"Die Medien" gibt es gar nicht – Podiumsdiskussion über Glaubwürdigkeit der Presse in Daun

Daun · „Lügenpresse“, „Fake News“, „alternative Fakten“: Wer soll da noch durchblicken? Im Dauner Forum haben erfahrene Journalisten über die Glaubwürdigkeit und die Zukunft der Medien diskutiert. Auch Kritiker meldeten sich zu Wort.

 Woran erkennt man in einem Saal voller Anzugträger die Journalisten? In vier von fünf Fällen an der Abneigung gegen Krawatten: Detlef Esslinger, Kai Gniffke, Thomas Nettelmann, Peter Reinhart, Thomas Leif, Landrat Heinz-Peter Thiel und Sparkassen-Vorstandsmitglied Stephan Alt (von links).

Woran erkennt man in einem Saal voller Anzugträger die Journalisten? In vier von fünf Fällen an der Abneigung gegen Krawatten: Detlef Esslinger, Kai Gniffke, Thomas Nettelmann, Peter Reinhart, Thomas Leif, Landrat Heinz-Peter Thiel und Sparkassen-Vorstandsmitglied Stephan Alt (von links).

Foto: Klaus Kimmling

Ein einziges Mal wird die Diskussion hitzig: Ein junger Mann aus dem Publikum richtet einen Vorwurf an Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-Aktuell: "Wie soll man der Presse vertrauen, wenn sie ihre Kritiker so diffamiert?" Er bezieht sich auf das Nachrichtenportal NachDenkSeiten, das sich als Alternative zu "traditionellen" Medien versteht. Die Tagesschau versuche, dieses in die rechtsradikale Ecke zu stellen. Dabei sei Herausgeber Albrecht Müller ehemaliger SPD-Politiker. Gniffke entgegnet: "Wir wollen unseren Kritikern keinen Stempel aufdrücken. Wir haken lediglich nach und stellen die Fakten dar, die wir recherchiert haben." Thomas Leif, Chefreporter beim SWR, bleibt nicht so defensiv: "Die NachDenkSeiten fahren einen harten außenpolitischen Kurs, der sich eindeutig in der Berichterstattung niederschlägt. Und von Ihrem heroischen Müller und seinen Ansichten hat sich der ehemalige Mitherausgeber Wolfgang Lieb mittlerweile distanziert."

Fünf Vertreter der vermeintlichen "Lügenpresse" sitzen am Donnerstagabend im Forum Daun auf der Bühne: Neben Gniffke und Leif diskutieren Peter Reinhart, stellvertretender TV-Chefredakteur, Detlef Esslinger, stellvertretender Innenpolitik-Leiter der Süddeutschen Zeitung und Thomas Nettelmann, SWR-Nachrichtenchef, über die eigene Glaubwürdigkeit. Die Podiumsdiskussion ist Teil der der Feierlichkeiten zum 200-jährigen Bestehen des Landkreises Vulkaneifel. Die Eifel scheint ein Nest für Spitzen-Journalisten zu sein: Leif stammt aus Daun und kann sich gut an Gniffke erinnern, der in Üdersdorf aufgewachsen ist: "Ich kenne Kai noch als Trittscheider Brutalo-Fußballer." Gniffke blickt gerne zurück: "Denn gegen Daun hat unser Verein immer zweistellig gewonnen."

Esslinger kommt aus Bitburg und hält zu Beginn fest: "Die Medien gibt es ja gar nicht. Genauso wie die Politiker oder die Friseure. Wir sind Menschen!" Da sei es klar, dass sich individuelle Charaktere in der Berichterstattung niederschlagen. Doch woher komme dann die Wahrnehmung, dass alle Medien gleichförmig über dieselben Themen berichten, fragt Leif. "Es gibt einen gewissen Herdentrieb, bloß kein Thema zu verpassen, über das andere berichten", erklärt Nettelmann. "Aber weil alle über etwas berichten, heißt das nicht, dass es gut ist. Mut zur Lücke!" Reinhart erwidert: "Es gibt aber eine Erwartungshaltung, die man nicht einfach ignorieren kann: Das, was in der Tagesschau läuft, soll am nächsten Tag gefälligst, auf die Region bezogen, auch im TV stehen."

Laut Studien sei etwa ein Drittel der Bevölkerung skeptisch gegenüber der Presse. "Die Leute sollen ja nicht alles glauben, bloß weil es in der Zeitung steht", findet Esslinger, "aber ein totales Misstrauen ist auch Unsinn." Nettelmann sieht das Problem gelassen: "Ist doch gut, es gibt eine Auseinandersetzung, da hat man eine Gesprächsgrundlage." Diese Meinungen habe es schon immer gegeben, das Internet biete nur eine neue Plattform. "Man muss mit den Leuten sprechen, dann haben sich die meisten Probleme schnell erledigt." Da raunt Leif nur: "Ziemlich idealistisch."

einhart glaubt, dass journalistische Arbeit oft missverstanden wird: "Fakten sind erst mal das, was wir zählen und messen können. Alles andere ist schon Interpretation, und auch die gehört zum Journalismus dazu." Darum sei Transparenz wichtig, findet Esslinger: "Wir müssen klarmachen, wie wir arbeiten und warum wir so arbeiten. Niemand weiß zum Beispiel, was wir meinen, wenn eine Information ‚aus Regierungskreisen‘ kommt."

Überhaupt sollten Journalisten den Mut haben, einfache Fragen zu stellen, sagt Gniffke: "Journalisten dürfen nicht so viel voraussetzen. Wir haben vor Kurzem über einen Beschluss des UN-Menschenrechtsrats berichtet, und nur ich habe gefragt, was dieser Rat überhaupt tut." Gniffke findet die Podiumsdiskussion darum sinnvoll.

Nur einen Nachteil habe sie für das Publikum: "Wegen dieser schändlichen Veranstaltung verpassen Sie die Tagesschau!"Kommentar

Wir sind auch nur Menschen

 Kein alternativer Fakt: Das Forum Daun war während der Diskussion voll.

Kein alternativer Fakt: Das Forum Daun war während der Diskussion voll.

Foto: Klaus Kimmling

Man muss nicht lügen, um als "Lügenpresse" abgestempelt zu werden. Es reicht, als abgehoben wahrgenommen zu werden, als elitär, als einer von "denen da oben". Journalisten werden häufig als Menschen gesehen, die nicht zum "normalen" Volk gehören, sondern zur Kategorie "Politik, Wirtschaft und Presse". Und daran sind wir selbst schuld.

Manche versuchen nun, sich bei den Lesern anzubiedern. Bloß nur das schreiben, was das Publikum will! Aber kein Rückgrat ist auch keine Lösung. Hilfreich ist nur enger Kontakt zu den Lesern. Wer Menschen, die "Lügenpresse" schreien, ernst nimmt und nach ihren Beweggründen fragt, kann vielleicht ein einfaches Missverständnis aufklären. Und selbst menschlicher wirken.

a.froschauer@volksfreund.de

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