Den Blutsbanden auf der Spur

Daun · Erben geht erst, wenn die familiären Verhältnisse geklärt sind. Das kann Jahre dauern, und manche brauchen dafür Spezialisten. Der Dauner Heinrich Georg Ely ist so ein Experte. Er durchstöbert verstaubte Kirchenbücher, alte Register und arbeitet mit Korrespondenten in aller Welt zusammen.

Daun. Als die betagte Dame für immer ihre Augen schloss, hatte sie rund eine Million Euro auf ihrem Girokonto angehäuft. Weil sie ein Einzelkind und nicht verheiratet war, zudem keine Kinder hatte, gab es auf den ersten Blick niemanden, der sich auf die üppige Erbschaft hätte freuen können.
Ist kein Testament vorhanden - und das war in diesem Fall so - fließt das Gut wie das Blut: Erben erster Ordnung sind Kinder, Enkel und Urenkel. Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen folgen auf der zweiten Ebene. Leben keine leiblichen Nachkommen mehr, fällt die Erbschaft an den Staat.
Der muss sich Rechtssicherheit verschaffen. Deshalb prüfen Nachlassgerichte bei hohen Summen und unklaren Familienverhältnissen die Erbfolge sehr genau. Erst wenn die Erbengemeinschaft vollständig ist, wird der Nachlass freigegeben.
Im Fall der reichen Dame versuchte ein Nachlasspfleger sieben Jahre lang, die Verwandtschaftsverhältnisse zu klären. Er fand 13 Erbberechtigte in Deutschland. Und er fand heraus, dass im 19. Jahrhundert Verwandte der Verstorbenen in die USA ausgewandert waren. Über dem großen Teich verliefen seine Nachforschungen allerdings im Sande. Deshalb gab das Nachlassgericht die Erbschaft nicht frei.
Doch bei einer Million Euro gibt man nicht so schnell auf. Jemand aus der Erbengemeinschaft beauftragte deshalb den professionellen Erbenermittler Heinrich Georg Ely aus Daun mit der Spurensuche.
Ely, 34, hat sich gleich nach seinem Studium als Erbenermittler selbstständig gemacht. "Ich sah eine Marktlücke. Ich hatte in der eigenen Familie aus Interesse Ahnenforschung betrieben und hatte mit einem Geschichts- und Rechtsstudium die idealen Voraussetzungen für den Job." Ely hat gelernt, in alten Büchern zu recherchieren. Und er kann Altdeutsch lesen. Frühe Kirchenbücher und Standesamtsregister, zwei seiner wichtigen Quellen, sind in dieser Schrift verfasst.
Jahrelange Recherchen


Komplizierte Fälle lassen sich manchmal erst nach Jahren lösen. Und Honorar wird nur im Erfolgsfall bezahlt. "Wenn ich bei der Erbenermittlung an einem Punkt angelangt bin, dass mein Aufwand das mögliche Honorar übersteigt, stelle ich meine Nachforschungen normalerweise ein", sagt er. Nicht so bei der reichen Tante aus der Pfalz.
Ely arbeitet als freier Mitarbeiter mit der Erben-Ermittlung Emrich aus Adelsdorf in Bayern zusammen. Das Unternehmen hat in aller Welt Korrespondenten. So auch in Amerika. Parallel zu diesen Korrespondenten durchforstete Ely vom heimischen Schreibtisch in Daun im Internet. Jahrzehnt für Jahrzehnt arbeitete sich Ely im Stammbaum seines Auftraggebers zurück.
"Ich muss vor allem kombinieren können", sagt er. Sein Erfolgsrezept ist es, Zeitgeschehen in Verbindung mit Regionen und Menschen zu bringen.
Etwa 300 bis 400 Erbenermittler gibt es in Deutschland, schätzt er. "Der Bedarf wird steigen", lautet seine Prognose und er begründet seine Meinung mit "steigendem Alter in der Bevölkerung, zunehmender Mobilität der Menschen und komplexeren Familienverhältnissen durch immer mehr Scheidungen und uneheliche Kinder".
Auch nach solchen recherchierten Ely und die Korrespondenten. Sie fanden aber niemanden. In Amerika gab es keine weiteren Verwandten
Zwei Jahre hat Ely an dem Fall gearbeitet. Der Fall ist jetzt kurz vor dem Abschluss und der Erbenermittler geht davon aus, dass das Nachlassgericht die Erbschaft demnächst freigeben wird. Das würde für jeden der 13 Erben rund 50 000 Euro bedeuten. Dann hält der Staat noch seine Hände für die Erbschaftssteuer auf. Den größten Erfolg kann Ely für sich verbuchen: 25 bis 30 Prozent der Erbschaft sind im Erfolgsfall als Honorar in der Branche üblich. Das könnte ein lukrativer Auftrag für ihn gewesen sein. Doch die sind so selten wie reiche Tanten.Extra

Keiner ist verpflichtet, eine Erbschaft anzunehmen. Man kann sie auch ausschlagen - was bei Überschuldung ratsam ist. Doch die Fristen sind kurz: Sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall muss die Ausschlagung beim Nachlassgericht eingehen. Erben, die im Ausland leben, bleibt sechs Monate Zeit. Wer diese Fristen versäumt, muss die Schulden dennoch nicht erben. Denn es gibt immer noch die Möglichkeit einer Nachlassinsolvenz. In diesem Fall nimmt der Erbe an, doch Verbindlichkeiten werden nur bis zu der Höhe geleistet, wie der Nachlass Vermögen hergibt. Dann ist Schluss. Der Erbe haftet nicht mit seinem eigenen Vermögen für offene Verbindlichkeiten. PI

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