Eifelerin schlägt eigenen Bruder mit einer Axt

Koblenz/Eifel · Immer wieder streicht sich die junge Frau über die Hände und die eigene Wange. In Handschellen wurde sie in den Gerichtssaal geführt - vor ihr liegt ihr Jugendgerichtshilfebericht, sie liest aufmerksam.


Rechtsanwalt Stefan Schmidt aus Koblenz erklärt der 21-Jährigen, was in den nächsten Stunden auf sie zukommen wird. Sie wirkt selbstbewusst und klar, doch ihre Hände zittern.
Drei Mal hat die Angeklagte mit einer Axt im Haus der Mutter im Kreis Cochem-Zell auf den Kopf ihres kleinen Bruders geschlagen. Stimmen in ihrem Kopf haben es ihr befohlen. Jetzt muss die Zweite Strafkammer des Koblenzer Landgerichts entscheiden, ob die Eiflerin für unbestimmte Zeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wird. Auch die Staatsanwältin Ute Adam-Backes geht davon aus, dass die 21-Jährige zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war. Die Diagnose eines Gutachtens lautet Schizophrenie.
Wie eine Gutachterin beschreibt die junge Frau ihren Lebenslauf. Momentan wird sie in einer Klinik für forensische Psychiatrie behandelt, doch bereits als Jugendliche musste sie mehrfach in ähnliche Einrichtungen eingeliefert werden."Das war keine leichte Zeit für mich", sagt die 21-Jährige.
Etwa 100 Stimmen hört die junge Frau, wenn es ihr schlechtgeht. Sie befehlen ihr, sich umzubringen, die Stimmen beleidigen sie heftig. Sie versucht, sich selbst zu töten, später flüchtet sie in Einsamkeit und Depression. Die Medikamente, die ihr verschrieben werden, nimmt sie nicht ein. Vor dem Morgen, an dem die damals 20-Jährige ihren Bruder angreift, bleibt sie drei Tage und Nächte lang wach.
Sie spricht mit den Stimmen, führt Monologe. Am Tag ist es ein Nuscheln, in der Nacht sind die Stimmen klar. Sie ist davon überzeugt, dass sie und ihre Familie sterben müssen - und sagt dies auch.
Die Eiflerin ist intelligent. Sie liest gerne philosophische Texte, schreibt selbst und interessiert sich für Religion. Ihre Mutter merkt zwar früh, dass etwas mit ihr nicht stimmt, doch nicht, dass es sich um eine Krankheit handelt. "Ich bin nicht intelligent genug, um ihr zu folgen", sagt die Mutter vor Gericht. "Sie konnte mich verbal jederzeit in meine Schranken weisen, ich war überfordert." Auch die Vorsitzende Richterin Helga Diedenhofen sagt: "Dass sie sehr schlau ist, haben wir gemerkt." Auch von Ärzten fühlt sich die Mutter alleingelassen. "Die sagten, es stünde Aussage gegen Aussage. Nur weil sie mit sich selbst spreche, sei das kein Grund, sie dort zu behalten", erklärt die 46-Jährige.
In der Nacht vor der Tat hat die Eiflerin Halluzinationen, sie glaubt, dass die Stimmen bereits ihre Mutter und eine Schwester getötet haben.
Sie habe es gewusst, weil für jeden Tod ein Stück ihres Herzens entfernt worden sei. Sie steigt durch ein Fenster aus dem Haus und findet eine Axt. Sie sagt, sie wollte ihren Bruder vor dem Foltertod bewahren. Drei Mal schlägt sie zu, bevor der Bruder schreiend wegläuft - zum Glück wird er nur leicht verletzt. Erst als sie ihre Mutter sieht, erkennt sie selbst ihren Wahn.
Seit diesem Tag wird die 21-Jährige in einer Klinik behandelt, die Stimmen seien jetzt verschwunden. Sie habe erkannt, dass sie krank sei. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts werden die Aussagen eines Psychiaters und eines Betreuers sein, die feststellen sollen, wie es jetzt um die junge Frau steht, erklärt Rechtsanwalt Stefan Schmidt. "Wir müssen herausfinden, was für die Angeklagte das Richtige ist", sagt der Strafverteidiger. "Hier steht viel auf dem Spiel." rue

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort