Der Rinderwahn und seine Folgen

Die Angst vor verseuchtem Rindfleisch hat Deutschland geschockt: Vor zehn Jahren trat der erste Fall von BSE in Schleswig-Holstein auf. 2001 war zum ersten Mal ein Tier in der Region betroffen. Inzwischen ist die Erkrankung auf dem Rückzug. Eine Bilanz.

Bitburg/Daun/Wittlich/Trier. "Es war katastrophal damals", erinnert sich ein Landwirt aus dem Eifelkreis Bitburg-Prüm an den Tag des ersten deutschen BSE-Falls, den 24. November 2000. Er habe an diesem Tag Bullen an einen Metzger verkaufen wollen und sich vor dem endgültigen Verkauf noch zwei Stunden Bedenkzeit erbeten. Der Metzger hörte in dieser Zeit im Radio vom Ausbruch der Krankheit. "Er hat die Bullen nicht mehr gekauft", sagt der Landwirt. Ein weiteres halbes Jahr sei er noch auf seinen Tieren sitzengeblieben. "Die Hysterie war ohnegleichen."

Auch Günter Krämer kann sich noch an die ersten Monate der Krise erinnern. "Wir waren geschockt", erzählt der Landwirt und Stadtbürgermeister von Manderscheid (Kreis Bernkastel-Wittlich). "Denn keiner wusste genau: Wo geht's lang? Was wird geschehen?" Die Bedenken waren besonders groß, da die Familie erst ein Jahr zuvor in Ferienwohnungen investiert hatte, um Gäste auf den Bauernhof zu locken. Anfangs sei noch nicht sicher gewesen, ob der Gästebetrieb nicht untersagt werde, berichtet Krämer.

Zehn Jahre ist es inzwischen her, dass der erste originäre BSE-Fall Deutschland erschüttert hat. Ein Fall, der eine Vielzahl an Folgen mit sich brachte. Tausende Rinder wurden getötet. Als Vorsichtsmaßnahme. Auch in der Eifel. Dort wurde bei einem Tier im März 2001 BSE festgestellt. Als Konsequenz wurde der komplette Bestand gekeult.

Niemand weiß damals wie heute, wie sich BSE auf den Menschen auswirkt. Denn die Erkrankung, bei der das Gehirn degeneriert und eine schwammartige Struktur annimmt, gilt auch heute noch als ein möglicher Verursacher einer besonderen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit beim Menschen. Die Angst bei den Verbrauchern stieg damals. Der Rindfleischverbrauch sank, die Preise für die Tiere fielen drastisch. Nur Direktvermarkter und der Käsemarkt konnten von der Krise profitieren.

Ein Jahrzehnt danach hat sich für die Landwirte und Verbrauchern einiges wieder geändert. BSE ist aus den Köpfen der Menschen fast vollständig verschwunden, die Zahl der kranken Tiere kontinuierlich gesunken. In Deutschland wurden nach zwei Fällen 2009 in diesem Jahr erstmals keine Neuerkrankungen verzeichnet. Und auch jene bestimmte Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit ist in Deutschland bisher nicht aufgetreten. Dennoch werden in den Untersuchungsämtern weiter Proben von Rinderhirn und Rückenmark untersucht (siehe Extra).

An der Frage, ob die Vorsichtsmaßnahmen und die daraus resultierende Hysterie berechtigt waren, scheiden sich allerdings heute noch die Geister. "Wir Deutschen neigen dazu, immer alles zu überziehen", sagt Leo Blum, Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rhein-Nassau. Es sei wichtig, vorsichtig zu sein, aber die Hysterie sei richtig geschürt und die Bauern seien an den Pranger gestellt worden. Vernünftige Diskussionen seien teilweise gar nicht möglich gewesen. "Die BSE-Gefahr war schon erheblich. Die Fallzahlen sprachen für sich", erläutert hingegen Andreas Thielen, Amtstierarzt im Kreis Vulkaneifel. Zudem habe man damals nicht gewusst, welche Übertragungswege es tatsächlich gebe und ob die Krankheit auf den Menschen übertragbar sei. Thielen: "Vom Verfahren her war das berechtigt."

"Es ist schwer zu sagen", sagt Rudolf Heck von der Kreisverwaltung des Eifelkreises Bitburg-Prüm. Seiner Meinung nach hat die damalige "Aufgeregtheit" zu einer großen Sorgfaltspflicht geführt. "Vielleicht hat deshalb auch alles so gut funktioniert."

Rückblickend kann auch der Landwirt aus der Eifel die Reaktionen der Menschen nachvollziehen: "Von staatlicher Seite hätte ich mir nur mehr Unterstützung gewünscht", zieht er sein Resümee.

"Wir Landwirte konnten schließlich nichts dafür." extra BSE-Tests: Die Monitoring-Programme zur Überwachung der BSE-Erkrankungen laufen in der Europäischen Union weiter. Rinder werden noch immer getestet. Außerdem wird gefährliches Material wie Rückenmark und Gehirn aus der Nahrungskette entfernt. Auch das Verbot, Tiermehl an Rinder zu verfüttern, besteht weiter. Man werde die Untersuchungen vielleicht weiter herunterfahren können, erwartet Andreas Thielen, Amtstierarzt des Vulkaneifelkreises. Bereits jetzt werden nur noch verendete oder über 48 Monate alte Rinder getestet. Zu Beginn der BSE-Krise hatte diese Grenze zeitweise bei 18 Monaten gelegen. (hsc)

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