Eifelstrecke: Hirngespinst oder Chance für die Region?

Gerolstein/Birresborn/Euskirchen · Der geplante Ausbau der Eisenbahnstrecke zwischen Trier und Köln ruft bei den TV-Lesern heftige Reaktionen hervor. Viele befürworten das Projekt und sehen es als Impulsgeber für Wirtschaft und Tourismus. Aber es gibt auch negative Stimmen. Ein Überblick.

Gerolstein/Birresborn/Euskirchen. Die Bundesregierung und das Land Rheinland-Pfalz wollen die Eifelstrecke zwischen Trier und Köln zweigleisig ausbauen und elektrifizieren. Neben mehr Personenzügen sollen dann auch Güterzüge über die Strecke rollen. "Der Frankreich-Verkehr mit derzeit 70 Güterzügen könnte zu einem Gutteil (vom Mittelrheintal) auf die Eifelstrecke verlagert werden", besagt eine Studie des Umweltbundesamts. 70 Güterzüge täglich auf der Eifelstrecke? "Nonsens!" sagen einige unserer Leser. "Denkt auch an die Menschen im Mittelrheintal, wo täglich 400 Züge fahren", sagen andere. Ein Überblick der Reaktionen auf unseren Artikel vom 5. Mai:

Christopher Eul, Gerolstein: "Wir befinden uns im Jahre 2013 nach Christus. Ganz Deutschland erlebt Zuwachsraten im Eisenbahnverkehr, weil mehr Menschen auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen. Ganz Deutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Kommunalpolitikern beherrschte Region hört nicht auf, die letzten verbliebenen Bahnstrecken stillzulegen und in Radwege umzubauen.
Nun zeigt sich erstmals seit langem politischer Wille, in die Eifelstrecke zu investieren. Auch hier sollten nicht direkt Schreckgespenster an die Wand gemalt werden. Den zu erwartenden negativen Effekten stehen auch positive Effekte gegenüber:
Eine Hauptbahn sollte durchgängig zweigleisig und elektrifiziert sein. Das reduziert die Verspätungen und erhöht die Geschwindigkeit.
Zudem wäre damit auch eine Anbindung an den Fernverkehr kein unrealistisches Szenario mehr. Solch ein Quantensprung bedarf großen Investitionen, denen die Eifel offen gegenüberstehen sollte."

Ullrich Papschik, Bitburg: "Die Eifelstrecke hat eine ältere Daseinsberechtigung als die Autobahnen, die seit den 80er Jahren durch die Eifel gebaut wurden. Außerdem kann eine Bahnlinie nur bei guter Auslastung wirtschaftlich sein. Jeder Zug weniger im Rheintal tut den dortigen Bürgern einfach nur gut.
Mit einem Ausbau der Bahnstrecke werden moderne Technik und neue Arbeitsplätze in die Eifel kommen. Dies müssen wir gerade auch vor dem Hintergrund sehen, dass umweltfreundlichere Transportwege aufgrund des Klimawandels verstärkt genutzt werden müssen."

Horst Gläser, St. Thomas/Malberg: "Wenn Herr Ramsauer oder die Damen und Herren in Mainz entscheiden, was gut für die Eifel ist, kommt selten etwas Gutes dabei heraus. Wer die Orte an der Kyll kennt, der weiß, welchen wirtschaftlichen Niedergang sie erdulden mussten, ohne dass sich ein Politiker blicken ließ.
Jetzt sollen wir glauben, dass der Wohlstand mit dem Ausbau der Eifelstrecke zurückkehrt. Das ist völliger Nonsens und nichts weiter als eine sehr gewagte Vermutung. Die Touristen kommen nicht mit dem Zug, die Strecke wird hauptsächlich von Pendlern genutzt. An den Wochenenden sind die Züge fast leer.
Die Menschen im Kylltal haben in den letzten Jahrzehnten viel ertragen: die Ignoranz der Politik, die Abwanderung der Jugend und von arbeitsplatzschaffender Infrastruktur. Und jetzt sollen sie auch noch dessen beraubt werden, mit dem sie viele dieser Verluste kompensieren konnten: der unverbrauchten Schönheit der Natur."

Christoph Heymann, Berndorf: "Die Eifel ist inzwischen ‚chic\', auch für Touristen. Es hat viel Geld gekostet, diesen Imagewandel zu vollziehen. Doch wohin wir letztendlich wollen, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Auch dazu, wie viel Bürgerwille dabei erwünscht ist.
Am einfachsten ist es zu sagen: ‚Gewählt ist gewählt, die Politiker werden das schon schaukeln.\' Vielleicht gibt es aber auch Menschen, die behaupten: Wir stehen vor einem tiefgreifenden Wandel. Wir produzieren Energie für die Metropolen, wir bauen Gestein ab, und wir stellen auch immer mehr Flächen für Verkehrsprojekte zur Verfügung. Dass wir nun auch ‚unseren\' Beitrag zur Entlastung der Rheinstrecke leisten sollen, macht so weitergedacht sicher Sinn.
Vielleicht macht es ja auch Sinn, sich die Konsequenzen dieses Landschaftswandels anzuschauen und mit den Betroffenen zu diskutieren. Welchen Stellenwert hat Lärm? Wie binden wir die Veränderungen in unsere Tourismusstrategie ein? Haben die Pläne Auswirkungen auf Übernachtungszahlen und Grundstückspreise?
Die Frage ist: Wird der Wandel diskutiert - oder schauen wir in 20 Jahren gemeinsam auf die roten Laternen der Güterzüge im Kylltal?"

Frija Blumberg, Mürlenbach: "Auch wir wohnen an der Bahn und sind von den Vorschlägen von Herrn Schnieder wenig begeistert. Durch seinen Wohnort Arzfeld donnert kein Zug."

Markus Eßer, Kerpen: "Die Besorgnis der Anwohner im Kylltal ist zum Teil verständlich, jedoch schon aus technischen Gründen weitestgehend unbegründet. Die Eifelstrecke wäre selbst nach einer Elektrifizierung mit ihren Kurven und Steigungen für lange Züge ungeeignet. Die wichtigen Container- und Erzzüge können dort daher gar nicht wirtschaftlich fahren. Auch wenn man es am Rhein nicht gerne hören wird: Der ökologisch sinnvolle Schienengüterverkehr wird auch in 30 Jahren noch dort und nicht in der Eifel rollen. Lärmschutz kann und muss durch leisere Fahrzeuge und nicht durch sinnlose Eifelstrecken-Hirngespinste gewährleistet werden."

Thilo Stobbe, Manderscheid: "Ob es beim Bau der Eifelstrecke im Jahr 1871 zu Enteignungen kam, kann ich nicht sagen. Jedenfalls hat die Mehrheit der Menschen das Projekt damals begrüßt. Denn durch die Bahnstrecke rückte doch die Region enger an die Städte, der Handel mit heimischen Produkten blühte auf. Die gesellschaftlichen Forderungen nach neuen Transportwegen greifen zwangsläufig auch auf solche Trassen wie die Eifelstrecke zurück, welche mit relativ geringen Mitteln und fast ohne nennenswerte Genehmigungsverfahren realisiert werden können.
Die Menschen, die an der Bahntrasse wohnen oder dort sogar ein Haus gebaut haben, haben das in vollem Bewusstsein getan. Mehr als 50 Jahre lang haben sie sich mit dem Personenzugverkehr arrangiert. Diese Beschaulichkeit könnte bald zu Ende sein. Begriffe wie ‚Enteignung\' halte ich dennoch für bedenklich. Die Menschen im Kylltal sollten über technische Maßnahmen nachdenken, die den größeren Lärm erträglich machen."

Volker Heimes, Gerolstein-Michelbach, geboren in Boppard am Rhein: "Zu sagen, es würde nichts bringen, die Rheinstrecke um 70 Züge zu entlasten, das ist reiner Egoismus. Wie kann man nur so denken? Die Birresborner sollten sich mal Boppard-Hirzenach ansehen. Da stehen zwei Häuserreihen direkt an der Bahn, und dahinter ist eine Felswand. Außerdem: Wie lange dauert der Ausbau? Zehn Jahre mindestens. Wo ein Wille, ist auch ein Weg. Also helfen wir alle den Einwohnern des Weltkulturerbes Mittelrheintal ein wenig und machen Druck auf die Politik, die sich langsam vom Volk wegbewegt."

Stefan Schmitz, Euskirchen: "Mit Freude habe ich gelesen, dass die Eifelstrecke weiter ausgebaut werden soll. Seit Jahrzehnten kämpft die Politik dafür, denn die Strecke ist ein wichtiger Wirtschafts- und Tourismusfaktor. Die Zahl von bis zu 70 Zügen täglich ist meines Erachtens nach sehr hoch gegriffen. Aber sie untermauert in Ihrem Artikel die Panikmache der als ‚Enteignung\' und als ‚Katastrophe\' bezeichneten Ansicht der Betroffenen.
Dabei verhält es sich bei der Bahnstrecke nicht anders als beim Thema Windkraft: Dort, wo sich Menschen betroffen fühlen, verweisen sie darauf, dass man die Anlagen überall bauen kann - nur nicht am eigenen Ort. Dies zeigt sich in Ihrem Artikel auch bei der Aussage einer Anwohnerin: ‚Mir tun die Menschen im Rheintal leid, ABER …\' 70 Züge weniger sind für die Menschen am Rhein ein großer Unterschied. Und 70 Züge mehr sind für die Anlieger der Eifelstrecke nur eine mäßige Mehrbelastung."

Johannes Jahn, Jünkerath: "Als Pendler, der täglich von Jünkerath nach Köln fährt, begrüße ich den Ausbau. Die Fahrzeiten würden kürzer, und mehr Güterverkehr wäre für den Erhalt der Strecke wünschenswert. Da aber noch nicht einmal die Kosten ansatzweise bekannt sind, wird der Ausbau wohl nicht kommen."Extra

Die Fahrtzeit zwischen Köln und Trier soll kürzer werden. Ab dem Fahrplanwechsel der Bahn am 9. Dezember fahren auf der Eifelstrecke neue Züge, die für die Distanz 20 Minuten weniger brauchen. Die Diesel-Triebwagen der französischen Firma Alstrom bieten Platz für 180 bis 300 Passagiere und sind bis zu 140 Kilometer in der Stunde schnell. senExtra

Bis zu 500 schwere Güterzüge fahren pro Tag auf der rechtsrheinischen Bahnstrecke zwischen Bingen und Koblenz. Seit 1994 protestieren die Anwohner dagegen (Foto: dpa). Sie fordern Nachtfahrverbote, neue Grenzwerte für Lärmemissionen und langfristig den Bau einer Alternativtrasse. Im Jahr 2017 soll in der Schweiz ein neuer Eisenbahntunnel eröffnet werden: der Gotthard-Basistunnel. Dieser soll den Gütertransport von Süd- nach Nordeuropa vereinfachen. Dadurch könnte sich auch die Zahl der Züge auf der Rheinschiene noch weiter erhöhen. sen

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