Ein bisschen mitbestimmen

Morgen ist zwar Sonntag, aber fürwahr kein Allerweltssonntag, denn es werden gleich zwei richtungweisende und tief in unser Leben eingreifende Handlungen von uns erwartet: Die Uhren müssen um eine Stunde vorgestellt und die Stimmen für die Wahl des Landtages sollen abgegeben werden.

Bei der Manipulation an den Zeitmessern bleibt uns keine Wahl, wollen wir nicht geschäftliche, wirtschaftliche, persönliche oder sonstige Nachteile für ein halbes Jahr in Kauf nehmen. Bei der Landtagswahl steht eine größere Auswahl zur Verfügung, besonders was das Angebot für die Zweitstimmen betrifft - zumindest theoretisch. Politisch gesehen werden die Uhren gleich für fünf Jahre eingestellt, schwerwiegende Nachteile sind bei Nichtbefolgung der Wahlpflicht kaum zu erwarten. Stellt man seine Armband-, Taschen-, Tisch-, Wand-, Stand- oder Turmuhr vorschriftsmäßig ein, ticken alle wieder richtig. Diese Feststellung lässt sich auf Eier- und Sonnenuhren sowie Politiker nach Wahlen nicht übertragen. Ein sonst eher als Kabarettist bekannter Mensch äußerte jüngst im Fernsehen die Ansicht, es sei an der Zeit, eine "Nichtwählerpartei" zu gründen. Sie könnte die Heimat aller notorischen Unzufriedenen und derer sein, die eigentlich oder tatsächlich nie wissen, wen oder was sie wählen. Diese "Partei" käme leicht auf 35 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten in Deutschland. Möglichweise hieße sie PDN ("Partei Deutscher Nichtwähler") und verfügte über ein kurzes und klares Programm: Wir sind keine Partei, keiner geht wählen, keine Diskussionen, keine aktiven Beteiligungen, keine Mitarbeit, keine Verantwortung, Familienfahrten ins Blaue statt Nichtwahlveranstaltungen; Parole: Lieber nicht wählen als sich quälen! Walburga und ich haben uns ausgemalt, was geschieht, wenn die PDN die absolute Mehrheit erreichen sollte. Armes Deutschland! Auch deshalb gehen wir zur Wahl. Weil wir, ein bisschen zumindest, mitbestimmen wollen. Es ist noch nicht so lange her, dass man in Deutschland nicht beziehungsweise nur eine Partei "wählen" konnte, und das bei einer Wahlbeteiligung, die beinahe die 100 Prozent überschritten hatte. Und vergesst auch nicht, die Uhren eine Stunde vor zu stellen, sonst kommt man leicht zu spät, warnt

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