Die Angst sitzt tief

DAUN/WITTLICH. Mit obszönen Anrufen belästigte Dirk S. im Kreis Daun mehrere junge Frauen. Auch eine Bewährungsstrafe und ein Aufenthalt in der Psychiatrie brachte keine Einsicht. Bei einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich wurde er zu einem Jahr und zehn Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.

Ein hagerer Mann auf der Anklagebank und rund ein halbes Dutzend junger Frauen im Zeugenstand: Josef Thul, Amtsrichter in Wittlich, musste Licht ins Dunkel zahlloser Telefonattacken bringen, die der Angeklagte gegen die zum Teil immer noch verstört wirkenden Opfer geritten hatte. Eine Geduldsprobe, denn trotz eines Teil-Geständnisses fehlte Dirk S. offensichtlich jedes Mitgefühl für das, was er bei den Frauen angerichtet hatte. Eine der Belästigten war zur Tatzeit nicht einmal 14 Jahre alt war.Milde war nicht zu erwarten

Er sehe nicht ein, nochmal bestraft zu werden, beharrte der 25-Jährige immer wieder. Dass er durch seine erneuten Taten nach einer vom Amtsgericht Daun verhängten einjährigen Bewährungsstrafe für solche Vergehen keine Milde mehr erwarten konnte, schien er nicht zu begreifen.Die Verlesung der Anklage verlangte vom Staatsanwalt einiges an Fassung, denn die von den Opfern zu Protokoll gegebenen verbalen Entgleisungen ließen an sexueller Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.Opfer bricht in Tränen aus

Fast täglich wurden die jungen Frauen, meist Anfang zwanzig und bisweilen über seine Verlobte indirekt mit ihm bekannt, bis zu zwanzig Mal und mehr zu jeder Tages- und Nachtzeit mit den "perversen und widerlichen" Sprüchen und Gestöhn belästigt. Unruhe, das Vermeiden von Alleinsein oder abendlichem Ausgehen und Ängstlichkeit ist ihnen bis heute geblieben.Panik-Attacken, die medikamentös behandelt werden mussten, waren bei einigen die Folgen zur Tatzeit. "Ich wusste ja nicht, wer das war und was solch ein Mensch noch alles tut", schilderte eine Zeugin, die am Arbeitsplatz und daheim belästigt wurde und sich ständig beobachtet fühlte. Eine andere brach während der Aussage angesichts der unheimlichen Erinnerungen in Tränen aus. S. warb um Verständnis: "Das war wie eine Sucht, es war mir egal, wer das war oder wie sie aussah, es ging um die Stimme." Er habe "Scheiße gebaut, doch nun muss es gut sein", war sein Appell an das Gericht, ihn nicht erneut zu bestrafen.Doch das Wissen um sein Suchtverhalten hielt ihn auch während seiner dreimonatigen Therapie in der Gerolsteiner Psychiatrie nicht von weiteren beleidigenden Anrufen ab.Ebensowenig wie die Kontrolle durch seine Eltern oder die Tatsache, dass er selbst von der Polizei das Handy abgenommen bekommen hatte und über keinen Festnetzanschluss mehr verfügte. Die Nummern der Opfer speicherte er in ein neues Mobiltelefon. Eine vorgesehene sechsmonatige Intensivtherapie in der geschlossenen Psychiatrie in Wittlich hielt er für überflüssig und leugnete alle Anrufe nach seiner Einlieferung in Gerolstein.Die überzeugenden Aussagen der Opfer und die neuen Erkenntnisse der Polizei brachten schließlich die Wende im Prozess und ein volles Geständnis des Angeklagten. Ihm konnte nachgewiesen werden, dass er noch in jüngster Zeit Frauen per Telefon sexuell massiv belästigt und damit schon vor drei Jahren begonnen hatte.Die Verlobte des Angeklagten, die laut Polizei sieben Handys angemeldet hatte, intervenierte aus dem Publikum, um Dirk S. zu helfen.Keine Entschuldigung bei den Frauen

Doch solche Unterstützung wirkte erst recht negativ, ebenso das Fehlen echter Reue des Angeklagten, der keine Frau um Verzeihung bat."Ihr ganzes Reden kreist nur um Ihr eigenes zartes Ego", wies der Richter ihn zurecht. Im Kern sei jeder Anruf eine Körperverletzung gewesen.Da die Therapie keine Änderung bewirkt hat und die Aussetzung zur Bewährung der vorherigen Strafe hinfällig ist, kommt auf Dirk S. zusammen mit dem jetzigen Urteil von einem Jahr und zehn Monaten Haft ohne Bewährung, das weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgte, eine Haftzeit von knapp drei Jahren zu. Wichtig sei, so das Fazit des Richters, dass selbst im Falle eines Geständnisses Zeugen gehört werden. Nur auf diese Art und Weise könne man nachvollziehen, was mit den Opfern tatsächlich geschehen sei. sts/sn

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