Ein Verdacht spaltet ein Dorf

Antweiler · In der Eifel sollen Kinder in einer Kindertagesstätte von Erzieherinnen misshandelt worden sein. Es ist bisher nur ein Verdacht. Doch das Dorf Antweiler (Kreis Ahrweiler) droht allein schon an den Vorwürfen zu zerbrechen.

Antweiler. Antweiler, das ist ein 540-Einwohner-Dorf in der Eifel: eine Gemeinde, die vieles richtig gemacht hat in den vergangenen Jahren. Eine Verwaltung, die den Eltern einen Baby-Bonus überwies, wenn sich Kindersegen einstellte. Ein Kindergarten, in dem 28 Kindern auf dem Papier immerhin 6,8 Vollzeitstellen gegenüberstanden und von dem man sagt, dass in den vergangenen Jahren nicht eine Beschwerde zu hören war.
Aber dann ist da noch die andere Sache, die Ende vergangenen Jahres über Antweiler hereinbrach. Heute, keine drei Monate später, hat sie nichts als ein Trümmerfeld aus Argwohn hinterlassen. Ein Dorf, das sich in zwei Fraktionen gespalten hat: dort jene, die die Anschuldigungen wohl für wahr halten, auf der anderen Seite die Zweifler, die nicht glauben, was sich zugetragen haben soll.
Plötzlich Angst im Dunkeln


Die Gerüchte nahmen Ende November ihren Lauf. Von geknebelten Kindern in dem Kindergarten war die Rede, von Misshandlungen und unvorstellbaren Züchtigungen. Kinder sollen eingesperrt worden sein. Eines soll gezwungen worden sein, Erbrochenes zu essen. Das berichteten Medien.
Mitarbeiter und Eltern hatten Vorfälle gemeldet. Drei Erzieherinnen wurden freigestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Vorwurfs der Misshandlung Schutzbefohlener.
Claudia V. (33) war eine der Ersten, die von den Vorwürfen erfahren hat. Die Geschichten, die ihre Tochter erzählt, kann sie kaum glauben. Immer dann, wenn ihre Tochter nicht essen wollte, sollen Erzieherinnen sie mit einem Seil gefesselt haben. Der Mund soll ihr zugeklebt worden sein. Verweigerte sie das Essen, wurde sie in den viel zu kleinen Hochstuhl geklemmt oder in die Abstellkammer der Küche eingesperrt, schildert die Mutter.
Noch haben sich die Vorwürfe weder bestätigt noch als falsch herausgestellt. "Ich glaube meiner Tochter", sagt Claudia V.
Auch die Gymnasiallehrerin Irina Enting (34) schickt ihr Kind nicht mehr in den Kindergarten. Von ihrem Anwalt hat sie aus den Akten erfahren, dass eine Zeugin beobachtet haben soll, wie ihre Tochter mit Gewalt gezwungen wurde, Essen, das sie ausspucken wollte, wieder zu schlucken. Ihre Tochter hat plötzlich Angst im Dunkeln und fürchtet sich vor dem Einschlafen. Sie sagt: "Ich vertraue meinem Kind. Es passt immer mehr zusammen." Sie ist so etwas wie eine Sprecherin der mutmaßlich betroffenen Eltern. Sie haben sich organisiert, da sie das Gefühl haben, dass der Träger der Einrichtung, ein Zweckverband aus sechs Gemeinden, viel zu wenig unternimmt, um die Angelegenheit aufzuklären.
Sie beklagt fehlende Informationen und mangelndes Engagement der Gemeinde bei der Suche der Eltern nach einem neuen Kita-Platz. "Wir fühlen uns alleingelassen."
Hermann-Josef Romes (62), der 16 Jahre lang die Verbandsgemeinde Adenau führte, und noch Vorsteher des Zweckverbands des Kindergartens ist, gibt zu, dass bisher nicht alles optimal gelaufen ist. Er sieht sich im Dilemma, da er eine Fürsorgepflicht für die Erzieherinnen hat und zudem alle Bürger von Antweiler vertritt.

Gabriele Schomers (35) aus dem nahe gelegenen Dorsel bringt ihre beiden Kinder immer noch nach Antweiler. Sie kann nur Gutes über das Erzieherteam berichten. Sie erzählt, dass sie sich dort immer wie in einer Familie gefühlt habe und dass die Mitarbeiter derzeit Unglaubliches leisten. Sie ist eine der wenigen, die sich auf die Seite der Erzieher stellen.
Schomers wünscht sich, dass wieder Ruhe einkehrt. Dass die Vorwürfe von den Ermittlern geklärt werden und Klarheit herrscht. Und die Menschen wieder miteinander reden.

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