"Das war ein schlechtes Geschäft"

Wittlich/Kelberg · Das Amtsgericht Wittlich hat das Verfahren gegen drei Männer aus der Verbandsgemeinde (VG) Kelberg wegen versuchter räuberischer Erpressung eingestellt. Sie hatten einen Kunden besucht, um Schulden einzutreiben. Weil es sich um eine Art Selbstjustiz handelt, wurde der Hauptangeklagte zur Zahlung eines Geldbetrages zugunsten eines sozialen Zwecks verurteilt.

Wittlich/Kelberg. Er ist eine imposante Person, auch wenn er nicht riesig ist. Seine laute tiefe Stimme verleiht ihm zusätzliche Autorität. Wenn der 58-Jährige - statt im Amtsgericht Wittlich zu sitzen - vor einem steht, seinen Gehstock in der Hand, und sich warm geredet hat, kann man sich vorstellen, dass er bedrohlich wirken kann. Vor allem, wenn er etwas verlangt und mit beiden Söhnen anrückt.
Und das tat der Handwerksmeister im November 2013 in der VG Kelberg. Geld wollte er. Geld, das ihm zustand, weil er im Mai seine Leistung erbracht hatte, sein Kunde die Rechnung in Höhe von 330 Euro jedoch nicht bezahlte. Obwohl der mitangeklagte Sohn (28), der mit im Betrieb arbeitet, zwei Mahnungen geschrieben, mehrmals angerufen, Monatsraten angeboten und ein Inkassounternehmen beauftragt hat. Kein Einzelfall: Staatsanwalt Wolfgang Spies weiß von weiteren Zahlungsschwierigkeiten.
Die Staatsanwaltschaft Trier hatte den drei Angeklagten versuchte räuberische Erpressung vorgeworfen. Laut Anklage sei der 58-Jährige mit seinen 26 und 28 Jahre alten Söhnen gegen den Widerstand des Kunden in dessen Haus in Kelberg eingedrungen und habe ihn dabei an der Hand verletzt.
Er soll zudem seinem Schuldner mit einem Gehstock gedroht und verlangt haben, die Rechnung zu bezahlen oder Sachwerte herauszugeben. Und er soll gesagt haben: "Wir kommen in einer Woche wieder. Wenn Du dann nicht zahlst, dann stehst du nicht mehr auf!"
Das sei ganz anders gewesen, behaupten die Angeklagten. "Ich war mit keinem Finger an dem Mann dran", sagt der Vater. Das Krankenhaus habe auch keine Verletzung feststellen können. "Wir haben nicht gedroht", ergänzt der jüngste Sohn. "Wir waren relativ freundlich", meint sein älterer Bruder. Als sie auf einer Heimfahrt beim Kunden vorbeigekommen sind, hielten sie an. "Mein Vater sagte, wir sollen mit reingehen und schauen, wie die von unserem Geld leben", sagt der 26-Jährige. "Und die leben richtig gut."
Der Vater erzählt: "Ich dachte, die leben in ärmlichen Verhältnissen, weil sie die Rechnung nicht zahlen konnten. Dann kommste da rein in so eine große Protzhütte mit Computer und so einem Fernseher." Er streckt beide Arme weit aus, um die Größe des Bildschirms zu verdeutlichen. "Die leben wie die Made im Speck und können die 330 Euro nicht bezahlen." Er habe gedacht, da müsse er ein bisschen Druck machen. Schließlich arbeite er 14 bis 16 Stunden am Tag, "und dann kriegen wir dafür nichts". Er habe vorgeschlagen, den Fernseher mitzunehmen, wenn er nicht zahlen könne, sagt der Vater, der nicht nur beim Kundenbesuch, sondern auch beim Prozess das Gespräch führt. Er habe gehofft, dass der Kunde ihm eine Ratenzahlung vorschlage. Stattdessen sei die Frau aus dem Zimmer gelaufen und habe die Polizei angerufen. Daraufhin hätten sie das Haus verlassen. "Warum meinen Sie, haben die die Polizei gerufen?", wollte Staatsanwalt Spies wissen. "Vielleicht hatten die Angst um ihren Fernseher", vermutet der 58-Jährige.
"Nach meinem Ermessen war das versuchte Nötigung", fasst Spies zusammen. "Sie hatten einen Anspruch auf das Geld, Erpressung war das nicht." Und auch keine Drohung im Sinne des Strafrechts. "Aber Sie können nicht hinfahren und Druck machen, das ist Selbstjustiz. Schulden werden anders eingetrieben." Etwa mit einer Klage, schlägt Spies vor. "Wir sind dafür zuständig, so etwas zu regeln. Wenn Sie das einsehen, ist es gut."
Spies stellt den Antrag, das Verfahren gegen alle drei einzustellen. Dem stimmen Richter Stefan Ehses und die beiden Schöffen zu und schicken die Zeugen ungehört wieder weg. Den Vater erhält jedoch eine Geldauflage wegen Verletzung des Gewaltmonopols: 350 Euro für einen gemeinnützigen Zweck. Inzwischen hat der Handwerker den Rechtsweg eingeschlagen und gegen den Kunden geklagt. Er sagt: "Ich habe mein Geld. Es war trotzdem ein schlechtes Geschäft."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort