Dorfentwicklung mit der Abrissbirne

Daun · Kaisersesch hat es vorgemacht, Daun zieht nun nach. Die Verbandsgemeinde stellt im nächsten Jahr 60 000 Euro für den Abriss von Häusern zur Verfügung, die mehr als fünf Jahre leer stehen. So könnten beispielsweise neue Baugrundstücke entstehen.

Daun. "Wir sind sehr zufrieden mit dem bisher Erreichten", sagt Lothar Schaden. Er ist Mitarbeiter der Verwaltung der Verbandsgemeinde (VG) Kaisersesch (Kreis Cochem-Zell) und dort zuständig für das Programm "Abriss - Platz da!", welches in diesem Jahr gestartet wurde.
Der Hintergrund, ein solches Programm aufzulegen: Der demografische Wandel schlägt sich immer mehr auf dem Immobilienmarkt nieder, vor allem in den Dörfern.Programm kommt gut an


So gibt es in der VG Kaisersesch derzeit 4490 Wohngebäude, wovon etwa 140 Häuser bereits komplett leer stehen. Wenn alle Versuche, alte Häuser zu vermarkten, scheitern und sie ihrem Schicksal überlassen sind, verfallen sie zusehends. Am Ende hilft dann nur noch die Abrissbirne. Die maroden Häuser werden beseitigt und es entsteht Platz, um zum Beispiel neue Baugrundstücke zu erschließen. "Das Programm kommt gut an, sechs Häuser sind in diesem Jahr abgerissen worden, drei stehen kurz davor", berichtet Schaden.
Kaisersesch hat die Vorreiterrolle übernommen, nun sollen auch die Verbandsgemeinden Daun, Gerolstein, Kelberg und Ulmen (Kreis Cochem-Zell) folgen. Der Rat der VG Daun hat nun einstimmig das Förderprogramm Abriss beschlossen.
Schon heute stehen in den 125 Dörfern und Ortsteilen in den vier Verbandsgemeinden durchschnittlich 6,2 Prozent der Wohngebäude leer, in einzelnen Gemeinden sind es mehr als 20 Prozent. Tendenz stetig steigend: In den nächsten Jahren werden 13,2 Prozent der Gebäude leer stehen - in manchen Gemeinden 40 Prozent, weil die Bewohner sterben und die Häuser nicht neu verkauft oder vermietet werden. Konkret gibt im Projektgebiet mehr als 1000 leerstehende Wohngebäude, dabei handelt es sich zum Teil um Schrottimmobilien. Die sind in der Regel ja schon unverkäuflich, aber auch angrenzende Gebäude werden in (finanzielle) Mitleidenschaft gezogen, denn deren Wert wird gleich mit gemindert.Finanzieller Anreiz


Weniger Einwohner, weniger Interesse an älteren Immobilien: Die Tendenz ist klar, die Nachfrage wird weiter sinken. Mit dem nun für die VG Daun beschlossenen kommunalen Förderprogramm Abriss soll dem immer größer werdenden Problem begegnet werden.
Mit Worten allein ist es nicht getan, deshalb wird auch ein finanzieller Anreiz geschaffen. Für das Förderprogramm Abriss stellt die VG für das kommende Jahr 60 000 Euro bereit. In der Regel wird ein Abriss mit 3000 Euro gefördert. Diese Summe ist festgesetzt worden nach den Erfahrungen der VG Kaisersesch. Dort hat sich der Betrag als ausreichend herausgestellt.Meinung

Nur ein erster Schritt
In vielen Dörfern besteht bereits ein Leerstandsproblem. Und es wird angesichts der alternden Gesellschaft deutlich größer werden. Höchste Zeit gegenzusteuern. Die Prämie für den Abriss alter Häuser, die über Jahre keinen Käufer gefunden haben, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn die Ruinen färben negativ auf das Umfeld ab. Doch die Unterstützung der Privateigentümer, die mit 3000 Euro nur einen kleinen Anreiz bietet, wird nicht genug sein. Gemeinden sollten, wo es um ortsbildprägende Stellen geht, selber Geld in die Hand nehmen: um Leerstände zu kaufen und plattzumachen, oder zu renovieren oder um die Bahn für Investoren freizumachen, die zukunftsträchtige Infrastruktur wie einen Dorfladen oder eine Mehrgenerationen-WG schaffen wollen. Beispiele dafür gibt es bereits im Land. Zwei Bedingungen müssen dafür erfüllt sein: Erstens muss es den Gemeinden trotz Verschuldung möglich sein, Geld bereitzustellen oder selbst in die Hand zu nehmen. Da ist der Gesetzgeber gefragt, die Fesseln zu lockern. Zweitens muss sich überall das Bewusstsein durchgesetzt haben: Es wird kein Quadratmeter neues Bauland mehr ausgewiesen. Denn sonst fehlt der nötige Handlungsdruck, in den Dorfkernen etwas anzupacken. m.huebner@volksfreund.de

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