Gesundheitssystem Nachts bleiben die Praxistüren nun zu

Mainz/Gerolstein · Die Kassenärztliche Vereinigung macht ernst und reduziert den ärztliche Bereitschaftsdienst im Krankenhaus Gerolstein ab 1. Juli von 116 auf 37 Stunden.

 Der ärztliche Bereitschaftsdienst im Krankenhaus Gerolstein wird ab 1. Juli von 116 auf 37 Stunden reduziert.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst im Krankenhaus Gerolstein wird ab 1. Juli von 116 auf 37 Stunden reduziert.

Foto: TV/Mario Hübner

Die Kassenärztliche Vereinigung (KVR) macht wahr, was sie bereits angekündigt und wogegen die Kreisärzteschaft sowie die Kommunalpolitik massiv protestiert hat: Ab 1. Juli wird der ärztliche Bereitschaftsdienst im Krankenhaus Gerolstein drastisch reduziert, von bislang 116 auf 37 Stunden pro Woche.

Das hat die KVR in einem Rundschreiben nun kundgetan. Künftig ist die Bereitschaftsdienstpraxis besetzt: mittwochs von 14 bis 23 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags von 9 bis 23 Uhr. Außerhalb dieser Öffnungszeiten rät die KVR mobilen Patienten, die benachbarten Bereitschaftsdienststellen in Prüm oder Daun zu besuchen, die auch über Nacht geöffnet sind.

Für die medizinisch notwendige Behandlung immobiler Menschen vor Ort soll langfristig ein mobiler Hausbesuchsdienst aufgebaut werden. Im Schreiben der KVR heißt es: „Immobile kranke Menschen erhalten nach wie vor bei Bedarf Hausbesuche.“ Um den Personalmangel auf diesem Sektor zu beheben, werden die Bereitschaftsdienstzentralen „voraussichtlich ab dem nächsten Jahr von einem landesweit zuständigen Hausbesuchsdienst unterstützt“.

Zudem richtet die KVR einen Appell an die Patienten, vor einem Besuch zunächst stets den Patientenservice (Telefon 116117) anzurufen. Medizinische Fachkräfte würden dort zunächst eine Ersteinschätzung vornehmen und stellten so sicher, dass Patientinnen und Patienten in eine geeignete Versorgungseinrichtung gesteuert würden. Dadurch könnten sowohl Notaufnahmen der Krankenhäuser als auch der Ärztliche Bereitschaftsdienst entlastet werden.

Als Grund für die drastischen Einschnitte nennt die KVR einerseits den Ärtzemangel (rund 230 Hausarztsitze in Rheinland-Pfalz seien unbesetzt), andererseits seien die Bereitsschaftsdienstzentralen oftmals „wenig bis gar nicht ausgelastet“. Langfristiges Ziel sei es daher, den ärztlichen Bereitschaftsdienst „effektiver zu organisieren, indem diese nicht genutzten Arztarbeitszeiten in der Regelversorgung und in einem landesweiten mobilen Hausbesuchsdienst eingesetzt werden. Dazu müssen Öffnungszeiten von Bereitschaftsdienst-Praxen reduziert und dem Bedarf angepasst werden“.

Vor Ort sorgt diese Entscheidung, die sich bereits seit Wochen angebahnt hat, für massive Kritik. So sagte Manfred Rittich, Chefarzt Innere Medizin am Gerolsteiner Krankenhaus und Vorstand der Kreisärzteschaft, bereite gegenüber dem TV: „Die Strukturen im ländlichen Raum sind nicht zu vergleichen mit städtischer Umgebung. Der Versorgungsauftrag sollte auch immer zum Ziel haben, gleiche Lebensbedingungen zu schaffen.“ Gerade auf dem Land befürchtet er andernfalls eine weitere Überlastung der Notfallambulanzen in den Krankenhäusern.

Auch die SPD-Landtagsabgeordnete Astrid Schmitt ist verärgert: „Das ist eine drastische Einschränkung und ist nicht mit den vor Ort Verantwortlichen abgestimmt oder mit der Landesregierung kommuniziert.“

Man könne die massive Verschlechterung des Angebots in der Region Gerolstein nicht einfach hinnehmen. Aber als Land selbst eingreifen, etwa mit finanzieller Unterstützung, könne man ebenso wenig. Der Landesrechnungshof habe deutlich gemacht, dass eine Finanzierung des Bereitschaftsdiensts durch das Land nicht zulässig sei.

Irmgard Dunkel, Erste Beigeordnete der Stadt Gerolstein, die derzeit die Geschäfte des erkrankten Stadtbürgermeisters Uwe Schneider übernommen hat, ist ebenfalls verärgert und enttäuscht. Sie sagt: „Über diese Entscheidung sind wir natürlich alles andere als glücklich. Wir hatten gehofft, mit unserer Resolution die Entscheidung noch verhindern zu könnne, aber das war offensichtich vergeblich.“

Sie befürchtet durch die drastischen Einschnitte eine starke Mehrbelastung für die Notärzte: „Wen rufen die Leute denn an, wenn nachts mal was ist? Natürlich den Notarzt. Doch bei denen sieht es ja auch nicht rosig aus, die wenigen Notärzte machen schon extrem viele Schichten, trotzdem kann so mancher Notarztdienst jetzt schon nicht mehr besetzt werden.“

Sie habe gehofft, dass durch die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie „alle erkannt hätten, wie wichtig eine gute Gesundheitsversorgung auch des ländlichen Raums ist. Aber das ist wohl auch nicht der Fall“. Für sie ist klar: „Von gleichwertigen Lebensbedingungen zwischen Stadt und Land kann hier niemand mehr sprechen, die schlechtere Gesundheitsversorgung wird auf dem Rücken der ländlichen Bevölkerung ausgetragen.“

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