Durchbruch: Stadt mietet neuen Kindergarten

Überraschende Wendung: Die Stadt Gerolstein hat mit der Fertighausfirma Streif aus Weinsheim vereinbart, dass diese den neuen, achtgruppigen Kindergarten in der Raderstraße baut und die Stadt das Gebäude mietet. Im Herbst 2011 soll es bereits bezugsfertig sein.

Gerolstein. Auf ein völlig neues Modell setzt die Stadt Gerolstein, um das Kindergarten-Dilemma zu lösen: Der Gerolsteiner Stadtrat hat gestern Abend mehrheitlich in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen, dass die Stadt das Gebäude nicht mehr selbst baut. Vielmehr schließt sie mit der Fertighaus-Firma Streif aus Weinsheim als Investor einen Vertrag ab und mietet das Gebäude für zehn Jahre an.

Die monatlichen Mietkosten liegen zwischen 30 000 und 33 000 Euro im Monat. Danach geht der Kindergarten in das Eigentum der Stadt über. Doch auch vorher kann die Stadt das Gebäude "jederzeit kaufen", wie Stadtbürgermeister Bernd May (parteilos) betont.

Beim herkömmlichen Verfahren samt Kreditaufnahme ist es wegen der Zinslast laut May "genauso viel". Dennoch spricht er auch von einem "finanziellen Vorteil", denn: "Die Miete wird teilweise auf den Kaufpreis angerechnet." Hinzu komme, dass die Stadt nun doch nicht auf einen Schlag hohe Kredite aufnehmen muss und "wir vor Kostensteigerungen gefeit sind, da wir einen Festpreis ausgehandelt haben".

Von 2008 (als letztmalig die Kosten für den Kindergartenneubau ermittelt wurden) bis 2011 wird laut May eine Kostensteigerung in der Baubranche von 15 bis 20 Prozent prognostiziert. Zuletzt sollte der Bau rund vier Millionen Euro kosten - nach zunächst 2,9 und dann 3,2 Millionen Euro. Daraufhin hat der Bauausschuss der Stadt Gerolstein am 15. April 2010 einen Bau- und Planungsstopp für den Kindergarten verhängt.

Einen Punkt stellt May aber noch mehr heraus. Er sagt: "Am wichtigsten ist der Zeitfaktor. Mit erneutem Architektenwettbewerb und Ausschreibung wären zwei weitere Jahre ins Land gegangen." Streif aber könne die Teile im Winter in der Halle vorproduzieren und dann im Frühjahr und Sommer aufbauen.

Erste Gespräche mit Streif gab es bereits während der Amtszeit von Karl-Heinz Schwartz (CDU). Dabei ging es jedoch immer um Überlegungen, die Fertighaus-Firma als Generalunternehmer einzusetzen. May berichtet: "Im Lauf der Gespräche haben wir dann mal nachgefragt, ob das Miet-Modell auch ein Thema sein könnte. Und als Streif zugestimmt hat, auch als Investor aufzutreten, war ich schon überrascht. Positiv überrascht."

Wie auch bei der bisherigen Planung sind die Kosten für die Innenausstattung, den Spielplatz sowie Kunst am Bau noch nicht berücksichtigt. Sie werden auf rund eine halbe Million Euro beziffert.

Meinung

Ein Coup

Im Wahlkampf und bei seinem Amtsantritt vor drei Monaten hat Stadtbürgermeister Bernd May angekündigt, die ausgetretenen Pfade verlassen und zur Problembewältigung stets auch nach Alternativkonzepten suchen zu wollen. Das ist ihm und seinen Mitstreitern in der Kindergartenfrage nun gelungen. Dass sie einen privaten Investor gefunden haben, der den Kindergarten in nur zehn Monaten bauen will, ist ein Coup. Und finanziell scheint nun auch kein Desaster mehr zu drohen. Bleibt nur noch abzuwarten, ob es auch rechtlich haltbar ist, auf eine Ausschreibung bei einem derartigen Großprojekt zu verzichten. m.huebner@volksfreund.de

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