Aus dem Archiv (Juni 2019) Trinkwasser aus Birgeler Brunnen weist zu viel Nitrat auf

Gerolstein/Birgel · Drei Tiefbrunnen auf der Gemarkung Birgel weisen zu hohe Nitratwerte auf, auch Grenzwerte wurden  überschritten. Die Wasserwerke reagieren mit Zumischung aus den weniger belasteten Quellen.

 Zu viel Gülle auf den Feldern ist Hauptgrund für die Nitratbelastung des Grundwassers. In Birgel besteht dieses Problem.

Zu viel Gülle auf den Feldern ist Hauptgrund für die Nitratbelastung des Grundwassers. In Birgel besteht dieses Problem.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Als Hauptursache und als Verursacher der Nitratbelastung im Grundwasser der Birgeler Brunnen seien die intensive landwirtschaftliche Nutzung und das Ausbringen von Gülle, Jauche und Festmist eindeutig identifizierbar, heißt es in einer Stellungnahme der Struktur- und Genehmigungsbehörde (SGD) Nord. Zu deren Aufgabengebiet als Obere Landesbehörde gehört auch die Aufsicht über die Wasserwirtschaft in Rheinland-Pfalz. „Ein Anwachsen der Nitratwerte in diesen Bereichen, wie sie im Wasser der drei Brunnen in und um Birgel nachgewiesen wurde, lässt sich fachlich nicht anders erklären“, schreibt die SGD Nord weiter.

Anhand von neuesten Messungen vom 13. Mai 2019 liegt die Menge des Nitrats im Wasser des Brunnens Suhr bei 48 Milligramm je Liter (mg/l), der Brunnen Poppenthal ist mit 42 mg/l belastet, der Brunnen Hollpütz mit 30 mg/l. Der Grenzwert nach der Trinkwasserverordnung ist mit 50 mg/l erreicht – allerdings müssen laut der EU-Grundwasserrichtlinie bereits bei einer Belastung von 37,5 mg/L Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

„Die Unterschreitung des Grenzwertes kann nur durch Mischung der drei Brunnen erreicht werden“, sagt VG-Werkleiter Harald Brück. „In den  Hochbehältern Lissendorf, Feusdorf, Esch und Gönnersdorf beträgt der aktuelle Wert dadurch 42 Milligramm Nitrat je Liter und liegt damit noch unter den Grenzwerten der Trinkwasserversorgung. Doch die Werte steigen seit Jahren an.“

Insgesamt zu viel Nitratgehalt, doch man arbeite mit Hochdruck an möglichen Lösungen, betont Brück. Zur Höhe der dazu nötigen Investitionen könne er zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage treffen: „Doch die Lösung des Problems steht mit absoluter Priorität an erster Stelle und darf nicht an den Kosten scheitern“, sagt der Werkleiter.

Helfen sollen auch Gespräche mit den Landwirten im Wasserschutzgebiet Birgel. Er sei zuversichtlich, dass es zu Kooperationen komme, erste Kontakte seien schon geknüpft, berichtet Harald Brück.

Die SGD Nord wählt in ihrer Stellungnahme eine härtere Gangart: „Offenbar wurde hier in den vergangenen 20 Jahren nicht nach der vorgegebenen ,guten landwirtschaftlichen Praxis´ gearbeitet“, heißt es in dem Schreiben der Behörde. „Ein weiter so ... kann und wird die wasserwirtschaftliche Behörde nicht akzeptieren.“ Bereits die ehemalige VG Obere Kyll hatte versucht, Kompromisse mit den Landwirten zu erreichen: „Leider waren die Gespräche wenig erfolgversprechend“, teilt die SGD in ihrem Schreiben mit.  Bisher hätte die Freiwilligkeit von Maßnahmen seitens der Landwirtschaft im Vordergrund gestanden – damit sei nun Schluss: „Davon wird zukünftig in und um Birgel leider Abstand genommen werden müssen.“

Kreisbauernvorsitzender Marco Weber (FDP) hält dagegen: „Die Zahlen, die laut der SGD belegen sollen, dass in Birgel zu viel Vieh auf zu wenigen Hektar Land gehalten werde und dadurch die Nitratwerte der Brunnen steigen, sind falsch.“ Davon hätte er sich selbst in Gesprächen mit den betroffenen Landwirten überzeugt. „Die Betriebe wurden im vergangenen Jahr geprüft, hier bewegt sich alles im grünen Bereich.“ Gesprächsangebote der Kreisbauernschaft an die Adresse der damaligen VG Obere Kyll seien ohne Rückmeldung seitens der Verwaltung geblieben, lediglich das Dienstleistungszentrum ländlicher Raum (DLR) habe mit wenigen Landwirten Kontakt aufgenommen. Selbstverständlich seien die Nitratwerte zu hoch, sagt Weber - dies sei bereits seit Jahren bekannt. „Doch es hilft gar nichts einem oder zwei Landwirten den Schwarzen Peter zuzuschieben, das Problem ist großflächig anzugehen, sagt der Kreisbauernchef. „Darum müssen sich alle Parteien an einen Tisch setzen und  ein Paket schnüren, das eine Lösung herbeiführen kann.“ Eine Lösung könne die Einführung zweier getrennter Wasserschutzzonen sein, sagt Werkleiter Brück. „Früher waren die Brunnen in einem Wasserschutzgebiet zusammengefasst, nun sollen die Brunnen „Poppenthal“ und „Hollpütz“ 2020 ein separates Gebiet erhalten, für den Brunnen „Im Suhr“ wird ein weiteres Wasserschutzgebiet eingerichtet.“ Damit ändern sich die Verordnungen: Gülle, Jauche, Festmist und Silagesickersäfte haben in den Schutzzonen zukünftig nichts mehr zu suchen, während bis heute „quasi bis an den Zaun der Anlagen gedüngt werden kann“.

Diese Einschränkungen könnten für die Landwirte einen Mehraufwand oder auch Ertragsverluste nach sich ziehen, gegebenenfalls seien sie durch die VG-Werke  zu entschädigen, schlägt die Obere Landesbehörde vor. „Das wäre  mit den Einnahmen aus dem  Wassercent machbar und landesweit eine übliche Praxis“, sagt Gerd Ostermann von der Bürogemeinschaft für Naturschutz und Landschaftsökologie in Birgel. „Ob eine Entschädigung aber auch der Gesellschaft zu vermitteln ist, ist fraglich.“ Jährlich erhielten Landwirte hohe Zahlungen aus dem EU-Fonds für Landwirtschaft, eben auch als finanziellen Ausgleich für geleisteten Umwelt- und Gewässerschutz. „Und das gilt auch in Birgel. Wasser ist ein öffentliches Gut – wer die Richtlinien der EU nicht befolgt, sollte keine Steuergelder erhalten.“ Ostermann sieht die Maßnahme, das Wasser der betroffenen Brunnen zu mischen und auch nicht belastete Brunnen anzuzapfen, kritisch. „Das behebt nicht die Ursache des Problems, letztendlich bedeutet es, dass das Trinkwasser des gesamten Netzes an Qualität verliert.“ Die Wasserwerke sollten, statt über Entschädigungen nachzudenken, sinnvoll investieren und Land  ankaufen, damit die Düngungen eingestellt werden.

Ob er das Birgeler Wasser noch trinkt? „Nicht gerne, ich ziehe Wasser aus der Flasche vor“, antwortet der Agraringenieur.

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