Die Herrscherin der Sonnenkugel

Agnes Fischbach (70 Jahre) aus Weißenseifen hat über viele Jahre so kuriose Geräte wie einen Sonnenscheinschreiber in ihrem Garten gehabt. Sie ist ehrenamtliche Wetterbeobachterin. Für ihr mehr als 40-jähriges Engagement hat sie jetzt eine Verdienstmedaille bekommen.

 Den Sonnenscheinschreiber nach Campbell Stokes kennt Wetterfrau Agnes Fischbach aus eigener Anwendung. Foto: Wilhelm Lambrecht GmbH

Den Sonnenscheinschreiber nach Campbell Stokes kennt Wetterfrau Agnes Fischbach aus eigener Anwendung. Foto: Wilhelm Lambrecht GmbH

Mürlenbach/Weißenseifen. (thie) Sonnenschein und Regenwetter, Hitzewellen und Schneegestöber: Agnes Fischbach hat alles erlebt - und alles aufgeschrieben. Mehr als 40 Jahre lang. Die Weißenseifenerin ist ehrenamtliche Wetterbeobachterin des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Für ihr Engagement hat sie die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Verliehen wird die Medaille von Bundespräsident Christian Wulff.

"Jeden morgen muss ich um zehn vor sieben raus, um den Niederschlag zu messen. Früher habe ich sogar dreimal abgelesen: morgens, mittags, abends", sagt die 70-Jährige. Früher, das war 1969. "Unser Förster hatte eine Wetterstation im Garten. Als er wegging, habe ich seinen Job übernommen", erinnert sie sich.

Der Wetterdienst baute empfindliche Instrumente und kuriose Geräte bei ihr auf. Einen Sonnenscheinschreiber etwa. Das ist eine Glaskugel, die wie ein Schulglobus an einer Achse in einem Rahmen hängt. In diesen Rahmen wird ein Stück schwarzes Papier mit Markierungen geklemmt.

Wann immer die Sonne scheint, brennt die Kugel mit gebündeltem Licht kleine Löcher ins Papier. So kann der Wetterbeobachter später ablesen, wann genau die Sonne geschienen hat. Etwa 35 Jahre lang stand im Garten der Fischbachs auch eines dieser kleinen weißen Wetterhäuschen mit Lamellenwänden. Im Inneren hingen verschiedene Thermometer.

Außerdem zeichnete ein sogenannter Thermohygrograph unablässig Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit auf. Dieser "Temperatur-Feuchtigkeits-Schreiber" hat zwei waagerechte Nadeln mit Miene. Sie schreiben eine Kurve auf eine senkrechte Trommel mit Papier, die sich langsam im Uhrzeigersinn dreht. "Die Papierstreifen gingen mit anderen Tabellen per Post nach Trier", erinnert sich Agnes Fischbach.

Bevor sie Mitte der 60er Jahre ihr erstes Kind bekam, war sie Angestellte bei der Sparkasse. "Ich konnte immer gut mit Zahlen", sagt sie. "Als ich meinen Job aufgegeben hatte, war die Rechnerei für den Wetterdienst ein guter Ausgleich." Denn für alle notierten Daten mussten auch Mittelwerte berechnet werden. Um die Wetterverhältnisse exakt wiedergeben zu können, hatte sich Fischbach ein ganzes Alphabet an Symbolen angeeignet: eine Art Anführungszeichen für Regen, ein Sternchen für Schnee und für den Wind ein Zeichen, das aussieht wie eine Zahnbürste.

Von Klimawandel keine Spur



Sie meldete fast alles, was irgendwie mit dem Wetter zusammenhing: Temperaturen in der Luft und am Boden, Regen und Schnee, Wind, Nebel, Sonnenschein, Wolken, Straßenglätte, Gewitter. 365 Tage im Jahr. "Wenn wir mal in Urlaub wollten, musste meine Schwägerin ran", sagt Agnes Fischbach.

Einen Klimawandel hat sie bis jetzt noch nicht gespürt. "Es gibt sehr trockene Jahre und sehr feuchte, warme Winter und kalte Winter. Aber merklich verändert hat sich eigentlich nichts", sagt sie. Ob sie schon jetzt sagen kann, wie der Sommer wird? "Diese ganzen Bauernregeln sind Kokolores. Selbst die Meteorologen mit ihren Satelliten können das Wetter grade mal für zwei Wochen zuverlässig voraussagen."

Das Wetterhäuschen von Fischbach ist inzwischen abgebaut. "Viele Stationen sind heute automatisiert, in Weißenseifen wurde sie ganz gestrichen", bedauert sie. Schmunzelnd erinnert sie sich an die tobenden Kinder im Garten. "Die Station mit den empfindlichen Glasröhrchen hat schon mal einen Ball abbekommen. Dann musste es heißen: aus unerfindlichen Gründen ausgefallen." Heute stehen nur noch zwei Niederschlagsmesser und ein Schneehöhenmesser am Gartenzaun. Aber auch die wollen kontrolliert werden. 365 Tage im Jahr.

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