"Der regte sich über alles auf"

DAUN/GEROLSTEIN. Ein 72-Jähriger aus Gerolstein hat sich vor dem Dauner Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen. Der Rentner hatte zwei Jugendlichen, die "Klingelmännchen" an seinem Haus gespielt hatten, mit einem Luftgewehr in die Schultern geschossen. Er muss eine Geldbuße von 1500 Euro bezahlen.

Aufgeregte Alte? Foppende Jugendliche? Die wahrscheinlich zutreffendste Beschreibung des Vorfalls vom 6. August 2006 dürfte "eskalierender Nachbarschaftsstreit" sein. Das wurde in der Verhandlung allerdings so nicht klar, weil keine Zeugen und Opfer geladen worden waren, um die Prozesskosten so niedrig wie möglich zu halten. Der TV sprach anschließend mit den anderen Beteiligten. Verteidiger Hans-Josef Ewertz hatte dem Gericht nämlich im Vorfeld das Geständnis des Angeklagten angezeigt. Im Prozess sagte Ewertz: "Die Vorgeschichte muss berücksichtigt werden. Die Tat war der Schlussstrich unter eine mehr als ein Jahr dauernde Tyrannei des älteren Ehepaares durch die Jugendlichen." Sechs Mal sei in dieser Zeit die Polizei vor Ort gewesen, weil nachts gegen die Tür gehämmert wurde, absichtlich mit Mopeds Ruhestörungen verursacht wurden oder "nur" geklingelt wurde. Als Staatsanwalt Peter Holzknecht nach den Gründen forscht, räumt der pensionierte Postbeamte ein: "Alles fing an, nachdem ich mich beim Ordnungsamt über die ständig nachts bellenden Hunde der Nachbarn beschwerte." Die zwei Söhne der Nachbarn seien daraufhin die Anstifter zu den nächtlichen Belästigungen gewesen."Die ärgern sich so schön"

Der Angeklagte, der an einer großen Einfallstraße in der Innenstadt wohnt, behauptet: "In der besagten Nacht kamen sie neun Mal. Ich hatte wieder die Polizei verständigt, aber die kam erst, nachdem ich geschossen hatte" - und von den Opfern alarmiert worden war. Verteidiger Ewertz ergänzt: "Es war eine Meute von zehn Jugendlichen, die von einer Geburtstagsparty kamen und nach dem Motto provozierten ,Die ärgern sich so schön'." Der 72-Jährige gestand ein, "in Überreaktion" geschossen zu haben: "Ich wollte nur meine Ruhe." Er bedaure die Tat und habe sich bei den zwei Opfern entschuldigt. Der erfahrene Richter Hans Schrot setzte auf eine diplomatische Lösung des Verfahrens und fragte den Staatsanwalt, ob "es zu einer Verurteilung kommen müsse". Holzknecht zierte sich: "Es fällt mir schwer, das Verfahren einzustellen. Hätten die Jugendlichen anders gestanden, hätten sie ihr Augenlicht verlieren können."Stets auf Streit aus gewesen

Normalerweise seien drei Monate Freiheitsstrafe das mildeste Urteil. Mit "haarscharf an der Grenze" nickt Holzknecht die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldbuße von 1500 Euro ab. Richter Schrot erklärt: "Die Geldbuße ist ein Denkzettel. Mit einer Geldstrafe wären sie vorbestraft." Dem Angeklagten könne die extreme Nervenbelastung zugute gehalten werden. Allerdings legt Schrot nach: "Die Reaktion als solche kann nicht im Ansatz geduldet werden." Das sichergestellte Gewehr und die Munition bekommt der Angeklagte nicht mehr zurück. Aufatmen beim ehemaligen Nachbarn. Die Familie ist mittlerweile in einen anderen Stadtteil gezogen. Der Vater zweier Jugendlicher sagt: "Das ist gut, denn da leben ja auch noch jüngere Kinder in der Nachbarschaft." Der Angeklagte sei stets auf Streit aus gewesen, habe nachts auf dem Parkplatz gelauert, um die Jungen mit Knüppeln zu verprügeln. Seine Frau habe ihm dann sogar Kaffee gebracht. Er sagt: "Der regte sich über alles auf, und je mehr der sich aufregte, umso interessanter wurde es für die Jugendlichen." Die Mutter eines der zwei Opfer sagt rückblickend: "Die Jungs waren zu Tode erschrocken. Der Rentner ist eindeutig zu weit gegangen. Hätte der einen Eimer Wasser über sie gekippt, hätten wir als Eltern drüber gelacht." Ihr 17-jähriger Sohn ist mit den Nachbarjungen befreundet. Oft habe er über die Drohungen des Angeklagten an die Jugendlichen berichtet. Das andere Opfer, ein 18-Jähriger, berichtet: "Er hat stundenlang draußen gestanden und uns beobachtet. Manchmal kam er mit dem Besen raus, um uns zu verprügeln." Rückblickend sagt er: "Ich habe nicht damit gerechnet, dass er auf uns schießt. Bis dahin hat er immer nur auf Vögel geschossen." Kurz nach dem Schuss hätten sich Schmerzen im Schulterblatt eingestellt. Die Verletzung sei restlos verheilt.

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