Der "Bonsai-Professor" aus der Eifel

Alflen · Fragt man im Eifeldorf Alflen (Verbandsgemeinde Ulmen) Einheimische nach Jörg Derlien, dann hört man oft: "Ach das ist doch der, der die kleinen Bäumchen hat." Stattet man dem mit den kleinen Bäumchen dann einen Besuch ab, erfährt man schnell, was in Alflen viele nicht wissen: Jörg Derlien gestaltet Bonsai-Bäume.

Alflen. Der echte Alfler Jung befasst sich mit Bonsais auf einem künstlerischen Niveau, das ihm in Fachkreisen ein ganz besonderes Renommee verschafft und ihn europaweit bekanntgemacht hat - halt nur nicht in seinem Heimatort.
Nun muss man ehrlich fragen: Wer weiß denn schon, was sich wirklich hinter dem Gestalten und Schaffen von Bonsai verbirgt? Derlien weiß es: "Für mich ist das Kunst und das schönste Hobby auf der Welt. Ich forme aus ganz normalen Pflanzen, aus Gestrüpp oder Büschen wie Wachholder und Kiefer kleine Kunstwerke aus der Natur. Ich vergleiche das schon mal mit dem Malen eines Bildes."
Und inzwischen bewegt sich der 45-jährige Grafiker und Mediengestalter in der europäischen "Bonsai-Profiliga". Aber bis dahin war es ein langer Weg. "Meine erste Begegnung mit einem Bonsai hatte ich 1990 auf einem Flohmarkt im friesischen Jever. Solch ein Stück Natur im Miniformat hat mich sofort fasziniert. Ich war begeistert, Bäume, die eigentlich 20 bis 30 Meter groß werden, in ganz klein und dann noch in einer Schale zu sehen", erinnert er sich. Auch wenn seine ersten eigenen Versuche gründlich danebengingen, er war vom Bonsai-Virus infiziert und gab die Hoffnung nicht auf.
Ein Glückfall für ihn war der Cochemer Jürgen Zaar, der damals schon ein Meister im Gestalten der Zwergbäumchen war. "Die Zeit in seiner Schule war hart, sehr hart. Aber es hat Spaß gemacht, und ich habe unheimlich viel von Jürgen gelernt", so Derlien. Und wie er gelernt hat. Er begleitete seinen Lehrmeister auf Reisen beispielsweise nach Frankreich, Polen und Tschechien und wurde selbst immer besser. "Dann hat mich Jürgen ermuntert, an nationalen Wettbewerben teilzunehmen, weil er in mir das Potenzial sah, dort etwas zu reißen." Und tatsächlich, er gewann und wurde im Jahr 2005 vom Deutschen Bonsai-Club als Vertreter Deutschlands für den europäischen "New Talent Contest" in Arco am Gardasee nominiert. Und dort schaffte er das, was bis dahin noch nie und auch später keinem Deutschen mehr gelungen war - er gewann den Wettbewerb. "Selbst im Nachhinein kann ich das noch gar nicht richtig begreifen. Aber es war schon ein unglaubliches Glücksgefühl, sich gegen die besten europäischen Mitgestalter erfolgreich durchgesetzt zu haben."
Selbstverständlich sprach sich das schnell rum, und der Eifeler wurde zu einem begehrten Bonsai-Experten. "Irgendwie wurde alles dann zum Selbstläufer. Manche nennen mich scherzhaft sogar Bonsai-Professor", schmunzelt er. Aber der "Professor" ist gefragt. Er wird für Workshops gebucht, und fachspezifische Kongresse in aller Herren Länder sind für ihn neben seinem Beruf inzwischen selbstverständlich geworden. Besonders stolz ist Derlien darauf, dass ihn einer seiner weiteren Lehrer oft als Hilfe zu seinen Vorführungen mitnimmt. "Der Belgier Marc Noelanders zählt weltweit zu den besten Gestaltern. Er ist eine anerkannte Koryphäe, und er schätzt mich. Das hat schon was."
Aber Bonsai-Gestalten heißt nicht nur zu Hause mit weichgeglühtem Kupferdraht die kleinen Naturkunstwerke zu formen, sondern auch sich das Rohmaterial dafür zu beschaffen. "In speziellen Fachmärkten erhält man alles, was man will. Ich gehe aber lieber selbst im Freien auf die Suche nach der Yamadori, der Pflanze, die man direkt aus der Natur nimmt", so der "Europameister". Und das passt bestens zu seinem zweiten Hobby - dem Bergsteigen. "In der Kampfzone, das ist etwa die Lage zwischen 1300 und 2200 Metern Seehöhe, stecken die normalerweise großen Bäume nur zwei bis drei Monate in der Vegetationsphase. Dementsprechend klein und skurril sind sie dann auch. Genau das Richtige für mich."
Wohin genau er seine Erkundungstouren in die Alpen macht, verrät er jedoch nicht. "Das ist wie bei den Goldgräbern früher. Die haben ihre Fundstellen auch nicht preisgegeben", erzählt er verschmitzt. Das muss er auch gar nicht. Die Hauptsache ist, dass vielen Bonsai-Freunden die von ihm gestalteten Bonsai gefallen.

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