"Das Volk soll den Bürgermeister wählen"

Gerolstein · Wer wird am 19. September Nachfolger von Karl-Heinz Schwartz, der als Stadtbürgermeister von Gerolstein zurückgetreten ist? Mit den beiden freien Bewerbern hat TV-Redakteur Mario Hübner gesprochen. Heute lesen Sie das Interview mit Knut Wichmann.

(mh) Im TV-Interview äußert sich Knut Wichmann zu den Beweggründen seiner Kandidatur als freier Bewerber, der politischen Kultur in Gerolstein und den zentralen Projekten Kindergarten und Bahnhof.

Herr Wichmann, warum haben Sie sich beworben?

Knut Wichmann: Ich war schon immer politisch aktiv, und nachdem abzusehen war, dass die Parteien keinen Kandidaten finden, habe ich mich entschlossen. Ich bin der Meinung, dass das Volk, der Souverän, den Bürgermeister wählen soll. So war aber zu befürchten, dass es die große Koalition von SPD und CDU im Rat unter sich ausmacht. Auch die Personalunion Verbands- und Stadtbürgermeister lehne ich ab. Letztlich war die Pauly-Aussage, dafür zur Verfügung zu stehen, für mich ausschlaggebend.

Welche inhaltlichen Gründe spielten eine Rolle?

Wichmann: Ich will, wie zu meiner Zeit als Gerolsteins SPD-Vorsitzender, dass die Politik wieder auf die Leute zugeht und mit ihnen spricht. Und das nicht erst vor einer Wahl. Das vermissen die Leute.

Sie sind nach wie vor SPD-Mitglied. Weshalb treten Sie nicht als SPD-Kandidat an?

Wichmann: Die Partei hat sich nicht gerührt, da war nichts zu wollen. Außerdem hatte Vorsitzender Hermann Lux meines Wissens zwischenzeitlich Ambitionen.

Ist es nicht eher so, dass Sie für viele Genossen nach der heftigen Auseinandersetzung mit dem damaligen SPD-Stadtbürgermeister Georg Linnerth nach wie vor ein rotes Tuch sind?

Wichmann: Den damaligen Vorwurf, ich hätte einen anonymen Brief verfasst (in dem Georg Linnerth verunglimpft wurde, Anmerkung der Redaktion), weise ich von mir. Fakt ist: Es gibt einen Beschluss des Amtsgerichts, der Vorwurf ist nicht haltbar. Damit sollte die Sache Schnee von gestern sein.

Gerade wegen Anfeindungen, so wird vermutet, ist Karl-Heinz Schwartz zurückgetreten. Wie bewerten Sie seinen Abgang?

Wichmann: Ich glaube nicht, dass die Angriffe von BUV und Grünen der einzige Grund für den Rücktritt waren. Ich denke eher, dass Karl-Heinz Schwartz in der Verwaltung keinen leichten Stand hatte. Ich habe jedenfalls nicht damit gerechnet.

Fakt ist aber, dass in der Gerolsteiner Stadtpolitik seit geraumer Zeit ein rauer Umgangston herrscht. Wie wollen Sie die politische Kultur verbessern?

Wichmann: Mit meiner Kandidatur als freier Bewerber. So bin ich unabhängig und biete weniger Angriffsfläche. In der Stadtpolitik herrschte schon allein deswegen eine gereizte Stimmung, je nachdem von welcher Partei sich einer meldet. In der Kommunalpolitik aber sollte es nur auf die Sachargumente ankommen.

Wie wollen Sie diese Rückbesinnung hinbekommen?

Wichmann: Indem ich mich für einen offenen, fairen und transparenten Umgang miteinander einsetze. Ich bin überzeugt, dass es in Gerolstein viele Leute gibt, die Ideen haben und sich zum Wohl ihrer Heimatstadt einbringen wollen. Denen will ich neuen Mut schenken. Immerhin habe ich auch bei der Bundeswehr maßgeblich daran mitgearbeitet, für rund 70 000 Soldaten ein Leitbild aufzustellen. Da muss man kommunikative Fähigkeiten besitzen und die Leute zur Mitarbeit motivieren können.

Zu konkreten Projekten: Was sagen Sie zum Kindergarten-Dilemma?

Wichmann: Es ist Sache der Politik und nicht der Verwaltung oder des Landesrechnungshofs, Entscheidungen zu treffen. Also: Wenn es politisch so gewollt und beschlossen ist, so einen Kindergarten zu bauen, dann muss man auch dazu stehen. Und wenn ich einen großen Bewegungsraum möchte, weil sich die Kinder darin besser entfalten können, dann muss mir von vornherein klar sein, dass der eben mehr kostet. Wenn Gerolstein lebenswert und familienfreundlich sein will, dann muss die Stadt dafür auch Geld ausgeben. Der Baustopp ist für mich daher unverständlich.

Für Sie ist also nichts schiefgelaufen?

Wichmann: Doch. Die Sache war von Anfang an nicht transparent genug. Es hätte von vornherein besser vorbereitet werden müssen. Mit konkreten Zahlen. Zudem wäre eine Bürgerversammlung im Vorfeld zwingend notwendig gewesen. Nur dann hätte man gesehen, ob die Bevölkerung eine solch große Investition mitträgt. Da muss sich jedes Ratsmitglied fragen, ob es seiner Verantwortung gerecht geworden ist.

Wo sehen Sie weiteren Handlungsbedarf?

Wichmann: Beim Erscheinungsbild Gerolsteins, insbesondere beim Bahnhof. Gerolstein war immer eine stolze Station, jetzt verfällt sie seit Jahren, und keiner tut etwas dagegen.

Wären Sie bereit, für eine Sanierung von Bahnhof und Bahnhofsumfeld weitere Schulden aufzunehmen, obwohl Gerolstein bereits bis über beide Ohren verschuldet ist?

Wichmann: Der Bahnhof ist es wert, weitere Schulden aufzunehmen. Es ist in Bezug auf die Nachbarstädte das Alleinstellungsmerkmal.

Worin sehen Sie Ihre Stärken?

Wichmann: Ich bin geduldig und führe Dinge konsequent zu Ende.

Und wo liegen Ihre Schwächen?

Wichmann: Manchmal bin ich ein Träumer, ein Romantiker - falls das überhaupt als Schwäche anzusehen ist. Zur Person Knut Wichmann ist 56 Jahre alt, war zweimal verheiratet und ist seit gut zwei Monaten Witwer. Er hat einen 32-jährigen Sohn. Der gebürtige Heidelberger ist SPD-Mitglied, war rund zehn Jahre Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Gerolstein und Mitglied im Verbandsgemeinderat. Vor seiner Pensionierung 2006 war der Oberstleutnant stellvertretender Kommandeur der Gerolsteiner Fernmelder und Kasernenkommandant in der Eifelkaserne. (mh)

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