"Dann könnt ihr mich mal"

Gerolstein · SPD-Fraktionsvorsitzender und Bauausschussmitglied Herbert Lames, zugleich Inhaber einer Baufirma, bezichtigt Stadtspitze und Verwaltung, seine Firma bewusst zu schneiden. Auslöser sind Restaufträge bei der Sanierung des Alten Rathauses. An den Hauptarbeiten war Lames\' Firma maßgeblich beteiligt. Lames überlegt, seine politischen Ämter niederzulegen und seine Firma in Gerolstein abzumelden.

Eklat in der Bauausschusssitzung: Ausschussmitglied Herbert Lames, dem zugleich die Firma Lames-Bau in Gerolstein-Roth mit derzeit acht Mitarbeitern gehört, schimpft: "Vier Firmen werden angeschrieben, wir nicht. Scheinbar hat man mit der Firma Lames hier in der Stadt ein Problem."

Und er droht: "Ich kann auch anders und meinen Betrieb in Gerolstein abmelden. Dann könnt ihr mich mal." Vor allem Bauamtsleiter Klaus Jansen hat er im Visier. Lames zetert: "Es ist eine Unverschämtheit, dass Sie im Rathaus sagen, mit der Firma Lames könne man nicht arbeiten." Dann steht er auf und verlässt den Saal.

Jansen reagiert prompt auf die Anschuldigungen und erklärt: "Nach EU-Recht ist es so: Wer mit Vorarbeiten beziehungsweise der Meinungsbildung oder Beschlussfassung zu einem Projekt befasst war, darf nicht am Wettbewerb teilnehmen." Auf den Einwand eines Ausschussmitglieds, dass das bislang nie so strikt gehandhabt wurde, entgegnet er: "Dann ist das in der Vergangenheit etwas anders behandelt worden."
Und er fügt hinzu: "Ansonsten werde ich mich in öffentlicher Sitzung nicht zur Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit von Firmen äußern."

Was war geschehen? Im Ausschuss ging es um die Vergabe von Restarbeiten bei der Sanierung des Alten Rathauses. Ein Posten: die Herstellung eines Plattenbelags für die Terrasse zwischen Naturkundemuseum und Altem Rathaus. Und dafür ist die heimische Firma Lames nicht angeschrieben und um Abgabe eines Angebots gebeten worden.

Dabei hat die Firma während der mehrjährigen Sanierung von Museum und Rathaus gleich eine Vielzahl von Aufträgen von der Stadt in Höhe mehrerer 10 000 Euro erhalten - einige davon auf Stundenlohnbasis und ohne Einholen von Alternativangeboten. Doch genau deswegen und wegen der damit einhergehenden Kostenexplosion ist die Stimmung in den städtischen Gremien gerade unten, der Aufklärungsbedarf hoch. So waren der Abriss des Zwischentrakts und die Sanierung des Alten Rathauses mit 215 000 Euro kalkuliert, die Gesamtkosten belaufen sich aber auf fast 350 000 Euro.May: Ausmaß unterschätzt

Stadtbürgermeister Bernd May (parteilos) begründet die Mehrausgaben mit Zusatzarbeiten und vor allem den vielen Aufträgen auf Stundenlohnbasis. Er sagt: "Für viele Arbeiten wie der Abriss des Zwischentraktes und das Einreißen von Mauern wurden überhaupt keine Komplettangebote abgegeben, sondern nur Angebote auf Stundenlohnbasis. Denn keiner wusste: rutscht der Hang nach, wie viel muss gemauert oder betoniert werden. Und dabei kam es dann letztlich zu einem deutlichen Mehraufwand."

Lames wiederum will sich nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen. Er sagt: "Es war doch die Idee der Stadt: Macht dieses und jenes noch mit, wir rechnen dann auf Stundenlohnbasis ab. Bei den Zwischenabrechnungen war für die Stadt noch alles in Ordnung, nur bei der Endabrechnung scheint es nicht mehr zu passen."

Stadtbürgermeister May sagt zwar, "dass wir nicht gedacht haben, dass es solche Ausmaße annimmt". Er ist aber trotzdem mit dem Gesamtergebnis zufrieden. Er sagt: "Das gesamte Areal kann sich sehen lassen, und nur durch die Sanierung wurde es möglich, einen privaten Betreiber fürs Naturkundemuseum zu gewinnen, wodurch die Stadt jährlich 40 000 Euro weniger Beitrag für die TW (Tourismus- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Anm. d. Red.) zu zahlen hat. Das darf auch nicht vergessen werden".

Zudem sei die finanzielle Lage gar nicht so schlecht, da die bei der Sanierung des Wasserturms eingesparten Kosten von 135 000 Euro auf die beiden Folgeprojekte übertragen werden konnten. May: "Wir haben sogar noch 14 000 Euro zur Verfügung. Das ist bislang aber nie berücksichtigt worden."

Eine Anweisung, die Firma Lames nicht mehr zu berücksichtigen, habe er nicht erteilt. Vielmehr sagte er: "Ich halte mich aus den Ausschreibungen raus, und zweifle auch nicht an der Leistungsfähigkeit der Firma."
Lames ist trotzdem erzürnt und sagt: "Wenn ich mich künftig aus allen Bauangelegenheiten raushalten soll, brauche ich nicht mehr im Ausschuss und im Stadtrat zu sitzen, sondern werde die Ämter schon bald aufgeben. Dann sollen das alles Lehrer und Beamte anstatt Fachleute machen." Auf die Frage, ob die Drohung mit dem Umzug der Firma ernst gemeint sei, meinte er: "Mein Steuerberater hat den Auftrag, das zu prüfen."Meinung

Lückenlos aufklären
Warum sitzen im Schulausschuss so oft Lehrer, im Bauausschuss Architekten, Bauunternehmer, Makler? Weil sie sich in der Materie auskennen. Das ist, solange die Trennung zwischen Legislative (Rat, Ausschuss) und Exekutive (Bürgermeister, Verwaltung) strikt gezogen wird, auch okay. Denn es passt nicht, wenn einerseits gewünscht ist, dass die Kommunen so vom kostenlosen Expertenwissen profitieren, andererseits die Fachleute bei Aufträgen von vornherein ausgeschlossen werden. Denn letztlich bestimmt nicht ein Einzelner, sondern das Gremium. Und die Kommune muss ohnehin das wirtschaftlichste Angebot auswählen. Auf einem anderen Blatt steht die Frage nach der Kostenexplosion bei der Sanierung des Alten Rathauses: Da muss lückenlos von der Stadt dargelegt werden, wie es dazu kommen konnte. m.huebner@volksfreund.de

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