige reserviert, weitere 70 stehen für psychosomatisch Kranke zur Verfügung. Besonders bei Alkoholsüchtigen dauere es oft lange, bis sie sich in einer Klinik heilen lassen. Oft vergingen bis zu zehn Jahre, bevor die Süchtigen dazu bereit wären, erläutern Roeb-Rienas und Missel. Der Beginn der Krankheit sei meist mit einem konkreten Erlebnis wie Scheidung oder Arbeitslosigkeit verbunden. Anders bei der Psychosomatik: Solche Krankheitsbilder entwickelten sich allmählich vor dem Hintergrund eines zunehmend komplizierter werdenden Problemfelds. Ein nebenberufliches Studium ermöglicht den Ärzten und Psychologen das Eifeler Verhaltenstherapie-Institut (EVI) in Daun mit angeschlossener Ambulanz, das von den drei Dauner Fachkliniken 1995 gegründet wurde. Eine neue Abteilung für die berufliche Reintegration wurde ebenfalls aufgebaut. "Es gehört zur Therapie, eng mit den Familienangehörigen zusammenzuarbeiten, aber auch mit der Arbeitsverwaltung, privaten Jobvermittlern und regionalen Arbeitgebern", erklärt der Chefarzt. Das Ziel, vernünftige und alltagstaugliche Lebensentwürfe während des Klinikaufenthalts (bei Sucht drei Monate; bei Psychosomatik sechs Wochen) zu finden, werde oft sogar dauerhaft in der Eifel erreicht. Roeb-Rienas: "Nicht wenige Patienten haben nach entsprechenden Praktika oder Belastungserprobungen bei Firmen vor Ort eine Anstellung gefunden und ihr Leben hier neu geregelt."

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