"Der Vormittag reicht nicht"

Zweiter Anlauf nach fünf Jahren: Die Realschule plus (ehemals Regionale Schule) Gerolstein will ab Schuljahr 2010/11 Ganztagsschule werden.

Gerolstein. Die Realschule plus in Gerolstein, die vor diesem Schuljahr noch Regionale Schule war, will ihr Angebot erweitern und ihr Profil schärfen: Es laufen die Vorbereitungen dafür, ab Schuljahr 2010/11 Ganztagsschule (GTS) zu werden. Rektor Günter Mehles, seit mehr als zehn Jahren Leiter der Schule, nennt die Gründe für den erneuten Anlauf, bei dem es diesmal klappen soll: "Immer mehr Schüler kommen zu uns und wünschen mehr Förderung und vor allem Hausaufgabenbetreuung. Zudem sagen uns die Betriebe, dass das Grundwissen in Deutsch und Mathe bei vielen Schülern verbessert werden muss. Das alles können wir nicht mehr leisten, der Vormittag reicht nicht."

Darüber hinaus behauptet Mehles: "Es setzt sich bei uns die Erkenntnis durch, dass wir auch die Erziehungsarbeit besser hinbekommen als so manches Elternhaus. Die wird bei bis zu 50 Prozent unserer Schüler zunehmend vernachlässigt."

Mehles betont zwar, dass das Ganztagesangebot auch nur eine Hilfestellung sein könne, aber zumindest die korrekte Erledigung der Hausaufgaben und die Förderung einzelner Schüler sei gewährleistet. Denn, und darauf legt Mehles samt seinem Kollegium großen Wert, "ausschließlich Lehrkräfte werden das übernehmen". Die zusätzlichen Arbeitsgemeinschaften, die am Nachmittag angeboten werden sollen, seien von nachrangiger Bedeutung. Zuvor sei für alle Ganztagsschüler Mittagessen in der Schule - auch das für so manchen Schüler in dieser Regelmäßigkeit keine Selbstverständlichkeit.

Hinter dem Wunsch, Ganztagsschule zu werden, stehen nach Auskunft des Rektors neben der Schulleitung auch das Kollegium, der Elternbeirat, die Schülervertretung und auch der Schulträger. Der aber müsste bei einer positiven Antwort auf den Antrag, der noch diesen Herbst auf den Weg gebracht werden soll, tief in die Tasche greifen. Weniger für die zusätzlichen Lehr- und Lernmittel oder den von der Schule als notwendig erachteteten Arbeits- und Rückzugsraum für Lehrer als vielmehr für eine alte Forderung, die Mehles wieder vorbringt: "Wir benötigen unbedingt eine neue Sporthalle."

Diese Forderung gab es auch schon vor fünf Jahren. Und nicht zuletzt, weil im Rahmen der Errichtung einer Ganztagsschule für solche Investitionen bis zu 70 Prozent Zuschuss gezahlt worden wäre, war der Schulträger so vehement dafür. Heute winken laut Mehles nur noch 50 Prozent.

Vor fünf Jahren hatten bei einer Befragung nur 37 Eltern Interesse am Ganztagsbetrieb gezeigt, 54 Anmeldungen wären erforderlich gewesen. Damals hatte Bürgermeister Matthias Pauly (CDU) als Vertreter des Schulträgers dies bedauert und zu großen Teilen auf "mangelnde Kommunikation und Information" zurückgeführt, aber sogleich angekündigt: "Der Schulträger wird nicht in seinem Bemühen nachlassen, die Vorteile der Ganztagsschule aufzuzeigen. Das Thema wird auf der Tagesordnung bleiben."

Aktuell läuft eine Elternbefragung. Bis kommende Woche sollen die Ergebnisse vorliegen und bei einem Elternabend ebenso wie das Ganztagsschulkonzept vorgestellt werden. Auch diesmal gilt: 54 Anmeldungen sind für den Antrag erforderlich, die Entscheidung trifft das Ministerium. Mehles gibt sich aber positiv: "Wir sind bei dieser Runde die einzige weiterführende Schule im Bereich Gerolstein, die Ganztagsschule werden will."

Meinung

Armutszeugnis

Der erneute Anlauf der Realschule plus in Gerolstein, Ganztagsschule zu werden, ist auch ein Hilferuf. Er zeichnet letztlich auch ein realistisches Bild für viele Schulen im Land und besonders auf dem Land. Lehrermangel, Stundenausfall in erheblichem Maß beziehungsweise Unterricht durch fachfremde Lehrer, aber auch zunehmende Erziehungsaufgaben (bei nach wie vor unzureichender pädagogischer Qualifizierung des Lehrpersonals) machen es immer schwieriger für die Schulen, ihrem Bildungsauftrag in der dafür vorgesehen Zeit am Vormittag nachzukommen. Ein Armutszeugnis. m.huebner@volksfreund.de

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